Sind Sie mutig? Sind Sie innovativ? Das waren meine beiden ersten Fragen, bevor ich zusagte, als externer Begleiter bei einer internen Tagung zusammen mit der Geschäftsleitung die Session «Förderung der Unternehmenskultur» zu moderieren.
Ich war skeptisch. Mir ist klar, dass das Thema Unternehmenskultur weder gelehrt noch befohlen werden kann. In einigen Chefetagen ist mindestens theoretisch angekommen, dass die Werthaltung und der tägliche Umgang miteinander in einem direkten Zusammenhang mit der Motivation der Mitarbeitenden stehen.
Im Zuge dieser Erkenntnis wird viel von Wertschätzung und Vertrauensbildung gesprochen, doch wird all das zur Plattitüde, wenn Vorgesetzte durch ihr Verhalten die Vorbildwirkung schuldig bleiben. Sensibilisierung für Kultur setzt einen kultivierten Umgang voraus. In der heutigen Zeit eine grosse Herausforderung – sind in unserer Gesellschaft doch entsprechende Vorbilder nur noch spärlich zu finden.
«Ja, Mut und Innovation haben wir uns auf die Fahne geschrieben», war die Antwort und so riskierte ich das Abenteuer im Schlosshotel. Mit etwas Fantasie können Sie sich die Gesichter vorstellen, als wir mit Märchen der Gebrüder Grimm in das Thema eingestiegen sind. Wir haben uns mit den Eigenschaften des Helden auseinandergesetzt, um herauszufinden, welche Voraussetzungen notwendig sind, um tatsächlich zum Helden zu werden.
Mit überraschten Teilnehmern beleuchteten wir Themen rund um die Kulturen fremder Völker, streiften Werke der klassischen Literatur oder diskutierten Zitate von griechischen Gelehrten. Am Ende stand ein klassisches Konzert am Flügel auf dem Programm.
Ist es nicht so, dass ein kultiviertes Verhalten unmittelbar im Zusammenhang mit dem kulturellen Verständnis steht? Und wenn ja, setzt dies nicht Bildung voraus, eine gepflegte Sprache und als Folge einen wertschätzenden Umgang miteinander?
Wenn wir Menschen da abholen wollen, wo sie stehen, müssen wir wissen, wo sie gerade sind – Grundlage im Miteinander einer Unternehmenskultur. «Was du nicht willst was man dir tu, das füg auch keinem andern zu», lautet ein Grundsatz der angewandten Ethik. Dieser Satz und viele weitere mögen alt und abgestumpft sein, gehören in ihrem Kern aber doch bis zum heutigen Tag zu den Säulen unserer Kultur.
Das Sensibilisieren, das Wecken des inneren Verständnisses für das Echte, dessen wahrer Kern in jedem von uns schlummert, war der erste Schritt in unserer Session zum Thema Unternehmenskultur.
Doch was heisst «Unternehmenskultur» im täglichen Umgang, welche Bedeutung hat sie für die Vorbildwirkung der Führungskräfte? Darüber sprachen wir im zweiten Teil. Kultiviertes Verhalten ist keine Ermessensfrage, sondern eng an Vernunft, Wissen und Anstand geknüpft.
Wie anständig ist es also, in Sitzungen den Leiter durch das Schreiben persönlicher Emails zu negieren? Wo finden sich die Argumente, chronisch unpünktlich zu sein? Von anderen Dinge zu erwarten denen man selber nicht genügt? Wo liegen die Gründe, über jene zu lästern die nicht anwesend sind, Sachen zu versprechen ohne sie einzuhalten?
Wie rechtfertig sich ein Gremium, wenn es darum geht, Männer und Frauen ungleich zu entlöhnen, Gewinnmaximierung über das Wohl des Unternehmens zu stellen, sich im System überproportional zu bereichern?
