STOP – Time-out!

Print Friendly, PDF & Email

Blog Employability Sibylle ScheiiwillerWir alle rennen unermüdlich und kümmern uns um unsere Employability. Wir machen eine Weiterbildung nach der anderen, nehmen neue Projekte an, erweitern unser Netzwerk, tauschen uns aus – und kommen trotzdem nicht wirklich weiter. Warum? Weil wir uns im Employability-Dschungel und Tempo verlieren und zwei ganz wichtige Punkte vergessen haben!

Ich leite ein grosses Beraterteam. Wir begleiten Menschen vom ersten Tag nach der Kündigung bis in eine neue Position, coachen Führungskräfte zu Kommunikation, Employability, Karriereentwicklung und Future Skills und zeigen ihnen, wie sie mit Mentaltraining im entscheidenden Moment performen können. Gestern bekam ich eine Anfrage, ob ich an einem Event zum Thema Employability etwas erzählen kann. Heute schreibe ich diesen Blog. Es sieht so aus, als ob ich eine Expertin auf diesem Gebiet bin.

Bis gestern Abend hiess dieser Blogbeitrag «Netzwerken – der Booster für Employability». Doch statt über die Wichtigkeit des Netzwerkens zu sprechen, nehmen wir uns doch lieber ein Time-out.

Unfreiwillige Time-outs

Als Läuferin sause ich in der Freizeit regelmässig durch die Gegend, verliere nie das Ziel aus den Augen – werde aber oft gebremst. Sei das durch ein Reh, das mir den Vortritt nimmt, einen Hund, der mir seinen Ball vor die Füsse legt oder einfach durch eine kleine Wurzel, die ich in meinem Übereifer nicht gesehen habe und die mich dann wochenlang durch die Gegend humpeln lässt. Unfreiwillige Time-outs.

Mein Kollege, ein Power-Networker und Experte im Bereich Kommunikation, entschied sich erst dann zu einem Time-out, als sein Körper deutliche Signale sendete. Ein Notfall-Time-out – und gerade noch rechtzeitig.

Diesen Blog schreibe ich normalerweise frühmorgens in einem kleinen Kaffee. Ich bin alle zwei Wochen dort, bestelle Kaffee und Brioche, nehme den Laptop auf die Knie, arbeite, bezahle und nehme anschliessend den Zug ins Büro. Heute ist es anders. Ich sitze einfach hier. Ich lese nichts und bin mir nicht mal sicher, ob ich viel denke. Ich staune darüber, wie schön ein Latte Macchiato aussehen kann und wie das Brioche immer exakt die gleiche Form hat – und wie gut es schmeckt. Die Besitzerin kam schon zweimal vorbei und fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich will «einfach nur sitzen» – genauso wie es der grosse deutsche Humorist Loriot in seinem Sketch Feierabend einst wollte. Ein bewusstes kleines Time-out.

Wie kommt es? Eine Arbeitskollegin meinte kürzlich beiläufig, dass ich müde aussehe und ob es mir nicht gut gehe. Am nächsten Morgen trete ich bewusst vor den Spiegel und erschrecke, wie recht meine Kollegin hatte. Es brauchte dazu jedoch erst einen Schubs von aussen, dass ich endlich merke, was wirklich Sache ist. Das passiert mir – und ausgerechnet in meinen Fachgebieten Resilienz und mentale Gesundheit.

Was nützt uns Employability ohne Power? Wie kann ich wissen, wohin der Weg führen soll, wenn ich ständig mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs bin? Die Antwort liegt auf der Hand. Beobachtet eure Umwelt: Wie viele leere Blicke, hängende Schultern, schleppende Schritte nehmt ihr wahr? Wie viele bewegen sich im Hamsterrad – immer noch mit einem aufgesetzten Lachen? Aber wir erkennen dazwischen auch Menschen mit Gelassenheit, die ausgeglichen, relaxed und glücklich unterwegs sind.

Schlüsselkompetenzen, die nützen

Aus meiner Sicht gibt es zwei Schlüsselkompetenzen, die unsere Employability nachhaltig sicherstellen.

Regelmässige, geplante Auszeiten

Wir fühlen uns dauernd gezwungen uns vorwärts zu bewegen, uns zu verändern. Wir rennen ständig und bewegen uns orientierungslos. Oft fehlt uns der Blick fürs Ganze, der Perspektivenwechsel. Viel zu wenig nehmen wir uns bewusste Auszeiten. Diese muss nicht lange sein. Auszeiten können wir uns täglich nehmen. Wir sollten sie aber einplanen.

So schaue ich beim Zugfahren aus dem Fenster oder plaudere mit der netten Frau gegenüber, mache einen Spaziergang im Wald, höre die Vögel und finde neue Wege. Oder «sitze einfach mal nur da».

Wer kennt sie nicht, die Kompetenz des «Nein-Sagens»?

«Genau», werden viele von euch sagen, «auch eine Schwäche von mir. Obwohl ich eigentlich sehr gut darin bin, Nein zu sagen – jedoch leider nur zu mir und nicht zu den anderen». Das macht Mut. Denn die Kompetenz scheint offenbar vorhanden zu sein. Im Coaching würde man genau hier ansetzen. Es gibt aber einen grossen Unterschied: Wir selbst verzeihen es uns immer wieder hintenanzustehen. Wir ärgern uns zwar, aber nehmen es hin. Und unser Umfeld reagiert in der Regel alles andere als euphorisch auf ein Nein. Oft wird es überhört oder nicht akzeptiert. Die Kompetenz des Nein-Sagens ist gekoppelt an Mut, Hartnäckigkeit und Gelassenheit. Es braucht Mut anzuecken, Hartnäckigkeit sich durchzusetzen, Gelassenheit mit Unverständnis umzugehen. Viel zu schnell kommt uns ein JA über die Lippen, obwohl wir eigentlich NEIN sagen wollten. Und jetzt kommt sie, die ultimative Plus-Minus-Plus Regel für das «Nein-Sagen» von meiner sehr guten Freundin Tina. Mit dieser Regel schafft ihr euch Raum und Zeit zum Nachdenken und sie schafft ein Plus an Akzeptanz beim Gegenüber.

  • Das erste Plus

Eine interessante Anfrage kommt … wir bedanken uns erstmal. «Wow, was für eine Ehre, das würde ich wirklich gerne machen. Lass mich mal in meiner Planung nachschauen.»

Es kann auch helfen sich Zeit zu schinden. «Gerade sehr ungünstig jetzt, ich melde mich gerne morgen bei dir.»

  • Das Minus

«Das tut mir jetzt leid. Ganz ungünstig. Leider habe ich genau an diesem Abend bereits einen anderen Termin», oder «Leider bin ich die nächsten Wochen total in dem einen Projekt eingebunden.»

  • Das zweite Plus

Es dient dazu, die Türe nicht zuzumachen: «Hey, aber komme doch sehr gerne bei einem spannenden Projekt wieder auf mich zu.»

Das Nein-Sagen öffnet viel Raum für uns selbst, unsere Energie und sichert die Nachhaltigkeit.

Ich möchte euch dazu ermutigen, die Kompetenzen des bewussten Time-outs und des «Nein-Sagens» zu stärken und konsequent anzuwenden. Es kann eure Perspektiven verändern, euch Energie bringen und so wirklich zum Booster für eine nachhaltige Employability werden. Ich wünsche mir von allen anderen, die diesen Blog mit Stirnrunzeln lesen, Verständnis dafür, dass es Pausen braucht. Vor allem aber sollen Neins in Zukunft mehr gehört, respektiert und gerne auch mal gewürdigt werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert