Differenzierung, kännsch?!?

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Blogger-Vignette-13_BlogUiuiui, welch lauter Titel. Was mich da wohl wieder gebissen hat? Richtig: Ich habe gerade das Bedürfnis, mir Luft zu verschaffen, etwas Dampf abzulassen. Bloss die Emotionen kontrollieren, sonst kommt’s nicht gut.

«Warum bloss?», frage ich mich immer und immer wieder. Es gehört zu meinen Routineaufgaben als Unternehmensberater, die Auftritte von Unternehmen zu studieren. Meist die Stellenanzeigen und die Karriereseite, sofern denn vorhanden. Mehr gibt’s oft nicht. Vielleicht noch ein belangloses Xing- oder Linkedin-Profil. Und ja: Ich spreche nicht von den Multis. Die spielen bezüglich HR-Kommunikationskanalmanagement (uff …) oftmals in einer anderen Liga. Erstaunlicherweise aber nicht, wenn es um das eigentliche Thema meines Beitrages geht: DIE DIFFERENZIERUNG.

Echt jetzt: Das kann’s nicht sein. Lesen Sie eigentlich, was Sie schreiben? Prüft das jemand? Was soll da beim Rezipienten ankommen? Wenn ich im Consumer Marketing so kommunizieren würde, wäre ich meinen Job noch vor der Probezeit los. Wieso? Weil ich die kommunikativen und die businessrelevanten Grundlagen schlichtweg ignoriere. Meine Produkte oder Dienstleistungen haben keine Existenzberechtigung, wenn ich sie nicht «vernünftig» am Markt positioniere. Wenn ich das Gleiche erzähle wie alle anderen (schon mal von einer Me-too-Strategie gehört?), gehe ich unter. Ausser ich bin viel billiger. Bleibt also, sich über Leistung oder Qualität zu positionieren. Und hier beginnt sich die Katze in den Schwanz zu beissen: Sie erzählen alle dasselbe. Hier ein bisschen Work-Life-Balance, da ein wenig Diversity, gewürzt mit ach so tollen Entwicklungsmöglichkeiten und abgeschmeckt mit einer Prise Home Office. Und dieses Angebot möchten Sie tatsächlich dem Kandidaten schmackhaft machen?

Das Schlimme ist: In meiner Dozententätigkeit im Bereich Personalmarketing bin ich sogar angewiesen, meinen SchülerInnen ebendiese Grundlagen beizubringen. Etwas Stellenbeschreibung, ein wenig Anforderungsprofil und noch etwas «über uns». Fertig ist der Einheitsbrei. Weil, wenn man dies nicht weiss, gibt’s kein Diplom. Aha.

So entstehen Muster, die dem Kandidaten zwar Vergleichbarkeit ermöglichen und die HR etwas geben, an dem es sich festhalten kann – zielführend ist das aber leider nicht, weil so alle Anforderungen gleich klingen und die Stellenbeschreibung meistens logisch für das gesuchte Profil ist. Über die Beschreibung des Arbeitgebers hülle ich mich hier in vornehmes Schweigen. Hier gäbe es Platz für Differenzierung. Über Darstellung von Kultur, Emotion, Identität. Aber eben. SO kann der Kandidat die wahren und wichtigen Inhalte nicht erkennen. Und bewirbt sich entweder aus schierer Not, weil er einen guten Eindruck der Produkt- oder Corporate Brand hat oder weil er jemanden kennt, der Gutes erzählt.

Was also tun?

Kann man Kreativität lernen? Sicher. Vielmehr scheint es mir aber wichtig zu sein, Mut zu beweisen. Mut zum anders sein. Gelerntes über Bord werfen. «Was sagt bloss die Linie?» oder «Das findet mein Chef sicher nicht lässig»-Gedanken können Sie ruhig zulassen. Dann aber gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten, dass es auch andere Wege geben kann – nein: geben muss!

Bitte helfen Sie mir, indem Sie meine Routinearbeit des Beobachtens künftig mit Schmunzlern, Aha-Effekten und Wow-Äusserungen bereichern. Ich bin Ihnen dankbar. Und die Kandidaten sowieso.

10 comments for “Differenzierung, kännsch?!?

  1. 18. November 2016 um 13:29

    Ja, es hapert an der Individualität. Angewandt wird, was bekannt ist und funktioniert.

    Zeigt auch eine Universum-Studie:
    https://www.hrtoday.ch/de/article/employer-branding-weltweit-es-hapert-bei-der-individualitaet

    • 18. November 2016 um 14:38

      Grüezi Frau Senecky
      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Die Frage, ob das Bekannte weiterhin so funktionieren wird, bleibt offen. Diverse weitere Einflussfaktoren spielen natürlich eine Rolle. Fakt ist: man tut gut daran, sich über Differenzierung mehr als nur Gedanken zu machen. Und mit einem „Pimpen“ der Stellenanzeige ist es alleine noch nicht getan…

      Viele Grüsse
      Michel Ganouchi

  2. Christophe Truchet
    18. November 2016 um 12:33

    Ciao Michel, danke für den spannenden Artikel.
    Aus meiner Sicht sind zwei Begriffe massgebend: Transparenz und Authentizität. Heute spüren die Leute die wahre Kultur eines Unternehmens viel besser als früher. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Firmen so auftreten wie sie auch wirklich sind.
    Es gibt nichts Schlimmeres als eine Bude, die gegen aussen einen auf kreativ macht und jeder merkt, dass es aufgesetzt ist.

