Was unsere Chefs und Chefinnen kaputt macht

In den leChristoph Jordi HR Strategietzten Monaten bin ich mehrmals Vorgesetzten begegnet, die voll im roten Bereich drehten. Auf Menschen zu treffen, die kurz vor dem Burnout stehen, hat mich beschäftigt. Gerade Mitglieder des oberen Kaders sollten selbst merken, wann es genug ist – könnte man meinen. Schliesslich wäre es auch Aufgabe des HR solche Führungskräfte aus dem Rennen zu nehmen. Burnout lässt sich verhindern. Rezepte dafür gibt es viele. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Ursachen für diese Tragödien etwas tiefer liegen.

Das traditionelle Führungsverständnis ist in vielen Unternehmen noch immer das Mass aller Dinge. Der Chef, der alles weiss. Die Chefin, die alles kann. Sie sind souverän, machen keine Fehler und haben stets alles unter Kontrolle. Dieses Führungsverständnis trifft auf die neue Arbeitswelt, auf die neue Verfügbarkeit von Wissen und die Informationsüberflutung. Mit andere Worten: Zündholz trifft Brandbeschleuniger. Wir haben ein paar Konstruktionsfehler in unserem System, die nicht gut sind.

1. Beförderung als Statussymbol sehen

«Ich bin schon so lange dabei. Ich habe eine Beförderung verdient!» Viel zu oft, wird Führung als Belohnung gesehen, alls Statussymbol. Es geht also nicht um die Führungskompetenz, sondern eher darum, dass man einen Mitarbeiter befördern muss, damit er bleibt. Das Gute daran ist, dass man den Mitarbeiter so vordergründig zufriedenstellen kann. Er wird damit noch wichtiger für die Organisation. Endlich anerkennt die Unternehmung die geleisteten Dienste. So wird mit der Beförderung gleichzeitig sichergestellt, dass der Mitarbeiter noch ein paar Jahre bleibt. Ob das gut ist für sein Team und für ihn als Person – eher kein Thema. Oft sind sich die Betroffenen nicht bewusst, dass eine Führungsaufgabe mit einem bedeutenden Rollenwechsel verbunden ist. Plötzlich geht es nicht mehr um die persönliche Leistung, sondern darum, dass sie neu dafür verantwortlich sind, was das ganze Team leistet.

2. Als bester Sachbearbeiter Chef werden

Geht es darum die Stelle eines Teamleitenden neu zu besetzen, dann ist es am bequemsten, wenn man auf das fachlich beste Teammitglied setzt. Das passiert oft auch in Geschäftsleitungen. Wer ist der Zuverlässigste? Wer liefert die beste Arbeitsqualität und wer verkauft sich gut? Das muss der neue Chef sein! Gerade für einen Verwaltungsrat sind das die angenehmsten Lösungen. Da weiss man doch, was man hat. Kurzfristig. Die Führungsqualitäten hat niemand richtig angeschaut, Konfliktfähigkeit ebenso wenig multiple Stressresistenz oder den Umgang mit Dilemmas – daran hat man gar nicht gedacht. Auf diese Weise verliert man nicht nur die beste Fachkraft im Team – man schickt einen zufriedenen und erfolgreichen Mitarbeiter in die komplette Überforderung.

3. Nicht vertrauen können

Ein guter Chef hat alles unter Kontrolle. Die Chefin kennt jedes Dossier und weiss überall Bescheid. Sie kann im Notfall jeden Job im Team übernehmen. Problemlos. Dafür muss man auch viel wissen und den Überblick haben. Das geht am besten, wenn man sich in jedes Mitarbeitenden-Mail einkopieren lässt. Jede Präsentation nach aussen und jeder Brief geht über den Cheftisch. Kommas kontrollieren: Chefsache! Die Chefin wird so nicht nur zum Flaschenhals. Wenn ich als Mitarbeiter weiss, dass der Chef alles nochmals anschaut, muss ich ja nicht so sauber arbeiten. Wenn mir die Chefin so oder so die Hälfte meiner Arbeit umschreibt, dann liefere ich lieber nur 50 als 100 Prozent. Kein Wunder, dass der Chef nie Zeit hat und endlos Überstunden schiebt.

