«Früher war ich der Meinung, Gesundheit ist ausschliesslich Privatsache»

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Dieses «Früher» liegt rund zehn Jahre zurück. Werner Schmid (siehe Foto im Text), CEO der Phoenix Mecano Komponenten AG, schmunzelt, als er mir seine anfänglichen Bedenken gegenüber einem systematischen Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) offenbart. Zwischenzeitlich ist das längst Vergangenheit und die aktive Förderung der Mitarbeitenden-Gesundheit fest in der Unternehmenskultur verankert. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Technologieunternehmens werfe ich einen Blick in die Praxis und erfahre, was die Auslöser für diesen Sinnes- und Kulturwandel waren, wie sich der bisherige Aufbau des systematischen BGM gestaltet hat und welche Vorteile es dem Betrieb bringt und noch bringen wird.

Einen besonderen Meilenstein erreichte die Phoenix Mecano Komponenten AG am 3. November 2022. An diesem Tag wurde das Unternehmen erstmals mit dem Label «Friendly Work Space» von Gesundheitsförderung Schweiz für sein erfolgreiches BGM ausgezeichnet. Bis dahin war es ein Weg.

Absicht und Einsicht

Im Jahr 2012 übernimmt Werner Schmid zusammen mit Michael Jahn die Geschäftsführung der Phoenix Mecano Komponenten AG in Stein am Rhein. Gemeinsam leiten sie zügig den Wandel von einer patronalen Führungskultur hin zu einem teamorientierten und partizipativen Führungsstil ein. Gleichzeitig sind beide mit einer hohen Zahl an Krankheitsabsenzen konfrontiert. «Für uns stellte sich die Frage, was wir als Unternehmen überhaupt dagegen tun können», beschreibt Schmid die Situation. «Natürlich war uns schnell klar, dass die Gesundheit der Mitarbeitenden eben nicht nur deren Privatsache ist, sondern dass das Arbeitsumfeld eine massgebliche Rolle spielt. Ob beispielsweise in Form gesundheitsförderlicher Verhältnisse am Arbeitsplatz, unterstützendem Führungsverhalten etc. Eine Erkenntnis, die spätestens heute, nach zwei Jahren Pandemie, weitestgehend selbstverständlich ist. Vor zehn Jahren und zudem in einer ebenso stark technologisch wie rational geprägten Branche war das noch anders.»

Werner Schmid und sein Team begeben sich auf die Suche nach Lösungen und erfahren 2015 durch die Universität Konstanz erstmals von dem Potenzial eines systematischen BGM. Mögliche Angebote und Ansätze wurden sondiert – darunter das Label «Friendly Work Space» und weitere.

Schritt für Schritt mit System

Im Jahr 2017 fällt endgültig die Entscheidung für den Aufbau eines systematischen BGM entlang der Leitlinien des Labels «Friendly Work Space». Begleitet wird die Phoenix Mecano Komponenten AG dabei von ihrem Krankentaggeld-Versicherer Swica, der zu den Mit-Urhebern der Qualitätskriterien für das Label gehört. Dank der professionellen Begleitung gelingt es, die Balance aus Ressourcen und Belastungen – die zentrale Absicht eines systematischen BGM – kontinuierlich im Fokus zu halten. Gleichzeitig legt das Technologieunternehmen damit einen wichtigen Grundstein für den wirksamen Schutz der Mitarbeitenden-Gesundheit und hohe Widerstandsfähigkeit in Krisensituationen. Erfolgsfaktoren, die auch die aktuelle Längsschnittstudie von Gesundheitsförderung Schweiz zu Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden und Produktivität bei Erwerbstätigen in der Schweiz während der Covid-19-Pandemie bestätigt (siehe Infokasten).

Dreh- und Angelpunkt des systematischen BGM bei der Phoenix Mecano Komponenten AG ist der Gesundheitszirkel. Ein interdisziplinäres Team von 12 Mitarbeitenden, die sowohl gesundheitsinteressiert wie auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen gut vernetzt sind. Führungskräfte sind bewusst nicht im Gesundheitszirkel vertreten, um Ideen für BGM-Massnahmen direkt und ungefiltert bei den Mitarbeitenden abzuholen. Einmal monatlich treffen sich die Mitglieder des Gesundheitszirkels, diskutieren und sammeln ihre Vorschläge, die dann einmal im Quartal der Geschäftsleitung präsentiert werden. Je nach Prioritäten und verfügbarem Budget wird über die Umsetzung entschieden. «Kurze und schnelle Entscheidungswege stehen hier im Vordergrund», erläutert mir Werner Schmid. «Es ist uns wichtig, den Mitarbeitenden durch die zügige Umsetzung von Massnahmen zu signalisieren, dass wir es ernst meinen.» Dazu gehörte vor einiger Zeit auch die Auswahl eines neuen Verpflegungsanbieters, die ohne Mitwirkung der Geschäftsleitung ausschliesslich vom Gesundheitszirkel getroffen wurde.

Das Spektrum der BGM-Massnahmen reicht von diversen ergonomischen Verbesserungen an den Arbeitsplätzen, über die Montage von Rolltoren zur Beseitigung von Durchzug bis zur individuellen Betreuung bzw. Begleitung und finanziellen Unterstützung von Mitarbeitenden, deren psychische Gesundheit aufgrund aussergewöhnlicher Belastungssituationen angegriffen ist.

Zu den weiteren zentralen BGM-Massnahmen zählen regelmässige Führungskräfte-Trainings zum Thema «Gesund führen». «In Analogie zu unserer Branche würde ich sagen, so, wie eine Führungskraft die Maschinen in ihrem Fachbereich bedienen können muss, muss sie auch wissen, was es heisst, Mitarbeitende gesundheitsförderlich zu führen», bringt es Werner Schmid auf den Punkt. Ein Thema, an dem kontinuierlich gearbeitet wird.

Krisenfester durch BGM?

Abschliessend möchte ich noch wissen, ob und wie sich denn das zwischenzeitlich im Unternehmen etablierte BGM während der Pandemie ausgewirkt hat. Dazu zieht Werner Schmid eine positive Bilanz. «Dank unserem BGM hat sich die Kommunikation und Vernetzung mit unseren Mitarbeitenden deutlich verbessert, auch und insbesondere rund um alle gesundheitsrelevanten Themen. Das hat uns in der Pandemie sehr geholfen und ein schnelles Umschalten in den Krisenmodus ermöglicht.»

Lohnt sich der Aufwand?

Ich werfe nochmal einen Blick zurück auf den Weg zu einem systematischen BGM und dem Label «Friendly Work Space», den die Phoenix Mecano Komponenten AG beschritten hat. Ein, wie ich finde, beachtlicher Aufwand – noch dazu für ein KMU mit 160 Mitarbeitenden und überschaubaren personellen Ressourcen. Zuviel? Werner Schmid schüttelt den Kopf: «Wir wollten etwas machen für die Gesundheit unserer Mitarbeitenden, deshalb hat sich die Frage nach dem Aufwand für uns nie gestellt. Gleichzeitig begrüssen wir es, wenn sich die Angebote und Tools für ein systematisches BGM zukünftig KMU-freundlicher gestalten. Erste KMU-Angebote lanciert Gesundheitsförderung Schweiz im ersten Halbjahr 2023.»

Alle Details zur Längsschnittstudie finden Sie in diesem Faktenblatt.

 

 

 

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