Die grosse Leere

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Lange stille Gänge. Entvölkerte Bürolandschaften. Und eine Kollegin, die sich im August für das Weihnachtsgeschenk bedankt. Im Quartier wird ein grosser Bürokomplex in ein Wohnhaus verwandelt. Obwohl wir wieder unterwegs sind bei unseren Kunden, haben wir dauernd das Gefühl, unsere konspirativen Meetings finden an einem Sonntag statt – es ist jedoch ein furznormaler Dienstag. Was geht hier gerade ab in der «Büro-Schweiz»?

Wer zwei Tage von zu Hause aus arbeitet ist mitverantwortlich für leere Büros. Es können in der Konsequenz 40 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut werden – weg mit Einzelbüros und so Geld sparen. Für den Finanzchef sicherlich «Good News». Wenn ich den Arbeitsplätzen damit die letzte individuelle Note nehme, dann gibt es noch weniger Grund ins Büro zu kommen. Und dann kann man noch mehr sparen. So weit, so gut für die Kosten des Unternehmens. So weit, so schlecht für den Zusammenhalt, interdisziplinäre Zusammenarbeit und für die Unternehmenskultur. Ganz schlecht.

Präsenz organisieren statt Absenzen kontrollieren

Früher so: Warum ist denn der Marcel heute nicht hier? Heute so: Was könnten wir machen, damit man Marcel wieder einmal sieht?
Wie also organisieren wir unsere Präsenz? Wie schaffen ein physisches Meeting? Gibt es Argumente, wie man die Teams ins Office locken kann? Je grösser die Unternehmung, desto schwieriger. Bei den KMU hat es Homeoffice gar nie richtig gegeben (Typ 1) oder sie beherrschten die hybride Zusammenarbeit schon vor Corona (Typ 2). Grosse Unternehmen laufen dann oft in die «Freiwilligen-Falle». Die freiwillige Präsenz führt nicht dazu, dass Leute wieder ins Büro kommen – die Absenz wird als normal toleriert. Das hätte man anno 2019 v.C. (vor Corona) einen möglichen Entlassungsgrund gesehen.

Nur hybrid ist schlimmer

Der absolute Stimmungskiller sind Meetings mit Menschen kombiniert mit Menschen auf Bildschirmen. Idealerweise in einer Schulung. Völlig unmöglich allen Teilnehmenden gerecht zu werden. Persönlichkeitsspaltungen sind vorprogrammiert. Dagegen «hilft» nur, wenn man sich in einem voll ausgerüsteten Fernsehstudio befindet oder auch noch das letzte «Gschpähnli» ins Büro zwingt. Dieses Problem sauber und günstig zu lösen, wird nicht nur eine technische Knacknuss bleiben.

Arbeitsweltuntergang

Was haben wir gestaunt über die neuen hippen Bürolandschaften. Mit Sofaecken und Rückzugskabinen. Mit blumigen Paneelen und Kaffeeinseln. Alles dahin. Man fühlt sich in wie eine Putzkraft im leeren Shoppingcenter. All die neuen, tollen und teuren Arbeitslandschaften für nichts und wieder nichts. Maximale Platzverschwendung. Wie ein Einfamilienhaus mit 200 Parkplätzen. Irgendwie sinnlos. Das tut weh und zwingt uns diverse Arbeitswelten nochmals komplett neu zu denken.

Wes Brot ich ess, des Lied ich (nicht mehr) sing

Sitze ich zu Hause, nimmt die Bindung zum Unternehmen ab. Ich bin nur noch digital verbunden. Der gemeinsame Kaffee, der heimelige Geruch der Kantine (wenn wieder mal Schnipo-Tag ist) oder das Knistern in der Luft, wenn der Chef von der Geschäftsleitungssitzung zurückkehrt. Weg. Aus. Es spielt also eigentlich kaum eine Rolle für wen ich arbeite. Ich rieche ja den Schweiss des Bürokollegen nicht, der über Mittag joggen war und das Deo vergessen hat. Das leise Quietschen der Stühle im Sitzungszimmer höre ich nicht mehr. Und Hand aufs Herz: Für wen ich meinen Bürojob mache und wer mir gerade auf dem Bildschirm begegnet ist unterdessen einerlei.

Gefragt: Flagship Stores und Maker Spaces

Unsere Arbeitswelten müssen also attraktiv werden. So attraktiv, dass ich mich wahnsinnig freue wieder an den Ort zu gehen, den man früher als Büro bezeichnet hat. Nicht weil ich einer engen Einzimmerwohnung oder vier schreiende Kinder entfliehen will, sondern weil es einfach cool ist. Weil es Spass macht und unheimlich produktiv inspirierend ist. Hier erlebe ich, was unsere Firma leistet. Ich finde tolle Workshop-Räume und Arbeitsumgebungen, die mir so viel mehr bieten als eine Dockingstation, ein Bürostuhl und ein grosser Bildschirm. Hier finden Dinge statt bei denen ich analog lerne, spannende Leute treffe und viel mehr Arbeits-Convenience habe als zu Hause. Hier kann ich Kunden und Lieferanten einladen, wenn ich mal richtig zeigen will, wofür meine Firma alles steht. Kinderkrippe, Waschservice, Parkplätze, Mietvelos, perfekter Espresso – alles da. Hier lebt unsere Marke, hier schlägt das Herz der Unternehmenskultur.

Fazit

Die neuen Arbeitswelten werden aktuell als Thema noch massiv unterschätzt und gehören auf die strategische Landkarte jedes Unternehmens. Die Umgestaltung der Arbeitsumgebung ist eine Herkulesaufgabe. Man kann Büroplatz abbauen und Geld sparen, aber es gilt Alternativen aufzubauen. Diese Alternativen haben andere Funktionen und Rollen als herkömmliche Büros. Wir müssen Treffpunkte und Erlebnisstätten bauen. Unternehmenskultur erlebbar machen. Hot Spots für unsere Brands die «instagramable» sind und maximal attraktiv Produktivität generieren. Wach auf Büro-Schweiz!

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