Unternehmen investieren viel Zeit und Geld in Employer-Branding-Kampagnen. Holen sich (Marketing-) Spezialisten ins Haus, die das Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt besser positionieren sollen. Dies um im Kampf um die Talente – wie im Produkt- und Dienstleistungs-Wettbewerb – Vorteile zu erarbeiten. Aber mal ehrlich: Was nützt die beste Kampagne, wenn wir nicht leben, was wir predigen?
Wenn Sie mir bis hierhin zustimmen, folgende Frage: Spiegelt Ihr Employer Branding wirklich Ihre einzigartige Kultur als Arbeitgeber wieder? Haben Sie tatsächlich eine Kultur und was macht sie aus? Woher kommt sie? Leben Inhaber und CEO sie vor? Verhalten sich die Führungskräfte entsprechend und weiss jeder, was die zentralen Werte sind?
Ich vermute grosses Potential in diesem Bereich – für alle HR-Abteilungen. Allerdings ist es eine eigene Disziplin, nicht nur «klassisches Marketing» für Arbeitgeber. Und alles andere als einfach. Personalleiter und Verantwortliche müssten sich in Strategie auskennen und die Inhaber und CEOs entsprechend herausfordern. Lassen sich diese tatsächlich darauf ein? Im Arbeitsalltag sieht die Situation oft anders aus. Denn Employer Branding und die gelebte Unternehmenskultur sind oft nicht dasselbe.
Jede Firma hat eine Kultur. Kultur ist übrigens das Gegenteil von Natur (von Aussen gegeben), nämlich das, was die Menschen – in unserem Fall in der Firma – kreieren. Und hier stellt sich die zentrale Frage: Wie ist diese Kultur, der Culture Code Ihrer Firma? Kommunizieren Sie den Sollzustand anstelle der Wirklichkeit?
Sind Sie nicht authentisch erreichen Sie damit genau das Gegenteil, von dem was Sie möchten. Sie erreichen Kandidaten, die nicht wirklich zu Ihnen passen. Wir glauben wir können unsere Kultur über statische Webseiten, clever getextete Statements und strahlende Testimonials – meist durch Führungskräfte – nach aussen tragen und so Fachkräfte gewinnen, die hoch motiviert und mit genau derselben Einstellung in unser Unternehmen kommen. Wenn genau diese Mitarbeiter das Unternehmen aber nach kurzer Zeit wieder verlassen (oft sind es junge Fachkräfte), sind wir erstaunt oder sagen gar «Junge Fachkräfte? Typische Karriere- und Jobhopper!».
Ich stelle eine Gegenbehauptung auf: Auch junge und sogar hochtalentierte Fachkräfte bleiben in der Firma – wenn sie das «wozu» kennen. Wenn sie sich als Teil einer Gemeinschaft und eines Zweckes sehen. Als Stütze meiner Theorie empfehle ich jeder Führungskraft und jeder Person im HR das Buch «the culture code» von Daniel Coyle. Und zwar nicht die Kurzversion…
Klar ist: Employer Branding (Arbeitgeber-Marketing) und die gelebte Kultur mit den entsprechenden Rahmenbedingungen des Arbeitgebers, weichen oft voneinander ab. Je kleiner die Abweichung, desto erfolgreicher gewinnen und behalten sie (junge) Mitarbeiter. Denn eines ist sicher: Für potenzielle Bewerber und Ihre Mitarbeiter zählt ausschliesslich die tatsächliche, gelebte Kultur. In einem Wettbewerbsmarkt, wo die Mitarbeiter Mangelware sind, entscheiden sich Talente zwar für ein Jobprofil, viel mehr aber noch für oder gegen ein Unternehmen. Die wichtigsten Fragen, die ich von jungen Fachkräften (16-35-Jährige) diesbezüglich täglich höre, sind:
- Welche Werte lebt die Firma? Wozu werden Produkte und Dienstleistungen erbracht, bzw. wer hat etwas davon?
- «Do they (= Staff) walk the talk?» Leben Führungskräfte und Mitarbeiter das, was nach Aussen kommuniziert wird?
- Was ist das Besondere? Ist das so anders als in anderen Firmen? Welche Vorteile ergeben sich daraus für mich? Gibt es dazu authentische Testimonials (Videos, Interviews, Begegnungen), die das bezeugen?
- Was kann ich nicht nur als Fachkraft, sondern auch als Mensch beitragen? Wie machen sie das bis jetzt? Welche Beispiele gibt es dafür?
- Meinen sie es wirklich gut mit mir als Arbeitskraft oder ist die Loyalität am Ende doch nicht so hoch?
