Steht das H in HR für «Hase»?

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Employer-BrandingLiebe Leser*innen, es ist mir eine grosse Ehre, von meinem hochgeschätzten Mitstreiter Michel Ganouchi an dieser Stelle die Feder zu übernehmen. Lassen Sie uns über Employer Branding sprechen und mit einer guten Nachricht starten: Der Stellenwert von Kultur wächst rasant. Bravo HR! Oder etwa nicht?

Die schlechte Nachricht ist leider: An den Personalabteilungen liegt es nicht, dass Kultur an Bedeutung gewinnt. Denn während HR weiter Dornröschen spielt, sind es längst andere, stärkere Kräfte, die die Power von Kultur erkennen und das Thema nach vorne bringen.

Früher war es der «grosse Bruder» Marketing, der HR in den strategischen Themen die Butter vom Brot genommen hat. Heute ist es der Vorstand selbst, der einfach nicht mehr warten will, dass HR aus dem operativen Quark kommt. Wann immer es um die grossen Zukunftsthemen geht, andere sind längst da. Wie in der Parabel Hase und Igel. Dort rennt sich der Hase die Seele aus dem Leib, der Igel indes ist jedes Mal vor ihm am Ziel. Steht das H in HR also etwa für «Hase»?

Wie konnte es dazu kommen? Employer Branding ist die Steilvorlage schlechthin, um in der Chefetage mit am Tisch zu sitzen. Demografie, Fachkräftemangel, neue Arbeitswelten, Diversity, der Drang zum Sinnhaften – Arbeitgebermarke war noch nie so 007: Mein Name ist «Marke» – «Arbeitgebermarke». Denn wenn wir ehrlich sind, war es noch nie so einfach für HR, die Gestaltungsrolle schlechthin einzunehmen – und noch nie so nötig!

Die Spreu trennt sich vom Weizen

Es ist an der Zeit, meine Liebe zu gestehen. Und zwar einer neuen, jungen Garde von Personaler*innen gegenüber, die den Kopf über die Wasseroberfläche des operativen Brassels heben. Zumindest auf Periskop-Tiefe. Sie organisieren sich in Vereinen wie Purple Squirrels oder HR-Rookies. Sie wollen Einfluss, sie wollen gestalten. Die Babyboomer und X-er über ihnen verweilen lieber im Landunter. Sie verbringen ihre Zeit mit Recruiting und Personalmarketing. Kampagnen? Journeys optimieren? Das ist immer gegenwartsbezogen, nie zukunftsrelevant.

So trennt sich die Spreu von Weizen: Die einen wollen Employer Branding besser machen. Die anderen damit etwas verändern. Diese junge Garde sind die natürlichen Verbündeten einer neuen Generation von Vorständen, die inspiriert wurden von Menschen wie Satya Nadella. Mit seinem berühmten Satz «Das C in CEO stands for Culture» sorgte der Microsoft-Chef 2017 für so etwas wie einen Paradigmenwechsel (hier der ganze Artikel).

Auch bei den ganz grossen Konzernen verstehen sich Vorstände längst als Kurator*innen von Organisationskultur. Einer meinte neulich zu mir: «Ich bin ein Kulturfreak». Das wunderte mich. Denn die übliche Aneinanderreihung dümmlicher Floskeln, mit denen die grossen Konzerne bis heute so gerne die Menschen für dumm verkaufen wollen – von Kultur keine Spur. Gibt es eigentlich ein Naturgesetz, das grosse Unternehmen zu schlechtem Employer Branding zwingt? Als wäre das ein «voldemortscher» Fluch.

Der Kulturfreak-Vorstand sah das genauso. Warum sein Employer Branding dann völlig nichtssagend sei, wollte ich wissen. Er antwortete mit einer Gegenfrage: Wer denn sein Employer Branding machen würde. Marketing oder Personal? Kaum sagte ich «HR», brach es aus ihm raus: «Das war ja klar, die haben eh keine Ahnung.» Hörte ich da sogar ein abschätziges «Pah»?

HR, wie konnte es so weit kommen?

Wieso lässt HR das zu? Seit 15 Jahren ist klar, wie Arbeitgebermarke funktioniert. Identität, Kultur, Identifikation. Und dennoch positionieren viel zu viele den eigenen Arbeitgeber immer noch wie Teflonpfannen – alles perlt ab, nichts bleibt haften. Doch wenn keiner versteht, wie die Kultur dort ist, kann sich niemand mit Kopf und Herz entscheiden. Dann zählen wieder Geld und Benefits. Dann wird es teuer.

Kennen Sie Matrjoschkas? Diese verschachtelten russischen Holzpuppen? Ich wollte dem neuen CEO einer Logistikplattform erklären, dass Employer Branding nur die drittgrösste Puppe ist. Tadelnd unterbrach er mich: «Mensch Reiner, Employer Branding muss die grosse Puppe ganz aussen sein. Es kommt nur noch auf die Menschen an, alles andere ist zweitrangig.» Ich konnte spüren, dass er das absolut ernst meinte. Heraus kam eine schonungslos ehrliche, kulturell filternde Arbeitgebermarke. «Purpose-driven», wie er es nennt. Keine Einzelfälle mehr.

Gibt es ein besseres Zuspiel als so eines vom C-Level? Ob Sie wollen oder nicht, die Zukunft gehört HR. Bertold Brecht hat einst gesagt: «Wer seine Lage erkannt hat, wie kann der noch aufzuhalten sein?» Mehr muss nicht gesagt werden – ausser vielleicht ein weiteres Zitat, diesmal nach W. Edwards Deming: «Du musst Dich nicht verändern. Überleben ist keine Pflicht.»

2 comments for “Steht das H in HR für «Hase»?

  1. 16. September 2021 um 7:24

    Was ich an diesem Blogbeitrag sehr gut mag, ist das hohe Tempo, die coolen Zitate und die grosse Leidenschaft für Employer Branding. Aber warum müssen die HR-Fachleute immer als verschlafene Ignoranten herhalten? Ich treffe durchaus mutige, engagierte Personaler, die etwas von Kommunikation und noch mehr von Kultur verstehen. Manchmal stinkt der Fisch auch vom Kopf.
    Willkommen im Bloggerteam Reiner!
    Mit bestem Gruss
    Christoph

    • 16. September 2021 um 9:40

      Danke, Christoph! Es ist mir eine Freude, im Team sein zu dürfen.
      Ich sehe das wie Du. Ich kenne sich viele engagierte Gestalter*innen in HR. Davon braucht es mehr, denn die Zeiten ändern sich. In den meisten Organisationen herrscht ein Vakuum. Identität und Werte fehlen – oder sind diffus gelebt. Die neuen Vorstände erkennen das. Übrigens auch Betriebsräte. Und die neue Zeit verlangt es. Viel Zeit bleibt auch nicht zum Paradigmenwechsel. Diese neue, junge Garde in HR, von der ich schreibe, spürt das, will das, macht das. Und sie sind viele! Das ist die Zukunft.
      Liebe Grüsse!

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