Von Algorithmen und Eignungs-Checks

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Sind Algorithmen die besseren Recruiter? Können «Maschinen» oder können wir dank «Machine Learning» die Zusammenführung des geeigneten Mitarbeiters zur richtigen Stelle in der richtigen Firma wesentlich verbessern?

Der Trend ist jedenfalls eindeutig. Eine Unmenge solcher Lösungen drängen auf den Markt und werden – das ist meine Vorhersage – einen relevanten Marktanteil gewinnen.

Wie immer interessiert mich im Besonderen der Jugendmarkt. Dort hat sich über viele Jahre eine «Testkultur» etabliert.

Die Schweizer Jugend in der «Test-Falle»

Heute absolvieren in der Schweiz jährlich 30’000 bis 40’000 Schülerinnen und Schüler, welche eine Lehrstelle suchen, eine «Eignungsanlyse» – umgangssprachlich auch «Test» genannt. Die Marktführer sind die Anbieter Multicheck und Basic-Check. Wir reden hier von einem Betrag von rund 4 Mio. Schweizer Franken, welche die privaten Haushalte (sprich die Eltern) an die «Check-Betreiber» jährlich ausrichten. Die Schülerinnen und Schüler absolvieren die vierstündigen «Tests» in Testzentren.

Es überrascht nicht, dass tendenziell grosse Firmen, welche traditionell viele Bewerbungen erhalten, die Checks als «Filter» zur Vorauswahl einsetzen. Den Schülern und Eltern bleibt nichts Anderes übrig, als «in den sauren Apfel» zu beissen und das Geld und die Zeit zu investieren. Lehrer und Berufsberater finden das selten lustig, haben sich aber den Marktgegebenheiten gefügt.

Die Post als Beispiel erhält laut aktuellem KTipp-Bericht rund 10’000 Bewerbungen pro Jahr für ihre Lehrstellen und verlangt für Bewerbungen im Bereich Detailhandel einen Check. Der Hauptgrund dafür ist, dass «die Zeugnisse nicht vergleichbar sind».

Wie viele Firmen verlangen Tests?
Firmen, die auf Eignungschecks setzen 30 %
Firmen, die eigenen Test haben (kürzer / gratis) 20-30 %
Firmen, die keinen Test einsetzen 40-45 %
Welche Branchen bevorzugen Tests?
Kaufmännische Berufe – Finanzen, Versicherungen, KV allgemein 50 %
Dienstleistungsberufe – Handel (Coop, Post etc.) 30 %
Technische Berufe – Industrie 10 %
Handwerkliche Berufe 10 %
Gesundheitswesen 5 %
Hotel- und Gastronomie 1-2 %

In den vielen Gesprächen mit den HR- und Berufsbildungsverantwortlichen höre ich mehrheitlich dasselbe: «Was bleibt uns anderes übrig? Die Schulzeugnisse sind so unterschiedlich – oft kann ich nicht mal jene von Nachbargemeinden vergleichen. Und da insbesondere Junge vor der Ausbildung noch keine ‹Berufs-Story› haben, hilft uns ein Check – als Ergänzung zu den üblichen Bewerbungsunterlagen – ein besseres Gesamtbild des Kandidaten zu erhalten.»

Nicht wenig Firmen erstatten dabei die Test-Kosten an die Bewerber zurück. Allerdings nur jenen, welche eingestellt werden. Die Anderen haben sozusagen doppelt verloren …

Kompetenz der Mitarbeiter ist gefragt

Interessant ist allerdings, dass die Mehrheit der Firmen sich nach wie vor auf klassische Kandidaten-Informationen verlässt und diese höchstenfalls mit kurzen, firmenspezifischen Tests ergänzt. «Es gehört zu meinen Kompetenzen und jenen der Berufsbildner, eine saubere Auswahl zu treffen. Dazu brauche ich keine oder nur minimale Tests. Die Softskills, die Handlungskompetenz und der Lernwille lassen sich kaum abbilden. Wieso soll ich also den Haushalten die 100 Franken auch noch aufdrücken?». Dies eine typische Aussage von Berufsbildner, welchen diesen Weg bevorzugen.

Viele Firmen akzeptieren auch die kostenlosen Stellwerktests der Schulen als Ergänzung zu den Bewerbungsunterlagen. Allerdings sind diese vom Testlayout und Eignung in Bezug auf Beruf nicht ganz vergleichbar mit den Eignungs-Checks.

In Zukunft gratis!

Meine Einschätzung ist, dass es immer Firmen und Organisationen geben wird, welche sich auf «Instrumente und Maschinen» im Recruiting verlassen werden. Checks und Tests in Testzentren, unter Laborbedingungen und gegen Bezahlung sind sozusagen die 1.0 Versionen – 2.0 gibt es schon und 4.0 folgt in den nächsten Jahren Schlag auf Schlag.

Die ergänzenden Tools haben in vielen Fällen durchaus ihre Berechtigung. Das «Zahl-Modell» für Schüler oder Erwachsene wird allerdings in unseren Breitengraden und im Umfeld des «War for Talents» verschwinden. Weder intelligente Kandidaten noch schlaue Arbeitgeber haben ein Interesse daran. Gut so!

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