Zugegeben, der zweite Teil der Session kam nicht mehr so gut an. Innovation ist halt doch eine Frage des Mutes. Und neue Wege zu beschreiten ist vielleicht doch nur den Märchenhelden vorbehalten …
Sehr geehrter Herr Marthaler,
vielen Dank für diesen tollen Beitrag. Viele Unternehmenslenker sind zu sehr in ihrer eigenen, kleinen, auf Profitmaximierung fokussierten Welt gefangen. Bei vielen Firmen kann der Erfolg viele schwer messbare Dinge wie die Unternehmenskultur vom Radarbildschirm der Manager ausblenden.
Aber ist es nicht die Aufgabe des (vertrauten) Beraters, auf diese Dinge aufmerksam zu machen? Vielleicht sollte man einen Versuch machen, um die Motivation der Mitarbeiter regelmässig zu messen? Heute sind die Tools vorhanden.
Liebe Grüsse
Amor Dhaouadi
Lieber Herr Dhaouadi
Vorerst lieben Dank für Ihren Beitrag. Ja, Sie haben recht, in diesem Sinne kommt dem „Berater“ eine Schlüsselrolle zu, so man ihn denn an die Türe lässt. Das meint die Resonanz des Managements müsste halt auch vorhanden sein, sich dieser „weichen“ sprich nicht offensichtlich finanziell relevanten Thematik anzunehmen. Gelingt es nicht durch ein Sensibilisieren die entsprechenden Fragen zu entlocken, werden auch ungefragte Antworten kaum auf ein konstruktives Echo stossen. … dies zumindest meine Erfahrungen.
Ich grüsse Sie herzlich
Markus Marthaler
Ich bin doch sehr erstaunt über die Aussagen zu Unternehmenskultur in Ihrem Blog.
Unternehmenskultur ist das wichtigste und zugleich schwierigste Thema bei „Digitaler Transformation“ oder bei allen Veränderungsprozesses. Firmen wie Uber oder Facebook leiden an ihrer völlig unterentwickelten, unglaubwürdigen oder unehrlichen Kultur.
Es gibt dazu sehr klare Literatur, wir haben dazu mit Ed Schein schon diverse Konferenzen durchgeführt, mit HWZ. Siehe dazu das Interview mit Ed Schein
https://hrtoday.ch/…/ceos-sollten-dringend-demuetiger-werden
und die Filmausschnitte zu „Unternehmenskultur“ https://www.youtube.com/watch?v=GtV3Jx01BqU.
Es ist natürlich so, dass man das Thema nicht in einer Parallelgruppe abhandeln kann. Natürlich gibt es eine Vielzahl von klar umschriebenen Methoden zur Analyse von Kultur: auch hier die Klassiker von Ed Schein in unserer Buchreihe „EHP Organisation“. Speziell zu vermerken das Buch „Führung und Management der Veränderung“, das wir zusammen publiziert haben. Als kleine Empfehlung für solche Anfragen: Die Ernsthaftigkeit des Anliegens dadurch überprüfen, dass man direkte Experimente zur Unternehmenskultur Diagnose zeigen und durchführen kann. Oder wir zeigen jeweils auch Ausschnitte aus Filmen wie „Apple“, wo man die Entstehung zeigen kann. Dies als warm-up für direkten Einstieg ins Thema. Was sie erlebt haben, ist eine Anfrage zu einem zentralen Thema, das aber von der Form her doch eher als „Entertainment“ geliefert werden soll. Ein häufiges Dilemma. Anderes Beispiel, das wir an einer Konferenz der ECLA in Berlin zum Thema „Unternehmenskultur“ erlebt haben: Einführung in ein oder zwei Tools und dann Unternehmensbesuch diverser Start ups und diagnostischer Dialog dazu.
Gut, dass das Thema „Unternehmenskultur“ in einem Blog beleuchtet werden kann. In der Diskussion zur „Digitalen Revolution“ wird es oft nicht oder „unprofessionell“ behandelt, oder es wird häufig das Thema „Unternehmensklima“ mit dem Thema „Kultur“ verwechselt.
