Was braucht es, um unlimitierte Ferientage einzuführen? Was sind die Chancen und Gefahren? Diesen und weiteren Fragen gehe ich im heutigen Podcast nach.
Netflix erlaubt seinen Mitarbeitenden, so viele Ferientage zu nehmen, wie sie wollen. Allerdings funktionierte das nicht gleich auf Anhieb. Im heutigen Podcast überlege ich mir, was es dazu braucht, um eine «No Vacation Policy» erfolgreich einzuführen und was die möglichen Vorteile für Firma und Arbeitnehmende sind.
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Ferientage sind bezahlte Tage, sonst wäre es unbezahlter Urlaub (zumindest in der Schweiz). Es geht hier also darum, unlimitiert, unkontrolliert und unsanktioniert von der Arbeit fernzubleiben, aber den Lohn trotzdem zu erhalten.
Dem Wunsch des Arbeitnehmers nach mehr Freizeit kann mit einer Teilzeitanstellung und einem flexiblen Arbeitszeitmodell begegnet werden (und/oder mit unbürokratischen Regelungen für unbezahlten Urlaub bzw. Sabbatical).
Arbeitgeberinnen, welche es sich leisten können, trotz voller Lohnzahlung auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zu verzichten, sind dünn gesät.
Jeder Arbeitnehmer ist sowohl «Kunde» als auch «Lieferant» für andere Arbeitnehmer im Unternehmen. Werden diese Arbeitsbeziehungen durch zu häufige, zu spontane oder zu lange Abwesenheiten gestört, ist effizientes, produktives Arbeiten nicht mehr möglich. Und je unterschiedlicher der Ferienbezug gehandhabt wird, desto grösser wird der Unfriede.
In den USA existiert kein gesetzlich vorgeschriebener Mindestferienanspruch. Es verwundert deshalb nicht, wenn US-Unternehmen im Rahmen einer diesbezüglich unlimitierten Vertragsfreiheit auf solche Ideen kommen, auch wenn sich deren Ernsthaftigkeit wohl darauf beschränkt, gewisse Signale an den Arbeitsmarkt auszusenden.
Wir haben da wohl unterschiedliche Sichtweisen. Das macht die Sache umso spannender und ich finde es sehr inspirierend und gedankenanregend. Deshalb vielen Dank für diesen interessanten Kommentar!
Bei einem System mit unlimitierten Ferientagen geht es nicht um unbezahlten Urlaub, der Lohn wird ja weiterhin bezahlt. Es ist auch nicht unsanktioniert, sofern es gemäss den festgelegten und vereinbarten Regeln geschieht. Dazu gehört u.a. unbedingt dazu, dass Abwesenheiten im Team abgesprochen werden.
Es geht auch nicht darum, dass Firmen auf die Arbeitskraft der Arbeitnehmenden verzichten bzw. für mehr Ferien ohne Gegenleistung bezahlen.
Eine Bedingung ist ganz klar, dass Leistung erbracht wird. In diesem Fall aber in erster Linie gemessen in Resultaten und nicht als gearbeitete Zeit. Wieso in ruhigeren Zeit seine Stunden absitzen, weil man sonst zu wenige Tage für die nächsten Ferien hat? Man könnte – in Absprache mit Chef und Team – spontan ein paar Tage frei nehmen. Und dann intensiver arbeiten, wenn wieder viel los ist.
Eine faire Handhabung des Ferienbezugs ist notwendig, da bin ich absolut einverstanden. Ich frage mich aber mehr und mehr, ob man wirklich alle Mitarbeitenden gleich behandeln muss (im Sinne von Equality vs Equity).
Und deshalb auch: Müssen zwingend alle gleich viele Ferientage beziehen? Vielleicht möchte jemand längere Ferien beziehen, um auf Reisen zu gehen. Diese Person stellt aber immer sicher, dass die internen und externen Kunden einen hochstehenden Service erhalten, wenn andere spontan einen Tag frei nehmen. Zum Beispiel um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen oder weil das Wetter für ihr Hobby gerade perfekt ist.
