«Sie sind eine grosse Hoffnung.» Mit diesem Satz hat mich Herr Engeli, HR-Verantwortlicher eines internationalen Produktionsbetriebs, empfangen. Im Sitzungszimmer präsentierte er mir die Zahlen. Nein, nicht Umsatz oder GOP – sondern die Krankheitstage. Beziffert in Fakten und Konsequenzen, bis ins letzte Detail. Ich war beeindruckt. Weniger vom Resultat als vielmehr von der Tatsache, dass man dieser Tendenz der Mehrkosten seit zwei Jahren nicht entgegenwirkte.
Wasserbehälter und Yogalehrer
Aus seinen Erläuterungen sah ich viele Parallelen zu anderen Firmen. Einem «Hype» ähnlich hat das Thema Gesundheitsmanagement in Unternehmen Einzug gehalten. Als ich mit einigen Freunden vor Jahren ein Gesundheitskonzept entwickelte, waren wir auch der Überzeugung, die Weisheit zum durchschlagenden Erfolg für alle Beteiligten gefunden zu haben. Mittlerweile bevölkern Ärzte, Psychologen, Masseure, Yogalehrer und Ergonomieberater die Gänge in den Firmen. Wasserbehälter werden aufgestellt, gemeinsame Fitnessprogramme organisiert und für den Pausenapfel geworben.
Auch im Sitzungszimmer steht ein Wasserbehälter. Herr Engeli bittet mich, mit ihm zusammen ein Konzept zur Verminderung der Krankheitstage zu erstellen. Konkrete Massnahmen und Dienstleistungen zu initiieren und umzusetzen. Dann seine Bedenken: Als weltweit tätiges Unternehmen gelte auch hier das Rotationsprinzip des CEO, der jeweils drei Jahre vor Ort ist, erklärte er. Erschwerend in diesem Fall sei die Tatsache, dass der aktuelle Chef lediglich noch ein Jahr in der Schweiz beschäftigt ist, allerdings seit Antreten seiner Funktion die Produktionsstätte kein weiteres Mal betreten hätte.
Ich erinnere mich an die 500 Euro, die ich in meiner Rolle als HR-Verantwortlicher vor einiger Zeit meinem Vorstandsvorsitzenden abgeknöpft habe. Es war eine Wette. Nach einem Jahr legte ich ihm vor Erhalt der Krankheitsstatistiken aus den einzelnen Abteilungen die Hitliste der ersten drei Abteilungen mit den meisten Krankheitstagen vor. Es waren jene Betriebszweige, deren Vorgesetzte in der Führung ihrer Mitarbeitenden nicht den besten Ruf genossen.
Bequeme «Alibimassnahmen»
Was die beiden Situationen gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass Gesundheitsmanagement bis heute nicht in den obersten Etagen angekommen ist. Was hat mein damaliger Chef entgegnet? «Das mag schon stimmen, aber die bringen wenigstens die Zahlen». Genauso hilflos wie Herr Engeli heute habe auch ich mich damals gefühlt.
Hinter diesen Absenzen liegt in vielen Fällen nicht die Krankheit, sondern die Haltung zur Firma. Nicht jeder Mitarbeitende, der nicht zur Arbeit erscheint, ist krank. Manchmal ist es die Kultur, das Verständnis der gemeinsamen Werte und die daraus abgeleitete Form der Führung, welche das Arbeitsumfeld wesentlich beeinflusst. Folglich würde effektives Gesundheitsmanagement damit beginnen, sich gerade mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Jetzt wird es aber unbequem für die Chefetage. Wie hilfreich ist es da, sich auf unbedeutende «Alibimassnahmen» und Arbeitssicherheit zu berufen.
Echtes Gesundheitsmanagement sucht Antworten auf die in der Strategie hinterlegte zentrale Frage: «Wie gelingt es, ein begeisterndes Umfeld für unsere Mitarbeitenden zu schaffen?» Ohne dieses Bekenntnis der obersten Führung bleibt Gesundheitsmanagement Makulatur und ein «Nice to have» in der Firmenbroschüre.
Mit Herrn Engeli haben wir das Konzept übrigens erarbeitet und auf das übernächste Jahr traktandiert …
Einverstanden, aber… Gerade wir als HR Fachleute sind in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die von Markus Marthaler erwähnte «oberste Etage» auf das Thema Gesundheitsmanagement sensibilisiert wird. Ist dies nicht in der Unternehmensstrategie verankert, kämpft man auf verlorenem Posten. Die Formel ist einfach: Gesunde Mitarbeitende, gesundes Unternehmen, finanzieller Erfolg. Die Umsetzung ist anspruchsvoll, aber lohnenswert und für unser ganzes Management bei Philips Schweiz eine der höchsten Prioritäten.
Liebe Diana
Danke Ihnen für den Kommentar und Gratulation, dass es bei Ihnen klappt. Dann sind zwei Voraussetzungen sicherlich gegeben.
1. Das HR wird ernstgenommen und die Arbeit entsprechend wertgeschätzt
2. Die Führung hat die von Ihnen erwähnte Reihenfolge im Aussen umgesetzt und erkannt:
… wer langfristigen Erfolg anstrebt, kommt an den Mitarbeitenden nicht vorbei…
Einfach perfekt auf den Punkt gebracht!
Es ist nun mal so: nicht alle die Zahlen bringen, sind für die Rolle als Vorgesetzte geeignet. Das Eine hat mit dem Anderen gar nichts zu tun! Sehe ich jeden Tag. Hier muss ein Umdenken stattfinden! Liebe Vorgesetzte, zuzugeben, dass ihr für diese Rolle nicht geeignet seid, heisst Mut beweisen und sich effektiv um das Wohlergehen der Mitarbeitenden zu sorgen. Ich muss wohl nicht noch die Konsequenzen der Mitarbeiterunzufridenheit erklären, oder?
150% einverstanden!!