Sehr geehrter Herr Dr. Fatzer
Ich habe mich über zwei Sachen gefreut – zum einen, dass Sie sich Zeit genommen haben meinen Blog ausführlich zu ergänzen, zum anderen, dass es mir gelungen ist, Sie zum Staunen zu bringen. Ich finde gerade dies eine wertvolle Eigenschaft in unserer digitalisierten, schnelllebigen Zeit. Einige der von Ihnen beschriebenen Themen sind mir natürlich auch vertraut, doch verfolge ich mit meinen Zeilen einen etwas pragmatischeren Ansatz. Ich bin überzeugt davon, dass die Kultur in einem Unternehmen durch die Menschen geprägt wird. Unser scheinbares Fortschrittsdenken bringt viele neue Ansätze, Konzepte und Methoden in die Firmen – doch kann ich mich nicht daran erinnern, dass inkompetente Führungskräfte damit nachhaltig erfolgreich geworden sind. Mir scheint, dass sich die intellektuelle Bildung gegenüber der geistigen Haltung in unserer Gesellschaft in einem Ungleichgewicht befindet. Dem möchte ich mit meinen Beiträgen und der entsprechenden Leichtigkeit etwas entgegenwirken und den Menschen in den Mittelpunkt rücken … Denn was bleibt wenn wir gescheit sind, gar gescheiter werden und am Ende daran scheitern …
Sehr geehrter Herr Dr. Fatzer
Selbstverständlich ist die Kultur in einer Organisation DAS entscheidende und wichtigste Element, damit Menschen gut und gerne zusammenarbeiten und in Folge dessen sämtlichen Stakeholdern (zuvorderst Kunden und MA) der Unternehmung einen Mehrwert bescheren. Druckers Bonmot „Culture eats strategy for breakfast“ hat an Aktualität und Relevanz nichts verloren, im Gegenteil. Das wissen Sie, das weiß gewiss auch Herr Marthaler und seriöse SoWis bzw. Menschen, die sich mit der soziologischen Trias „soziales Handeln“, „soziale Ordnung“ und „sozialer Wandel“ und mit deren psychologischen und ökonomischen Folgen näher befasst haben.
Nur: Auch ich habe bereits in meinen ersten Jahren nach dem Studium leider (oder glücklicherweise?!:-)) Orgas und sog. „Leader“ kennengelernt, die das Thema „Kultur“ leider nur als „Beratungs-Vehikel“ missbrauchen, ohne es bspw. in den eigenen vier Wänden ernst zu nehmen seriös zu behandeln, was sich dann natürlich direkt (negativ) auf Phänomene wie die psychologische Sicherheit, Motivation, Vertrauen, Leistung, Wohlergehen, Fluktuation etc. in der eigenen Orga auswirkt. Diese fehlende Integrität, Glaubwürdigkeit, dieses fehlende Vorbildhandeln (Stichwort „transformationale Führung“) bei einigen der Akteure (ich habe leider im Mom den Eindruck (aus pers. Erfahrung und dem Gebaren des Gros der medial präsenten CEOs) das es die Mehrheit ist.).
Umso erfreuter bin ich, dass es Menschen (wie Sie und Herr Marthaler bspw.), veritable Profis gibt, die die Relevanz von Kultur in Orgas verstehen, anwenden und im positivsten Sinne leben…
Für mich gehört auch dazu, dass die Vorgesetzten eine Vision haben, wie denn die Kultur des Führungsbereichs aussehen soll. Ich treffe immer wieder visionslose Personen an, die nur im Jetzt denken und keine Fantasie haben, was denn sein könnte, wenn man sich mal auf den Weg machen würde. Das sind meist Personen, die keine Zeit haben (meinen sie) und froh sind, wenn sie sich nicht weitreichendere Gedanken machen müssen. Man muss als Vorgesetzte/r auch nicht alles selbst erfinden, man kann auch die Mitarbeitenden fragen, die haben nämlich auch viele gute Ideen. Nur, wenn man keine Kultur des Fragens und Zuhörens hat, dann werden sie einem auch nichts erzählen. Wenn man dann noch möglichst oft ‚danke‘ sagt, wird es noch besser. Ich führe gut damit.
