Karriere in der Krise

Armin Ziesemer KarriereDie Arbeitswelt steht vor massiven Umbrüchen. Arbeitnehmende müssen sich absichern und Unternehmen sind gefordert, Verantwortung für langfristige Karrieren zu übernehmen – oder beide riskieren ihre Existenz. Warum Career Cushioning und mangelnde Diversity Wachstum verhindern, erklärt Blogger Armin Ziesemer.

Wer seine Karriereentwicklung allein auf die Sicherheit eines Arbeitgebers stützt, könnte morgen mit leeren Händen dastehen. Globale Konflikte, Ängste und technologische Umwälzungen verwandeln den Arbeitsmarkt in eine unberechenbare Landschaft.

Zwei Trends gilt es zu berücksichtigen, um erfolgreich zu bleiben: Career Cushioning intern erkennen zu lernen und das Diversity-Paradox zu überwinden.

Career Cushioning: Der neue Survival-Instinkt

Geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Turbulenzen, der anhaltende Krieg in der Ukraine und reale oder drohende Entlassungswellen beeinflussen den Arbeitsmarkt in einem seit Jahrzehnten nicht bekannten Ausmass. Wer nicht aktiv handelt, riskiert, von der nächsten Welle der Arbeitsmarktveränderungen erfasst zu werden.

Wer 2008 während der Finanzkrise oder in der Pandemie 2020 die Arbeitsstelle verloren hat, weiss: Vermeintlich sichere Jobs können rasch wegbrechen. Aktuell ist es anders. Wirtschaftliche Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten werden nicht temporär wahrgenommen. Sie sind der Normalzustand. Es herrscht innere Dauerkrise mit hohen Anforderungen an die individuelle und organisationale Resilienz. Das verstärkt opportunistisches Handeln. Aus Unsicherheit und Angst wird Career Cushioning geboren.

Damit ist die Strategie gemeint, sich frühzeitig, möglicherweise grundlos, berufliche Alternativen zu schaffen, um bei der nächsten Krise nicht ins Bodenlose zu fallen.

Career Cushioning bedeutet,

  • sich aus Verlustangst ein Netzwerk aufzubauen,
  • durch Kontrollgedanken geleitet Weiterbildungen zu absolvieren,
  • ein zweites Standbein zum Schutz des Selbstwertes aufzubauen und
  • sich auf die Loyalität des Arbeitgebers unbestätigt nicht zu verlassen.

Diese Anstrengungen können als Illoyalität, Karriereflucht oder innere Kündigung missinterpretiert werden. Das ist es nicht. Es ist ein natürliches Stress- und Anpassungsverhalten. Deshalb ist es die Aufgabe des Arbeitgebers, diese Phänomene zu erkennen und gemeinsam nach entlastenden, zukunftstauglichen Wegen zu suchen.

Dazu gehört, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die auf eine langfristige, krisenresistente Basis ausgerichtet ist. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden als austauschbare Ressource betrachten, werden die Chance verpassen, ihre Arbeitgeberattraktivität durch Transparenz und echte Perspektiven zu erhöhen und rare Fachkräfte verlieren.

Diversity: eine natürliche Überlebensstrategie

Vielfalt bleibt trotz politischer und ideologischer Gegenbewegungen eine gesellschaftliche Realität. Mehr noch: Während Unternehmen um Fachkräfte ringen, kämpfen sie gleichzeitig damit, dass Vielfalt eine strategische Überlebensfrage ist. Allen Entwicklungen bei Konzernen wie Google, Meta, Amazon, Harley Davidson und weiteren zum Trotz: Vielfalt bleibt eine gesellschaftliche Realität.

Während Diversity Unternehmen als politischen Spielball beschäftigt, zeigt es die Natur seit jeher: Wer sich in Krisenzeiten mehr Lösungsoptionen schaffen kann, lernt schneller, ist effektiver und am Ende agiler und resilienter.

Wer Diversity nur in guten Zeiten als Etikette für das Employer Branding bewertet, aber für Krisenzeiten keine Perspektivenvielfalt durch Kooperationskapital angehäuft hat, bewegt sich auf dünnem Eis. Dasselbe gilt für Führungskräfte, die Monokulturen, und damit geistige Verarmung, in ihren Teams züchten. Viele Studien zeigen: Diverse Teams sind innovativer, produktiver und anpassungsfähiger.

Spätestens jetzt, in einer Zeit permanenter Disruption, können Unternehmen es sich nicht mehr leisten, auf eine vielfältige Belegschaft zu verzichten. Es kommt auf jede und jeden an und darauf, wie wir miteinander gemeinsam Arbeit gestalten.

Die Verantwortung liegt also nicht nur bei den Arbeitnehmern, sich an unsichere Zeiten anzupassen, sondern vor allem bei den Unternehmen, eine Kultur zu schaffen, in der Vielfalt und gelingende Inklusion gefördert wird. Wer in Diversity investiert, investiert in die Zukunft des Unternehmens.

Alle in die Verantwortung: Karrieren transparent entwickeln

Die Spielregeln des Arbeitsmarktes ändern sich unvorhersehbar. Wer nicht bereit ist, mutig zu handeln, Alternativen zu prüfen und sich gegen herrschende oder drohende Unsicherheiten abzusichern, wird möglicherweise existenziell herausgefordert werden. Das erhöht den Druck und fordert ein neues Gemeinschaftsdenken.

Wer bisher Employer Branding und Diversity als HR-Marketingetikette verkaufte, muss sich nicht wundern, wenn in der Krise der Lack abgeht.

Career Cushioning als Schutzmechanismus ist keine Option, sondern Pflicht. Doch soll das den Arbeitnehmenden nicht allein überlassen werden. Arbeitgeber, die sich den Sorgen ihrer Mitarbeitenden nicht annehmen, riskieren nicht nur den Verlust talentierter Mitarbeitender, sondern auch ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit.

Unternehmen sollten gerade jetzt in Weiterbildungen ihres Personals investieren, klare Karrierepfade aufzeigen und lebensnahe Diversity-Strategien umsetzen. Denn die Zukunft gehört denen, die vielfältige Perspektiven teilen und gemeinsam nach einer sicheren Basis streben.

Das gilt für Unternehmen wie für Arbeitnehmende.

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