Es gibt Firmen und Chefs, die wollen einfach nur die Besten einstellen. Aber welches sind die besten Mitarbeiter? Dazu gibt es viele Studien. Am Ende zählt der Output. Der Output über eine längere Zeit. Wenn sie dies wollen, müssen sie Culture Code und Employer Branding sehr ernst nehmen. Sie müssen viel investieren, bevor Sie Resultate ernten. Aber es lohnt sich. Denn nur wenn Mitarbeiter wirklich zu Ihrem Unternehmen passen, werden aus Mitarbeitern auch Mitunternehmer.
Zum Schluss noch ein Hinweis auf ein Buch/Studie: Jim Collins (From good to great) stellt zwei Fragen: Right people in the bus? (Culture) – Right people on the right seat? (Skills)
Wie sieht das bei Ihnen aus?
Hab oft den Eindruck, dass Employer-Branding-Spezialisten ins Haus geholt werden, die viel Zeit in die Rechereche, Markenentwicklung usw. stecken und das ganze Budget verbrauchen, so dass am Ende nichts mehr da ist um überhaupt etwas zu produzieren. Es steht vielleicht ein Konzept, aber kein Geld mehr um Videos, Testimonials usw. zu drehen. Auch die Geldverteilung ist oft merkwürdig. Da erreicht man mehr mit guten Mitarbeitenden und Video-Testimonials, an denen kein Employer-Branding-Spezialist dran war.
Auch ist so manches Employer Branding viel zu kopflastig, zu theoretisch aufgebaut.
Ich möchte den Blickwinkel gerne erweitern: Employer Branding als alleiniger Ansatzpunkt ist mir zu kurz gefasst. In diesem Punkt stimme ich Ihnen zu: Wenn die Authentizität im Firmenalltag fehlt, ist der Aufwand umsonst.
Dennoch: Kombiniert man Employer Branding gemeinsam mit einem LEADERSHIP BRAND und kommuniziert INTERN was konkret erwartet wird, gibt Beispiele und lässt alle Mitarbeiter erleben, wie das richtige Verhalten aussieht, wird sich die gesamte Organisation in die gewünschte Richtung bewegen.
Mit «Phrasendrescherei» hat erfolgloses Employer Branding aus meiner Sicht wenig zu tun, sondern mit mangelnder interner Kommunikation und daraus resultierenden zu grossen Interpretationsspielräumen für alle Mitarbeiter.
Was ist, wenn ein neuer CE0 die bestehende Firmenkultur ausmerzt? Und sich die Mitarbeitenden vordergründig loyal zeigen, aber hinten rum wettern? Einfach «nur» noch ihren Job machen, weil sie ihn nicht verlieren wollen?
Ein sehr guter Beitrag, der das Wesentliche zum Employer Branding auf den Punkt bringt. Es kann nur erfolgreich sein mit Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, da die Marke eines Unternehmens immer auch ein Wertversprechen darstellt, welches, wenn es nicht eingehalten wird, nicht nur als gebrochen, sondern sogar als kontraproduktiv betrachtet wird.
Employer Branding ist also nicht einfach ein Marketinginstrument, welches mit ehernen Absichtserklärungen und Hochglanzbroschüren aufgepeppt werden soll, sondern muss von wahrhaftigen Inhalten, sprich Führungskräften und einem Management getragen und gelebt werden, welche die abgegebenen Versprechen tagein tagaus einhalten und unter Beweis stellen. Tun sie dies konsequent, braucht Employer Branding gar kein Brand-Marketing mehr.
«Denn Employer Branding und die gelebte Unternehmenskultur sind oft nicht dasselbe» – dann ist es kein Employer Branding, sondern Personalwerbung.
Branding bedeutet immer (egal ob Employer oder Company) die Identität, die Zielgruppe und den Wettbewerb zu betrachten.
Die Betrachtung der Identität sorgt für authentische Marken.
Die Betrachtung der Zielgruppe sorgt für attraktive Marken.
Und die Betrachtung des Wettbewerbs für Differenzierung.
Letzteres ist beim Employer Branding selten möglich, aber beim «normalen» Branding essentiell. Also wer die Kultur beim Employer Branding nicht betrachtet, kann kein Branding. Das Resultat sind nur «Superhelden Gesucht» oder Testimonal-Kampagnen…keine Employer Brand.
Danke Herr Casty, ich stimme voll zu.
Selbst das professionellste Employer Branding kann eine schlechte und unattraktive Unternehmens- und Führungskultur nur kurzfristig überspielen. Also zuerst die Organisations- und v.a. Führungskultur verbessern.
Würde sogar meinen, dass in diessem Fall ein Employer Branding die Realität nicht überspielen kann, sondern sich in das Gegenteil kehrt und grössten Schaden anrichtet. Weil es dann nämlich als Lüge Phrasendrescherei erkannt und durchschaut wird.