4. In Informationen ertrinken

Informationsverarbeitung wird immer mehr zur Monsteraufgabe. Wie kann ich bei allen Kanälen den Überblick behalten. Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden? Strategisch Relevantes von operativ Belanglosem? Heute muss eine Führungsperson fit sein in KI, die letzten Trends aus Social Media kennen und sich mit Cyber Crime-Themen beschäftigen. Dazu kommen die Entwicklungen am Markt und die Infos rund um neue Applikationen, die einen das Leben leichter machen sollen. Es ist einfach viel zu viel. Und die Mails sind noch nicht einmal gelesen. Von den endlosen Meetings ganz zu schweigen. Ich habe schon mit Führungskräften gesprochen, die 600 ungelesene Mails in der Inbox hatten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis solche Führungskräfte vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen.

5. Falschen Anreizen nachrennen

Mit einer Führungsfunktion sind oft auch Privilegien verbunden. Bessere Entschädigung, zusätzlicher Bonus, Kaderpensionskasse und andere Benefits. Das macht Führungspositionen begehrlich. Für viele Führungskräfte ist das aber auch ein Fluch. Sie können nicht mehr zurück. Wer merkt, dass er viel lieber wieder Fachexperte sein würde, muss «absteigen». Führungsverantwortung abgeben heisst «verlieren» und «versagen». Damit sind nicht nur finanzielle Einbussen, sondern auch schräge Blicke der Kolleginnen und Kollegen verbunden. Damit werden manche Führungspositionen zu gefährlichen Einbahnstrassen.

Fazit

Es gibt nichts Teureres für ein Unternehmen als schlechte Führungskräfte. Schlechte Führungskräfte beschleunigen die Fluktuation. Überforderte Führungskräfte bringen schlechte Leistungen und behindern ihr Team. Führungskräfte, die ausfallen, machen alles noch schlimmer. Nur selten trifft diese Menschen eine Schuld. Es ist ein Systemfehler. Wir tragen die Verantwortung, weil wir Bedingungen schaffen, Entscheidungen treffen oder Verhalten fördern, die genau solche Situationen verursachen. Wir müssen unser Führungsverständnis ändern. Wir müssen Fachexperten Fachexperten sein lassen. Wir müssen Führungskräfte richtig auswählen und richtig ausbilden. Wir müssen eine Kultur fördern, die Führung als Fähigkeit jenseits von Status und Macht etabliert.

2 comments for “Was unsere Chefs und Chefinnen kaputt macht

  1. Funk Nadia
    9. Juli 2024 um 14:26

    Lieber Christoph

    Was für ein genialer Blog. Schön zu lesen, dass es auf diesem Planeten immer noch anders denkende Menschen gibt, denn ich war genau in einer solchen Situation und konnte noch selbständig meine Reissleine eine Minute vor 12 Uhr ziehen.

    Nicht zu vernachlässigen ist die Genesungszeit, welche nach einem Ausscheiden aus einem Unternehmen folgt. Bis die Lust wieder vorhanden ist, sich für ein Unternehmen einzusetzen, dauert es doch eine Weile. Kompromisse geht man nicht mehr ein, zumindest ich nicht.

    Wünsche dir eine wunderbare Sommerzeit und falls du ein UN im Raum Luzern kennst, die jemand in der HR Leitung suchen, egal ob Leitung oder nicht, freue ich mich auf eine Empfehlung.

    Die Werte müssen gelebt werden und nicht nur schön auf PP und Sticker aufgeschrieben sein.

    Herzliche Grüsse
    Nadia

    • 9. Juli 2024 um 16:39

      Hoi Nadia
      Danke für den netten Kommentar.
      Ich melde mich auf separatem Kanal.
      Happy Rides!

      Christoph

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