Auf einem Auge blind

Personalmarketing«Marketing heisst, das ganze Geschäft mit den Augen der Kunden zu sehen», soll die Management-Ikone Peter Drucker gesagt haben. Das klingt so plausibel. Übertragen auf das Personalmarketing muss man jedoch leider fragen, ob HR auf einem Auge blind ist?

Warum? Es vergeht kein Tag, an dem ich kein neues Employer-Brand-Video sehe, dass die Arbeitgeberin in den schönsten oder auch authentischsten Facetten zeigt. Ebenso oft höre ich von Personalabteilungen, dass sie jetzt auch auf TikTok oder Kanal XY sind. ChatGPT hätte ich fast vergessen. Personalnot macht erfinderisch. Das ist auch richtig so. Aber? Ja, aber! Können wir uns bitte erst einmal auf das Wesentliche konzentrieren?

Der Moment der Wahrheit

Ich kann heute ein Konto in wenigen Minuten online eröffnen. Oder einen Handy-Vertrag abschliessen. Meine Identität kann ich ganz einfach per Video oder durch ein Selfie bestätigen. Und meine Bewerbung? Hierzu muss ich in den meisten Fällen die Pforten zur Bewerberhölle betreten. Registrieren, CV hochladen, per Textfelder noch einmal alles manuell eingeben, zig Dokumente anhängen, um dann… Um dann mitunter mehrere Wochen zu warten, bis eine standardisierte Absage, eine standardisierte Vertröstung, oder vielleicht doch eine Einladung zum Gespräch kommt – wenn man schon gar nicht mehr damit gerechnet hätte. Vielleicht habe ich sogar schon eine neue Anstellung bei einem Unternehmen, das einfach schneller und verbindlicher war.

Im Recruiting scheinen wir eines zu vergessen: Der Moment der Wahrheit beginnt, wenn Interessierte zu Bewerbenden werden. Was Kunden, oder in dem Fall Bewerbende, wirklich wollen? Wissen, wo sie stehen. Verbindlichkeit. Wenn Menschen ihr Interesse an unserem Unternehmen bekunden, sollten wir anfangen zu glänzen. Durch schnellstmögliche und verbindliche Kommunikation, relevante Informationen und klare Kante in der Auswahl (auf Basis guter Auswahlinstrumente).

Was macht eigentlich die Musik?

Es ist eine Frage der prozessualen Orchestrierung. Die Musik scheint allerdings woanders zu spielen. Es wird immer mehr in Aufmerksamkeit und Reichweite investiert, getreu dem Motto: viel, hilft viel. Statt auf schöne Inszenierungen, sollten wir uns zu allererst auf exzellente Prozesse konzentrieren. Es wäre doch so einfach, das Ganze vom Ende her zu denken. Was müssen wir tun, damit Kandidatinnen und Kandidaten Schritt für Schritt eine exzellente Experience erleben. Das Zauberwort dabei heisst Konversion. Jeder Prozessschritt ist ein Ringen um die Gunst der Bewerbenden. Darunter verstehe ich durchaus auch eine Absage. Wie heisst es so schön? Der erste Eindruck zählt, aber der letzte Eindruck bleibt. So reissen wir viel zu oft mit dem Hintern ein, was wir in der Ansprache mühsam aufgebaut haben.

Wie heisst es so schön? Weniger ist manchmal mehr. Wir brauchen weniger Aufmerksamkeitshascherei und mehr Wirksamkeit. Die fängt bei den Basics an. Ein guter Anfang wäre daher weniger Augenwischerei und genau hinschauen, was Bewerbende wirklich wollen. Die Prozesslandschaften von heute sicher nicht.

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