7 offene Fragen zum Inländervorrang

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Eigentlich äussere ich mich in meinen Blogbeiträgen nie zu politischen Themen. Dieses Mal muss ich aber eine Ausnahme machen, da die Umsetzung des Inländervorrangs einen direkten Einfluss auf das Recruiting hat.

Der Inländervorrang wirkt sich auf die Rekrutierungsprozesse aus – das betrifft alle Berufe in der Schweiz, bei denen der Arbeitslosenanteil höher als fünf Prozent ist¹. Das sind viele. Unter anderem geht es um Stellen im Marketing, in der Wirtschaftswissenschaft und im Verkauf – was auch immer «Verkauf» genau heissen soll.

Bei der Umsetzung des Inländervorrangs ist allerdings vieles noch unklar. Als ich die verschiedenen Texte aus Bern² gewälzt und mir gleichzeitig überlegt habe, wie Unternehmen heute rekrutieren, sind bei mir einige Fragezeichen aufgetaucht.

Als Erstes habe ich mich gefragt, wie Unternehmen die offenen Stellen übermitteln müssen. Zumindest diese Frage wurde mir beantwortet: Im Text der Vernehmlassung³ steht, dass die Meldung offener Stellen telefonisch oder durch persönliche Vorsprache erfolgt. Zudem ist darin festgelegt, welche Angaben notwendig sind:

  • gesuchter Beruf
  • Tätigkeit, einschliesslich spezieller Anforderungen
  • Arbeitsort
  • Arbeitspensum
  • Datum des Stellenantritts
  • Art des Arbeitsverhältnisses: befristet oder unbefristet
  • Kontaktadresse
  • Name des Unternehmens

1. Was ist mit den weichen Faktoren?

Reichen diese Angaben dem RAV-Berater, um einen geeigneten Bewerber vorzuschlagen? Müsste sich der RAV-Berater nicht auch mit der Kultur und den Werten des Unternehmens auseinandersetzen, damit die eingereichten Dossiers der Kandidaten auch wirklich eine Chance haben?

Wie auch immer – nächste Frage:

2. Wo und wie veröffentlicht das RAV die Stellen?

Nun hat also das RAV die Vakanz-Meldung, aber noch kein Inserat auf der Jobplattform, welche für die RAV-Kandidaten exklusiv zur Verfügung stehen soll.

Auch diese Plattform ist noch nicht bekannt – denn die heutige Plattform des RAV jobroom.ch ist ja für alle Personen zugänglich.

Ich glaube nicht, dass Unternehmen in der heutigen Zeit, wo das Recruiting an vielen Orten schon durchgängig digitalisiert ist, die Stelleninserate noch von Hand erfassen. Deshalb braucht es hier Schnittstellen zu den HRM-Systemen, die bei den Unternehmen im Einsatz sind.

Das führt mich zu meiner nächsten Frage:

3. Wo sind die Schnittstellen?

Als ich vor vielen Jahren in der Personalvermittlung gearbeitet habe, war es normal, dass wir für die Kunden schön ausgedruckte und geheftete Dossiers zusammenstellten, diese in grosse Couverts steckten und zur Post brachten. Die Idee des Inländervorrangs zielt meiner Meinung nach auf diesen Prozess ab.

Aber wir schreiben das Jahr 2017. Die Unternehmen investieren viel Geld und Zeit in effiziente Bewerbermanagementsysteme. Über die Benutzerfreundlichkeit dieser Systeme lässt sich diskutieren, aber von ihrer Effizienz profitiert auch der Bewerber.

Wenn Unternehmen solche Systeme im Einsatz haben, erwarten sie, dass auch die Dossiers von RAV-Kandidaten darüber eingereicht werden. Ein Prozess über E-Mail oder gar die Post ist meist nicht vorgesehen und viel zu aufwändig. Somit reicht es nicht, dass der RAV-Berater einfach nur ein Dossier einreicht. Nein – er muss vermutlich das Dossiers in den Bewerbermanagementsystemen auch selbst erfassen. Ansonsten können die Unternehmen das Dossier nicht bearbeiten.

Die Stellen sollen den beim RAV angemeldeten Personen für fünf Tage exklusiv zur Verfügung stehen. Diese Regelung wirft gleich eine ganze Reihe von Fragen auf:

4. Was ist mit den Karriereseiten?

Dürfen wir nun unsere Stellen in dieser Zeit auch nicht auf unserer eigenen Karriereseite ausschreiben?

5. Was ist mit internen Stellenausschreibungen?

Und wie sieht es mit dem Stellenmarkt auf dem Intranet der Unternehmen? Auch hier gibt es sicher noch einiges zu klären.

