Wird Holacracy das HRM überflüssig machen?

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Das Gespenst der Holacracy geht um und viele reden von Selbstorganisation als Ersatz für die traditionelle Hierarchie. Autonome Arbeitsgruppen organisieren sich eigenständig, bestimmen die unterschiedlichen Rollen und entscheiden selber, wie sie die Aufgaben erledigen wollen. Führungskräfte, soweit notwendig, werden demokratisch gewählt und erhalten ihre Legiti­mation vor allem dadurch, dass sie die Teams bei der Erfüllung ihrer Aufgaben wirksam unterstützen und ihnen helfen, Widerstände zu überwinden.

Welche Rolle das Personalmanagement bei der Entwicklung und Einführung neuartiger Kooperationsformen spielen kann, zeigt das Beispiel von Hollie Delaney, die für das HRM bei Zappos verantwortlich war, bevor sie zuerst das eigene HR-Team in das Holacracy Organisationsmodell transformierte und anschliessend die gesamte Organisation dabei unterstützte, diesem Weg zu folgen. Einfach war es nicht, denn wer verzichtet schon gerne auf das Sicherheitsnetz von Führungsstrukturen, von Symbolen der Macht und von Kontrollinstrumenten inklusive Titeln und beeindruckenden Visitenkarten?

Es ist ein radikales Umdenken gefordert, wenn es keine Funktionen und Stellenbeschreibungen mehr gibt, sondern Rollen – und wenn die gewohnten Kästchen in Organigrammen durch voneinander abhängige und miteinander kommunizierende Kreise abgelöst werden. Auf diese Weise wurde Hollie Delaney vom HR Director zu einem Mitglied von 15 Kreisen und hatte mehr als 30 Rollen gleichzeitig inne. Zappos insgesamt hatte bereits nach kurzer Transformationszeit seine damals 1600 Mitarbeitenden in ungefähr 500 Kreisen organisiert, die in unterschiedlicher Form und mit unterschiedlichen Zielen miteinander verknüpft waren.

Zappos ist auf diese Weise zu einem der wichtigsten Pioniere bei der Entwicklung und Umsetzung des Holacracy-Ansatzes geworden und damit zum Vorbild für viele andere Organisationen. Es wäre aber falsch, Holacracy als Allheilmittel zu betrachten, das die gewünschte Agilität quasi im Automatikmodus herbeizaubert. Für viele Organisationen sind klassische Strukturen mit Kontrollinstrumenten besser geeignet, weil sie stärkere Orientierung und festere Rahmen bieten. Autonome Arbeitsgruppen oder Kreise funktionieren nur, wenn die beteiligten Mitarbeitenden bereit und in der Lage sind, mitunternehmerische Entscheidungen zu treffen, sich konsequent zu vernetzen und untereinander wertschätzendes Feedback zu geben, anstatt auf das klassische Lob «von oben» zu warten.

Wozu brauchen Unternehmen mit solchen agilen Organisationen noch ein Personalmanagement, wenn doch alle Entscheidungskompetenzen in die Kreise delegiert werden? HR Manager, die sich auf Holacracy einlassen, werden sich am Ende ähnlich wie Hollie Delaney in einer Vielzahl von Rollen in unterschiedlichen Kreisen wiederfinden und sich vom gewohnten Personalchefbüro verabschiedet haben. Aber bevor es soweit ist, sind klassische Kompetenzen wie Change-Management und Organisationsentwicklung gefragt. Und wie man am Beispiel Zappos sieht, sollten wir die Funktion des Coaches an der Seitenauslinie verlassen und mit der Transformation unseren eigenen Teamstrukturen vorangehen.

3 comments for “Wird Holacracy das HRM überflüssig machen?

  1. 4. Mai 2017 um 15:43

    Holocracy, die vernetzte Organisation aus den 90ern neu etikettiert! Scheins haben selbst die Freitag-Brüder, Vorzeige-Holocraten der Schweiz, ihre Mühe nur schon mit den kreativen Bezeichnungen der Rollen im Modell. Vom Ausfüllen 30 verschiedener Rollen ganz zu Schweigen. Damit sind selbst versierte HR-Experten wohl überfordert. Wie man hört, haben einige Holocracy-Pioniere das sperrige Modell wieder fallen gelassen. Bei anderen lief die Hälfte der Belegschaft davon, heisst es. Trotzdem muss man Holocracy loben: Es bricht veraltete Strukturen auf und lässt Mitarbeitende selbstständiger denken und handeln. Man darf gespannt sein, wie lange der H-Hype anhält. Derweil öffnet sich vor allem ein lukratives Aktionsfeld für Berater.

  2. 7. April 2017 um 12:52

    Die Business School Lausanne (BSL) arbeitet seit fast zwei Jahren sehr erfolgreich mit Holacracy und wir berichten regelmässig darüber in unseren Blogs. Auch wird es bald einen Case dazu geben. Die HR Aufgabe wird allerdings nicht überflüssig sondern muss fundamental umgedacht werden, was tolle neue Perspektiven eröffnet um die neuen Potenziale auch wirklich zu unterstützen.

  3. 23. März 2017 um 12:57

    Es ist wohl endlich die Zeit des Starfish/Avengers-Stil RH Models gekommen, Matthias ;-) Leider hat HR wieder mal nichts zur Innovation beigetragen, doch im Falle Zappos‘ zumindest kompetent und schnell reagiert.

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