Wenn Chefs in Essensresten rumstochern

Unternehmen wollen besser werden. Jeden Tag und nicht einmal im Jahr. Das traditionelle Mitarbeitergespräch ist das falsche Instrument, wenn es darum geht, Leistungen zu optimieren. Das geht besser. Und kann sogar richtig Spass machen. Sind sie noch Menschenbuchhalter oder schon Unternehmensverbesserer?

«Es ist uns ein Anliegen, dass Sie von Ihrem Vorgesetzten eine Rückmeldung erhalten, wo Sie bezüglich Ihrer Leistung und Ihres Verhaltens stehen. Gehen Sie das Formular Punkt für Punkt durch, beurteilen Sie sich selbst (Zeile MA) und bringen Sie das ausgefüllte Formular zum Mitarbeitergespräch mit. Ihr/e Vorgesetzte/r wird dies ebenso handhaben.» So tönt es in der Einladung zum jährlichen Showdown im Meetingraum Nummer Fünf.

Die Rechnung, bitte!

Der zitierte Text stammt nicht etwa aus einem Beurteilungsformular der 70er-Jahre. Nein, er ist topaktuell. Ein grosses Schweizer Medienunternehmen lässt so seine Mitarbeitenden mit ihren Chefs abrechnen. Und umgekehrt. Einmal im Jahr wird Ordnung zelebriert. Im Jahr 2017. Im gleichen Jahr, in dem die Wirtschaft von digitaler Transformation und agiler Führung spricht. Künstliche Intelligenz bedroht unsere Arbeitsplätze. Das Zeitalter der Kreativität steht vor der Tür. Und wir rechnen mit unseren Mitarbeitenden Leistungen ab? Einmal im Jahr?!

Dass es dabei mit Bleistift und Papier zur Sache geht, ist ja schon fast nostalgisch. Vintage trifft auf Personalführung. Was mich beunruhigt, ist nicht das Werkzeug. Analog ist da keine schlechte Wahl. Was mich stört, ist die Einstellung, mit der die Personalabteilung sicherstellen will, dass in diesem Laden auch gearbeitet wird. Und zwar richtig und ernsthaft. Mit Fokus auf die Vergangenheit. Sie geht davon aus, dass die Anzahl ausgefüllter Formulare ein Gradmesser für Loyalität und Leistungsbereitschaft ist.

Sprechen Sie über die Rezepte der Zukunft

Hören Sie auf damit. Lassen Sie Ihre Chefs nicht in den Essensresten herumstochern. Schauen Sie vorwärts. Machen Sie alles, damit Ihre Mitarbeitenden nicht über die «Rechnung» sprechen und sich gegenseitig benoten. Lassen Sie sie über die neuen Menus der nächsten Saison sprechen. Über frisches Gemüse und fantastische Rezepte für die Zukunft. Darüber, was es braucht, die Gäste auch in der Zukunft noch zu begeistern.

Binden Sie die Kollegen mit ein, wenn es darum geht, gute Dinge besser zu machen. Der Koch muss doch sagen, wie die Zusammenarbeit mit den Service noch besser werden kann. Die Gäste sowieso. Aufwärtsfeedback, Peerfeedback. Wenn wir besser werden wollen, dann brauchen wir Inspirationen und Ideen von allen möglichen Seiten. In der modernen Arbeitswelt sehen wir den Chef ja immer seltener. Wie soll er wissen, wie ich den lieben langen Tag meine Arbeit mache? Meine Kollegen und meine Kunden haben da besseren Einblick.

Fünf Sterne für den Service

Wenn ich wirklich begeistert bin von einem Restaurant oder einem Hotel, dann gebe ich sofort Feedback. Missverständnisse können schnell ausgeräumt werden. Die Verbesserungsvorschläge sind unmittelbar und sehr konkret. Auf fachlicher und persönlicher Ebene. Der Chef soll seine Mitarbeitenden dazu anleiten und Voraussetzungen dafür schaffen, möglichst viel Feedback einzuholen und weiterzugeben. Wir Personaler geben ihm die Werkzeuge dazu. Das kann ein Online-Tool sein. Oder genauso gut eine Postkarte mit einem Feedback, die ich einem Kollegen zustecken kann.

One Size fits no one. Finden sie möglichst viele Mittel und Wege, wie man in ihrem Unternehmen Feedback geben und einholen kann.

Wir Personaler müssen darum besorgt sein, dass wir dem permanenten Verbesserungsprozedere ein grosse Portion Spass dazu geben. Wenn ich auf Digitec ein Produkt beurteile, dann bekomme ich Punkte und ein lustiges kleines Monster grüsst mich vom Bildschirm. Und handlich soll es sein. Bitte keine Formulare mehr. Nie mehr.

Inspiration statt Zuckerbrot und Peitsche

Und die Leistungskultur? Die Einhaltung der Jahreszielsetzungen? In einer Welt, die sich immer schneller bewegt, haben Jahreszielsetzungen eine Halbwertszeit von zwei Monaten. Im besten Fall. Leistungskultur wird dann gelebt, wenn wir die Leistung permanent überprüfen und die richtigen Optimierungsmassnahmen treffen. Schaffen wir agile Feedbacksysteme. Viele davon und möglichst unterschiedliche. Wenn wir einmal im Jahr abrechnen, sind wir immer zu spät. Loyalität entsteht dann, wenn ich mit jemanden zusammen bin, der mich weiterbringt, der mich inspiriert. Somit ist das permanente Anspornen der Mitarbeitenden durch gutes Feedback das beste Employer Branding, das Sie haben können.

4 comments for “Wenn Chefs in Essensresten rumstochern

  1. 6. November 2017 um 20:44

    Hallo Erika
    Danke für Deinen Kommentar. Ich finde Eure Lösung einen guten und spannenden Ansatz. Im meiner Vorstellung wäre das eine unter vielen Möglichkeiten, die es braucht einen guten und gewinnbringenden Dialog anzuregen. Auf jeden Fall scheint hier die Stadt Zürich als grosse Verwaltungsorganisation manchen Unternehmen etwas voraus zu haben.
    Potz Tuusig!
    Herzliche Grüsse
    Christoph

  2. Erika Bachmann
    5. November 2017 um 21:01

    Die Stadt Zürich führt gerade das Instrument des Führungsdialogs ein und benützt für das Feedback eine Serie von Fragen, die Mitarbeitende und Chef/innen miteinander besprechen sollen. Das geht ganz gut, die Art des Gesprächs wird ganz anders, offener, interessanter. Beispiel für so eine Reflexionsfrage: «Wie zeige ich meinen Mitarbeitenden ihren Beitrag zum grossen Ganzen auf?»

  3. 2. November 2017 um 16:51

    Lieber Alexander Bauer
    Danke für das tolle Feedback. Ich hoffe Sie gehören zu denen, die mehr Feedback-Gelegenheiten haben als einmal jährlich.
    Viele Grüsse
    Christoph Jordi

  4. 2. November 2017 um 13:23

    Toller Artikel in der Menge (oder soll ich sagen, im Salat) der übrigen Saison-Schreiben zum Thema! Danke

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