Dann liegt der Fokus darauf, dass man Arbeit und Freizeit gemäss den eigenen Bedürfnissen ideal organisieren kann. Und dann spielt es auch keine Rolle mehr, wenn jemand ein paar Tage mehr Ferien bezieht als andere.
Aber schlussendlich geht es mir nicht um ein bestimmtes Modell. Ich finde es wichtiger, dass wir uns jetzt schon gemeinsam Gedanken über die Arbeitswelt der Zukunft machen. Und deshalb nochmals ganz herzlichen Dank für diesen Kommentar!
Viele Grüsse
Etienne
Während der unlimitierten Ferientage verzichtet die Arbeitnehmerin sehr wohl auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers – und das offenbar unlimitiert. Wenn hingegen Regeln betreffend der Länge der Ferienabwesenheit bestehen, auch nur informelle (= moralischer Druck der Arbeitskollegen), dann handelt es sich nicht mehr um unlimitierte Ferientage, fühlt sich jedenfalls nicht mehr so an, weshalb man die Übung einstellen kann.
Wird die Arbeitsleistung in Resultaten gemessen, sind wir sehr schnell im Auftrags- oder Werkvertragsverhältnis, nicht mehr im Einzelarbeitsvertrag. Das ist dann eine ganz andere Baustelle.
Auch «ruhigere Zeiten» haben ihre Wirkung. Man wird kreativ, hinterfragt Dinge, hat Zeit für Liegengelassenes und Optimierungen oder kann Sozialisieren, was in hektischen Momenten häufig zu kurz kommt.
Fair ist, wenn Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Neben Equality und Equity gibt es noch Need. Und ein unlimitiertes Beziehenkönnen von Ferientagen geht in die Kategorie Need (zumindest subjektiv wahrgenommene eigene Bedürftigkeit). Wenn jeder so viele Ferientage beziehen kann, wie er will, mag das die Freizeit-Bedürfnisse des Arbeitnehmer stillen. Wenn alle einverstanden und sich im Klaren sind, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche (Ferien-)Bedürfnisse haben, und so auch unterschiedlich viele Tage beziehen, dann ist es fair und wohl akzeptiert. Aber ob das vorkommt? Und ob das organisierbar ist?
Nein, es müssen nicht alle gleich viele Ferientage beziehen. Es geht in diesem Modell um den gewährten (nämlich unlimitierten) Anspruch. Und auf Ansprüche kann man ja auch verzichten bzw. den Bezug aufschieben. Wer länger frei nehmen will als sein Ferienrestanspruch hergibt, soll seine Überstunden aufbrauchen, unbezahlten Urlaub nehmen oder – wenn der Wunsch nach freier Zeit besonders gross und die Arbeitnehmerin besonders unflexibel ist – ist auch eine Kündigung möglich mit der Hoffnung, nach der Freizeit wieder zurückkehren zu dürfen. Es steht einem auch frei, eine Arbeitgebern zu suchen, welche mehr Ferien gewährt als das Übliche.
Es sind eben gerade nicht die «eigenen Bedürfnisse», welche die Sache steuern, es sind die betrieblichen Bedürfnisse. Und die können den eigenen diametral entgegenstehen.
Nicht zu vergessen ist auch, dass die Ferien-Organisier-Tätigkeit unter Umständen recht viel (Arbeits-)Zeit in Anspruch nehmen kann, was Effizienz und Produktivität nicht förderlich ist. Und immer kann etwas dazwischenkommen (Viren, Grossaufträge etc.).
Es reicht auch in der Zukunft aus, wenn die Arbeitgeberin die Bedürfnisse und Unterschiedlichkeiten der Arbeitnehmer erkennt und entsprechende planbare und die betrieblichen Prozesse nicht störende (nicht zu häufig, nicht zu lang, nicht zu spontan) Lösungen findet: Teilzeitarbeit sollte auch für Männer möglich sein, in Zukunft ohne Stirnrunzeln und Karrierekonsequenzen. Der Bezug unbezahlter Urlaube sollte ermöglicht werden. Und flexible Arbeitszeitmodelle (Gleitzeit ohne oder mit kurzen Blockzeiten) helfen, spontane Abwesenheiten in ruhigeren Phasen zu ermöglichen.