Der Begriff «New Work» steht für den Wandel der Arbeitswelt und deren bewusster Gestaltung, mit dem Ziel, Mehrwerte für alle Beteiligten zu erzielen. Letzteres ist uns noch nicht gelungen – wir haben sehr viel für sehr wenige gemacht.
Sonntagabend. Der Regen tropft aufs Dachfenster. Der KI-DJ legt im smarten Lautsprecher meine Lieblingsmusik auf. Wenn die Gedanken stocken, drehe ich eine Runde in der Wohnung und setzte mich nachher mit frischen Ideen wieder hin. Je unordentlicher meine Gedanken, desto aufgeräumter meine Wohnung. Langsam entsteht ein Text, der im Idealfall mir und den Leserinnen und Lesern Freude bereitet. Bei Regen arbeite ich besonders gerne. Es ist, als ob ich meine Zeit speichern und nachher bei Sonnenschein wieder abrufen könnte.
Zwei Zukünfte der Arbeit
Ich sorge aber nicht nur dafür, dass es mir bei der Arbeit gut geht, sondern auch vielen anderen. Anderen Schreibtischtätern. «Was heisst neue Arbeit für Menschen, die nicht im Büro arbeiten?» Diese Frage habe ich in meinem letzten Blog-Beitrag schon gestreift. Wenn wir von der Zukunft der Arbeit sprechen, liegt unser Fokus fast immer auf den Wissensarbeitenden. So türmen sich seit den Lockdown-Phasen unter dem Sammelbegriff «Hybrid Work» Studien, Modelle und Erkenntnisse, während es zur anderen Zukunft der Arbeit einfach still bleibt. Im besten Fall noch achselzuckend «Homeoffice geht halt nicht für Präsenzjobs». Ich habe mich in den vergangenen Monaten intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie wir «neue Arbeit für alle» möglich machen können und dazu mit vielen Handwerks-, Industrie- und Dienstleistungsbetrieben gesprochen. Ich möchte meine wichtigsten Erkenntnisse und Ansatzpunkte teilen und damit uns alle ermutigen, dass wir bei dieser anderen Zukunft der Arbeit den gleichen Transformationsehrgeiz an den Tag legen, wie wir dies im Bereich der Wissensarbeit tun.
Autonomie in der Gestaltung der Arbeit
Aus der Motivationsforschung (Selbstbestimmungstheorie) wissen wir, dass Autonomie und Handlungsspielräume unsere intrinsische Motivation besonders stark fördern. Wer nun Autonomie einfach mit Homeoffice gleichsetzt, verkennt ein grosses Chancenpotential. Autonomie gewähren bedeutet, das Mitarbeitende einen Teil der Arbeit auf unterschiedliche Weise mitgestalten können. Die räumliche Autonomieist nur eine von vielen Möglichkeiten. Wenn sich die Mitarbeitenden in die Ausgestaltung von Schichtplänen einbringen und unkompliziert untereinander abtauschen können – also von zeitlicher Flexibilität profitieren – so wirkt sich auch das stark motivierend aus. Dies bestätigen inzwischen unzählige Studien und Feldversuche. Ein innovatives Modell testet derzeit das Spital Bülach mit einem Pilotprojekt. Die Mitarbeitenden wählen je nach Bedürfnis und Lebensumständen zwischen «Fix», «Flex» und «Super Flex» und können so das Ausmass an Flexibilität selbst bestimmen. Wer sich für ein flexibleres Modell entscheidet, wird zusätzlich entlöhnt. Klammer auf: ich plädiere nicht dafür, dass Flexibilität immer monetär entschädigt werden muss; mein Favorit ist die natürliche und gesunde Balance aus Geben und Nehmen von Flexibilität, aber diese ist in Präsenzjobs schwieriger zu bewerkstelligen.
Die dritte und besonders schlagkräftige Form der Flexibilität ist die inhaltliche Flexibilität. Psychologen verwenden dafür den Begriff «Job Crafting». Je besser die Mitarbeitenden sich mit ihren Stärken, Interessen und Bedürfnissen bei der Arbeit einbringen können, desto motivierter sind sie und desto mehr Eigenverantwortung nehmen sie wahr. Gerade in personenbezogenen Dienstleistungen ist das eine wertvolle Quelle für die erfolgreiche Positionierung und Differenzierung der eigenen Angebote.
Neues Verständnis von guter Arbeit
Unlängst hat der Atlantic Journalist Derek Thompson die Geschichte der Arbeit in sechs Wörtern zusammengefasst: «from jobs to careers to callings» (wobei er die Idee genau genommen vom Titel eines wissenschaftlichen Artikels von 1997 ausgeborgt hat, der sich mit unterschiedlichen Beziehungen zur Arbeit auseinandersetzte). Diese prägnante Zusammenfassung bringt sehr gut auf den Punkt, dass sich unsere Einstellung zur Arbeit, insbesondere in wirtschaftlich entwickelten Volkswirtschaften, massiv verändert hat.
Die Veränderung ist dabei nicht linear, sondern stellt einen Paradigmenwechsel dar. Wir verkennen grosse Chancen, wenn wir nur über neue Räume, Zeitmodelle und Projektmethoden sprechen. Im Kern der Sache geht es um die Frage, wie es uns gelingt, die Arbeit so zu gestalten, dass jede und jeder in ihr Möglichkeiten findet, sich einzubringen, sich zu entwickeln und zu gedeihen. Wenn wir uns vor Augen halten, dass im Zuge der digitalen Transformation die Aufgaben anspruchsvoller und komplexer, der Wettbewerb um Aufmerksamkeit härter und die Anforderungen an die organisationale Resilienz höher werden, so wird auch klar, dass dieser veränderte Anspruch an die Arbeit nicht reines Gutmenschen-Denken ist, sondern eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Transformation von Organisationen.
Auch wenn ich mich schon seit mehreren Jahren intensiv mit der neuen Arbeitswelt auseinandersetze, so hat sich mir in den letzten Monaten ein ganz neuer Horizont geöffnet. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass sich der «New Work»-Gedanke auf alle Jobs anwenden lässt. Dabei geht es – und das ist mir enorm wichtig – nicht einfach um ein oberflächliches «Vergolden» der Rahmenbedingungen oder das Runterschrauben der Arbeitszeit, wie dies vor dem Hintergrund des aktuellen Arbeitskräftemangels opportun wäre, sondern darum, der Arbeitswelt gemeinsam mehr Freude, Sinnhaftigkeit und Bedeutung einzuhauchen. Wenn es den Menschen gut geht, geht es den Organisationen und damit der gesamten Wirtschaft gut.
Work in Progress: unter neue-arbeit-für-alle.com teilen wir schon bald konkrete Erfahrungen und Erkenntnisse, wie wir die Arbeitswelt für alle nachhaltig verbessern können. Wer Interesse hat, beim Aufbau dieser Plattform mitzuarbeiten, bitte melden: barbara.josef@5to9.ch
I appreciate you sharing this blog post. Thanks Again. Cool.