«Safe return doubtful»: Sir Ernest Shackleton im Personalmarketing

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HR-StrategieWie wäre es, wenn wir uns beim nächsten Marketing- oder Strategietext ganz fest vornehmen, Floskeln und Überflüssiges wegzulassen?

Vor ein paar Tagen bin ich mal wieder auf die berühmte Stellenanzeige von Sir Ernest Shackleton gestossen, die er bei der Suche nach einer Crew für seine Expedition zum Südpol in den Londoner Times aufgegeben haben soll:

«Men wanted for hazardous journey. Low wages, bitter cold, long hours of complete darkness. Safe return doubtful. Honour and recognition in event of success.»

Auch wenn bis heute nicht zweifelsfrei erwiesen ist, dass diese Anzeige damals genau so erschienen war, erhielt Shackleton damals Hunderte von Bewerbungen aus aller Welt. Ich habe mich gefragt, wie viele Bewerber sich heute auf so eine Stellenanzeige melden würden. Wie würde es bei der Zielgruppe ankommen, wenn eine Firma beispielsweise schreiben würde: «Mitarbeitende gesucht für eine risikoreiche Restrukturierung. Niedrige Grundlöhne ohne realistische Bonusaussichten, kein eigener Arbeitsplatz, lange Arbeitszeiten, erfolgreicher Abschluss der Restrukturierung noch unsicher, aber grosses Lob und viel Wertschätzung, wenn das Projekt erfolgreich ist.»

Niemand würde ein möglichst tiefes Engagement fordern

Die Anzeige wäre heute vielleicht nicht sehr erfolgreich, aber sie wäre ehrlicher als manches, was man sonst so liest im Personalmarketing. Wie wäre es, wenn wir uns beim nächsten Marketing- oder Strategietext einmal ganz fest vornehmen, Floskeln und Überflüssiges wegzulassen? In einer Weiterbildung vor vielen Jahren an der Wirtschaftshochschule Insead habe ich gelernt, dass Aussagen nur dann wirklich relevant sind, wenn auch das Gegenteil möglich und sinnvoll wäre.

Wenn wir zum Beispiel in einem Anforderungsprofil etwas schreiben von hohem Engagement, wäre das irrelevant, denn niemand würde ein möglichst tiefes Engagement fordern. Genauso wenig Bestand hätte zum Beispiel das beliebte Kriterium der Teamfähigkeit, denn kaum ein Arbeitgeber würde ausdrücklich nach nicht teamfähigen Kandidaten suchen. Etwas Anderes wäre es mit der Ausprägung der Detailorientierung, denn anstelle von detailorientierten Spezialisten könnte man ja durchaus auch nach Generalisten suchen, die sich am Überblick ausrichten.

Was bleibt, wenn wir Floskeln und Überflüssiges weglassen?

Wenn wir uns vornehmen, Floskeln und ohnehin Selbstverständliches wie Kundenorientierung aus den Anforderungsprofilen zu streichen, haben wir zwar noch nicht das Shackleton-Niveau an Ehrlichkeit erreicht, aber wir haben das Profil deutlich geschärft und erkennbar gemacht, was uns von anderen Arbeitgebern unterscheidet.

Das gleiche Thema gilt auch für die üblichen Strategiepapiere. Eine bestmögliche Unterstützung des Linienmanagements hätte nach den Insead-Regeln dort nichts verloren, denn niemand würde als strategisches Ziel formulieren, die Linie möglichst wenig zu unterstützen. Oder die strategische Aussage, man wolle als Arbeitgeber attraktiv sein für die besten Kandidatinnen und Kandidaten, wäre nicht zulässig, weil auch hier die gegenteilige Aussage sinnlos wäre.

Wer sich mal die eigene HR-Strategie vornimmt und nach dieser Regel alles aussortiert, was nicht selbstverständlich und für alle anderen Arbeitgeber ebenso anwendbar wäre, wird vermutlich eine Überraschung erleben. Aber nach Abschluss der Übung bleibt hoffentlich eine klare Strategie übrig, die das eigene Unternehmen scharf profiliert und damit erfolgreicher macht auf dem Arbeitsmarkt.

2 comments for “«Safe return doubtful»: Sir Ernest Shackleton im Personalmarketing

  1. Olivia Oeschger
    1. Juni 2018 um 9:56

    Man könnte auch sagen, dass es mit Kundenorientierung zu tun hat, wenn so getextet würde, dass die Message ohne Umschweife verstanden wird.;)

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