Liebe Frau Bachmann
Lieben Dank für Ihre Zeilen. Da kann ich Ihnen nur in allen Punkten zustimmen.
Sehr geehrter Herr Marthaler,
vielen Dank für Ihren ehrlich-kritischen Beitrag – Sie schreiben mir in manchen Dingen „aus der Seele“. Leider musste ich in den ersten Jahren nach meinem Studium einige solcher „Dampfplauderer“ miterleben. Da fällt mir der Sparwitz ein, den man auch auf „Führungskräfte solcher Art“ übertragen kann: „Was haben Heizungsbauer und Berater gemein? Sie kennen sich gut aus mit heißer Luft.“…
Lieber Herr Jastrzebski
Danke Ihnen für die Blumen … dann hoffen wir auf viele andere Heizungsmonteure die dafür besorgt sind, ein angenehmes Arbeits- „Klima“ zu schaffen! :-)
Liebe Grüsse
Markus Marthaler
Lieber Markus
Danke für die Erfrischende Darstellung zum Thema Unternehmenskultur. In der Tat lässt sich Kultur nicht verordnen, sondern praktizieren und vorleben, sonst verkommen kreativ entwickelte Unternehmenswerte zu „Kulturhülsen“.
Und es gibt einen Lügendetektor der überprüft, ob diese Werte auch gelebt werden: die Mitarbeitenden des Unternehmens, welche als Multiplikatoren der DNA eines Unternehmens funktionieren. Messbar wird das ganze am Verhalten. Doch es braucht Mut die Dinge beim Namen zu nennen, wenn jemand aus dem Trampelpfad läuft und auf Abwegen kommt. Je weiter oben in der Hierarchie, desto resistenter wird auf solche Feed back’s reagiert.
Oder in positiver Weise formuliert, werden diese Werte von „oben“ gelebt dienen sie gute Orientierung für das eigene Verhalten. Übrigens findet man diese Voraussetzung in vielen familiengeführten Unternehmungen.
Der zukünftige Arbeitsmarkt und die Verknappung der Personalressourcen, werden dazu führen, dass Unternehmungen gut daran tun ihre glaubhafte Identität / Kultur eigenständig weiterzuentwickeln und zu leben.
Lieber Alexander
Auch Ihnen herzlichen Dank für obigen Kommentar. … und ich bin ganz bei Ihnen, dass der Arbeitsmarkt im Laufe der Zeit viele Dinge regulieren wird. Immer wieder habe auch ich erlebt, dass die „guten“ Mitarbeitenden sich die entsprechenden Unternehmen aussuchen können. Es ist dies dasselbe Phänomen das im Führungsbereich festzustellen ist, dass kompetente Mitarbeitende meist nur befristet für unfähige Chefs arbeiten und umgekehrt…
Liebe Grüsse
Markus
Lieber Herr Marthaler – vielen Dank für den ehrlichen Beitrag. Es ist traurig, aber auch ich kenne das Thema Unternehmenskultur eher als „Tick in the box“ für das Top Management und eigentlich möchte sich keiner im Detail damit beschäftigen. Ihre Fragen sind sehr mutig und ich bin froh, dass es Berater gibt, die hier ihre Linie fahren auch wenn es vielleicht nicht so gut ankommt. Nur so kann man wirklich etwas ändern und ich bin sicher, dass es auch Positivbeispiele gibt.
Liebe Sarah
Ich danke Ihnen für Ihre Worte. … und ja Sie haben recht. Auch die positiven Beispiele gibt es. Man kennt sie weniger in der Öffentlichkeit weil diese Vorgesetzten mehr Handeln als Hochglanzprospekte drucken, weniger reden und mehr zuhören. Gerade von ihnen habe ich gelernt, wie es gelingt mit Authentizität und Vertrauen ein motivierendes Umfeld zu gestalten. Sie haben Mut bewiesen, indem sie an den Menschen glauben und erkannt haben, dass ethisches Verständnis innerhalb einer gelebten Unternehmenskultur Wesentliches zum langfristigen Erfolg beitragen kann.
Liebe Grüsse
Markus Marthaler