Aktivistinnen und Aktivisten in die Unternehmen!

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Der Begriff des Aktivisten und der Aktivistin hat für viele einen merkwürdigen Beigeschmack. In der untergegangenen DDR war es die Bezeichnung für Personen, die durch erhöhte Leistung die Produktion steigerten. In unserem heutigen Sprachgebrauch sind es Menschen, die für irgendein Anliegen ein besonderes Engagement aufbringen. Und oft ist es die Kuriosität des Anliegens oder die Heftigkeit des Aktivismus, die ein Stirnrunzeln bei denen produziert, die damit nichts anfangen können.

Wenn wir morgens die Zeitung oder Twitter aufschlagen, sind es derzeit vor Allem die Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten der «Letzten Generation», die uns ins Auges stechen. Sie kleben sich auf Kreisverkehren in der Wiener Innenstadt, auf Berlins Alleen oder vor dem Gotthard-Tunnel und protestieren gegen die aus Ihrer Sicht unzureichenden Massnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Sie demonstrieren dabei auch ein hohes Mass an persönlichem Engagement, Opferbereitschaft, Resilienz und Zielstrebigkeit. Moment mal! Was erleben wir da? Sind es nicht eigentlich Eigenschaften, die Unternehmen sich von ihren Beschäftigten nur wünschen können, die jeder Person mit Personalverantwortung das Herz aufgehen lassen?

Für mich wirft diese Betrachtung weitere Fragen auf.

  1. Was treibt diese Menschen an?
    Die Antwort liegt offensichtlich auf der Hand, hat aber auch eine tiefere Dimension. Natürlich mag es einzelne geben, für die der Event-Charakter und die Konfrontation eine wichtige Motivation sind. Und auch, wenn man die Mittel nicht teilen mag, so sollte man doch nicht in Abrede stellen, dass die Mehrheit dieser Aktivistinnen ein ernsthaftes und berechtigtes Anliegen hat. Der Klimaschutz ist eine Schicksalsfrage der Menschheit, und wir spüren auch im gemässigten Zentraleuropa von Jahr zu Jahr mehr. Diesen (vorwiegend jungen) Menschen geht es um einen höheren Zweck – im Personalmanagement würden wir «Purpose» sagen. Und wir reden ständig davon, dass wir ihn bei der Arbeit vermitteln wollen. Zugleich erleben wir, dass gerade junge Leute ihn häufig nicht in der Arbeitswelt finden.
  2. Warum gibt es nicht mehr Aktivistinnen und Aktivisten in Unternehmen?
    Wenn ich mich im Kreise unserer Kunden umschaue, wenn ich an Hochschulen bin, wenn ich Berichte über Forschung und Innovation lese, dann fallen mir dutzende gute Beispiele auf und ein, wo in den Unternehmen Purpose zu finden ist. Gerade im Kampf gegen den Klimawandel sind wir dringend auf Innovationen in den Unternehmen angewiesen und auf neue Technologien. Aber auch auf Organisations-Innovationen, die Veränderung von Produktionsprozessen und Lieferketten, die Etablierung neuer Praktiken und Kennzahlen. Der Kampf gegen den Klimawandel darf nicht gegen die Unternehmen, er muss in den Unternehmen stattfinden.
  3. Wie kommen wir vom Handeln ins Reden?
    Wenn ich mit Verantwortlichen in Unternehmen rede, dann haben die meisten die Herausforderung des Klimawandels verstanden. Sie sagen mir, bis wann sie klimaneutral sein wollen und können mir aus dem Stand etliche Massnahmen aufzählen, die sie dazu angestossen haben. Sie handeln bereits, sind oft weiter als manche in der Politik, die sich mit Scheindiskussionen aufhalten und lieber Autobahnen ausbauen als Glasfasernetze oder Klimaschutz. In der Politik muss man die Frage stellen: «Wie kommt man vom Reden eigentlich ins Handeln?» In den Unternehmen ist es genau umgekehrt. Wie kommen wir dort vom Handeln ins Reden? Ins Reden darüber, was geleistet wird, welche ehrgeizigen Ziele gesteckt sind und welche Menschen man dafür gerne begeistern würde?

Ich komme wieder zurück, auf das, was die Klimaaktivistinnen und -aktivisten für ihren Purpose einbringen: Engagement, Leidenschaft, Begeisterung, Resilienz, bisweilen auch Opferbereitschaft, Durchhaltevermögen und nicht zuletzt Mut.

Haben Unternehmen denselben Mut, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen? Warum suchen wir nicht das Gespräch. Es kann ja nicht das Lebensziel der Klimakleber sein, jedes freie Wochenende auf einer – Verzeihung – stinkenden Straße zu verbringen. Müssen wir nicht nach der gemeinsamen Basis suchen, uns anzunähern, voneinander zulernen, vielleicht gemeinsam etwas beispielhaftes auf die Beine zu stellen? Können und wollen wir es uns als Gesellschaft leisten, das Engagement so vieler in einer frustrierenden Protestform zu erschöpfen, anstatt es für konstruktive und produktive Lösungsentwicklung zu mobilisieren?

Ich führe viele sogenannte Sollperspektiven-Interviews mit Vorständen. Ich frage sie nach ihrem Zielbild der Organisationskultur und gehe mit ihnen in eine Mitarbeitenden-Weihnachtsbäckerei. Fast immer wünscht sich C-Level Menschen mit einem solchen Antrieb für die eigene Zukunft. Menschen, die in die Verantwortung gehen, die Veränderung nicht nur mitgehen, sondern trotz Unsicherheit und Widrigkeiten vorangehen, die Haltung haben und Konflikten nicht aus dem Weg gehen. Ob sich die Vorständinnen und Vorstände klar darüber sind, dass sie damit auch Menschen beschreiben, die sich an den Strassen ihrer Stadt festkleben?

Ich bin Optimist! Ich glaube daran, dass Menschen zusammen etwas bewegen können. Wer Lust darauf hat, an diesem Thema mit mir weiterzudenken, darf sich gerne melden!

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