    Ich würde es mal so in einer hochwissenschaftliche Formel zusammenfassen:
    Coole Unternehmenskultur = Cooler Arbeitgeberauftritt
    Langweilige Unternehmenskultur = Langweiliger Arbeitgeberauftritt

    In Zukunft werden diejenigen Unternehmen erfolgreich sein (nicht nur in der Rekrutierung), die eine offene Unternehmenskultur pflegen und diese gegen aussen transparent erfahrbar machen.

    • 18. November 2016 um 13:33

      Ciao Christoph
      Freut mich, dass du meinen Beitrag gelesen hast. Und ich stimme dir zu, dass die Differenzierung nur über authentische identitätsbasierte Darstellung gegen innen und aussen funktionieren kann. Alles andere ist entweder nicht glaubwürdig oder ansonsten austauschbar.
      Und trotzdem wird es ziemlich sicher erfolgreiche Firmen geben, die sich nicht an dieses Prinzip halten. Eine gut positionierte Produkt- oder Consumer Brand hilft da gewaltig.

      Cheers
      Michel

  3. 17. November 2016 um 14:16

    Alles schön und gut. Aber, wenn die Linie, GL oder sonst jemand sich regelrecht weigert, neue Ideen fliessen zu lassen, da kann ein HR auch nichts tun. Ideen werden gestoppt und getadelt, wieder in die alte Form zu kriechen. Veraltete Methoden sind „in“, weil der Entscheider halt mal von der alten Schule ist. Manchmal frage ich mich, wieso Fachkräfte angeheuert werden, wenn sie nicht arbeiten dürfen, wie sie es eben können: frisch, neu und anders! Aber nein, die Flamme und die Eifer werden schnell gedämpft. Schade!

    • Momo
      17. November 2016 um 16:20

      das kenne ich auch, aber haben Sie auch schon die Kandidaten gefragt? die suchen nicht eine „originelle“ Annonce, sondern ein spannender Job in einem modernen Umfeld.

      Ein Verkäufer bleibt ein Verkäufer, auch wenn ich den Job kreativ beschreibe. Das Unternehmen und seine Personalpolitik beginnt also ganz oben, in der Strategie. Hebt sich diese überdurchschnittlich von den Mitbewerbern ab, dann kann ich als HR entsprechend kommunizieren.

      • 18. November 2016 um 8:08

        Vielen Dank für Ihren Kommentar
        Richtig, Differenzierung ist ein strategisches Element im Positionierungsprozess. Wir sprechen aber nicht vom Produkt oder der Dienstleistung, sondern von der Arbeitgebermarke. Diese soll sich strategisch auf dem Markt differenzieren. Daraus abgeleitet entstehen zielgruppengerechte Botschaften, die dann irgendwann auch in Stellenanzeigen zu lesen sein werden.
        Die Kandidaten suchen einen für sie möglichst relevanten Job. Relevanz wird aber durch Inhalt vermittelt und nicht durch austauschbare Floskeln. Eine bestmögliche Passung von Kandidaten zum Unternehmen kann durchaus über bessere Inhalte ermöglicht werden. Ganz im Sinn von „Cultural Fit“.

        Viele Grüsse
        Michel Ganouchi

    • 18. November 2016 um 8:04

      Vielen Dank für Ihren Kommentar
      Ich bin mit Ihnen einig: die Linie und das Management verhindern oftmals gute HR-Ideen und halten an Gelerntem fest. Da hilft nur Beharrlichkeit, Überzeugungskraft und Charme…
      Viele Grüsse
      Michel Ganouchi

  4. 17. November 2016 um 13:36

    Um ein tadelloses Schaf einer Schafherde zu sein, muss man vor allem ein Schaf sein.
    Um ein tadelloses Schaf einer Schafherde zu sein, muss man vor allem ein Schaf sein. (Albert Einstein)
    Uniform Uniform uniform, was gibt es Schönes an der Norm?
    Strukturieren und anpassen
    Ja nichts Ungewöhnliches geschehen lassen
    Nur ja kein Mut zur Lücke zeigen
    Im Gärtchen denken und besser schweigen
    Kreattivität muss nicht mehr sein
    Menschlichkeit ist nur noch schein
    Eitsch Ar Tudei, so ist es Heute
    da brauchts nicht mehr innovative Leute

    • 18. November 2016 um 8:12

      Vielen Dank für Ihren Kommentar

      „Gut geblökt“, bin ich geneigt zu sagen. Aber nicht ganz einverstanden. Natürlich braucht es im HR innovative Leute. Eben genau dazu, um die selten zielführende Uniformität zu durchbrechen. Und für vieles andere ebenfalls.

      Viele Grüsse
      Michel Ganouchi

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