6. Was ist mit unserem Talentpool?

Zudem entwickelt sich das Recruiting weiter: Immer mehr Unternehmen setzen auf Active Sourcing und bilden in diesem Zusammenhang Talentpools. Da stellt sich bereits die nächste Frage: Muss ich bei einer offenen Stelle auch fünf Tage warten, bis ich die Personen aus meinem Talentpool ansprechen darf? In diesem Punkt ist meiner Meinung nach das Recruiting in der Schweiz schon viel weiter, als es der Politik bekannt ist.

7. Was ist mit Personaldienstleistern?

Ein weiterer Punkt, der mir in den Sinn kommt, sind Personaldienstleister. Darf ich denen eine Vakanz, welche die Fünf-Prozent-Klausel betrifft, dennoch für ein Mandat zustellen, ohne die offene Stelle dem RAV zu melden?

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Mir ist bewusst, dass ich hier in meinem Blog vorerst nur die Probleme nenne. Aus diesem Grund hier nur noch einen letzten und abschliessenden Gedanken:

Es ist kein Wunder, dass es von Seiten des RAV einen lauten Aufschrei gibt, dass sie auf diese Anzahl offener Vakanzen und die neuen Aufgaben nicht vorbereitet sind. Ohne Tools, welche das Matching und die Verwaltung der gemeldeten Vakanzen unterstützen, wird diese Auflage so zahnlos wie ein frisch geborenes Baby.

Ich hoffe aber, dass die Verantwortlichen noch auf die Recruiter und Softwareanbieter zugehen, damit doch noch etwas Gutes herauskommt.

Vielleicht sehe ich ja das Ganze auch ein bisschen zu kritisch. Vielleicht hat das RAV die Lösung schon parat und die Softwaresysteme sind evaluiert und getestet und alle Prozesse definiert. Ich bin gespannt auf den Januar 2018 …

Zum «Inländervorrang light»

Am 16. Dezember 2016 hat das Parlament entschieden, dass der Inländervorrang Light angenommen wird. Anschliessend legte der Bundesrat am 16. Juni 2017 die Eckwerte zur Umsetzung vor. Die Vernehmlassung wurde am 28. Juni 2017 eröffnet und am 6. September 2017 ist sie abgelaufen. Anfangs 2018 soll die Initiative umgesetzt werden.

 


Quellen:

6 comments for “7 offene Fragen zum Inländervorrang

  1. 19. April 2018 um 10:15

    Hoi Matthias

    Ich würde noch hinterfragen, ob die RAV Leute überhaupt das Know how haben, mit Bewerbern zu sprechen resp. sich auszutauschen auf fachlicher Ebene. Wie ja bekannt ist, haben die meist kaum Ahnung und haben unmöglich die Kompetenz, eine Vakanz mit einem Profil abzustimmen. Das kann und wird von denen nur unseriös behandelt und wird die Firmen in den Wahnsinn treiben….. da bin ich mal gespannt. Hat man davon, wenn im Parlament Leute über solche wichtigen Sachen diskutieren und entscheiden, die selber null Ahnung von der Realität haben.

    Beste Grüsse
    Dani Garcia

    • 19. April 2018 um 11:05

      Hallo Dani
      Das ist definitiv eine Herausforderung, da zur Zeit auch keine Matchingtechnologie im Einsatz ist um eine erste Triage zu vollziehen. Der Druck wird bei den RAV Berater sehr hoch sein, da laufend neue Stellen herein kommen und sie innerhalb 3 Tagen reagieren müssen. Zudem kann das Unternehmen auch Entscheiden wie der Vorschlag eingehen muss. E-Mail oder über eine Bewerbermanagement-System.
      Lieber Gruss
      Matthias

  2. André Schmid
    21. September 2017 um 15:20

    8. Was genau bewirkt der 5 Tage Vorsprung? Seit wann funktioniert der Arbeitsmarkt nach dem Prinzip ‚ Dä Gschnäller isch dä Gschwinder‘?

    • 21. September 2017 um 16:21

      Können wir leider auch nicht nachvollziehen. Schlussendlich verzögert es vermutlich nur den Einstellungsprozess und es geht definitiv nicht darum wer sich zuerst beworben hat.

  3. 21. September 2017 um 13:41

    Hi Matthias
    Danke für deinen wichtigen Input! Du siehst das überhaupt nicht zu kritisch. Im Gegenteil: vermutlich könnte man noch weitere ähnliche Fragen ergänzen. Der Auftrag der Politik ist vage formuliert, lösen müssen es Unternehmen und RAVs. Da kommen noch eine Menge an zu lösenden Problemen auf alle zu. Ich bin gespannt, wie man das durchsetzen wird oder überhaupt kann…

    En Gruess
    Michel

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