Das Social Office wird Realität

Future WorkDie Pandemie hat die Arbeit und Zusammenarbeit in vielen Organisationen unumkehrbar verändert. Das Büro bleibt auch in Zukunft wichtig, aber es bekommt eine neue Funktion.

Das Zitat von Chris Flink «Space is the body language of an organization.» (zitiert in Amstutz & Schwehr 2016) beflügelt mich schon seit längerer Zeit. In den letzten Monaten haben sich viele Organisation enorm gewandelt, teilweise temporär, teilweise unumkehrbar. Dass sich damit auch unsere Vorstellung von Arbeitsräumen verändert, liegt auf der Hand. Letzte Woche hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen der SGO Community of Practice «Neue Arbeitswelten» das neue Club Office von Vitra zu erleben. Ich war extrem gespannt auf ihre Vorstellung des Post-Covid-Büros. Ist es denn wirklich ganz anders als unsere Vorstellung des Büros vor der Pandemie? Sind offene Raumstrukturen und activity based working nun vielleicht schon wieder vorbei? Hold your horses back… so einfach ist es nicht.

Was bleibt vom alten neuen Büro?

Unverändert wichtig ist das Bedürfnis nach Flexibilität – in einem dynamischen Umfeld brauchen Organisationen Räume, die mitwachsen, die multifunktional sind und die von den Benutzern selbst laufend angepasst werden können. Ein erst vor kurzem realisiertes Projekt, das diese Anforderung hervorragend löst, ist der von Hürlemann Architekten entworfene neue Hauptsitz «Implenia Connect». Mit dem poetischen Namen «Dancing Office» wurden Arbeitsräume geschaffen, die in Bewegung bleiben. Ebenfalls unverändert ist das Bedürfnis nach unterschiedlichen Zonen und Atmosphären die zwischen den Extrempolen «Konzentration und Kollaboration» alle Nuancen abdecken und individuelle Bedürfnisse berücksichtigen.

Der wesentlichste Unterschied zwischen prä- und post-Covid ist, dass sich die Büros der Neuzeit die Anwesenheit der Mitarbeitenden verdienen müssen. Anders gesagt müssen sie so einladend sein, dass sie eine Sogwirkung entfalten, wenn nicht gar Sehnsüchte und Heimatgefühle wecken. Denn genau hier liegt der Unterschied: Die Zeiten, in denen das Büro «per default» als Arbeitsort gesetzt war, sind vorbei. Heute überlegen sich die Mitarbeitenden bewusst, wofür es sich lohnt, ins Büro zu gehen. Etwas vereinfacht gesagt lohnt sich der Gang oder die Fahrt ins Büro nur, wenn ich dort mehr erlebe, als wenn ich nicht hingegangen wäre.

Der Gemeinschaft ein Zuhause geben

Kommen wir zurück zur Vision des Club Office, die Vitra wie folgt beschreibt: «Derzeit kommt man nicht ins Büro, um für sich allein konzentriert zu arbeiten. Man kommt, um sich als Teil eines grossen Ganzen zu fühlen, um Kollegen zu treffen, um sich neues Wissen anzueignen und um neue Erfahrungen zu machen.» Die materialisierten Gedanken des Vitra Showcase haben mich sehr angesprochen – vor allem wenn man sie als Ergänzung zu bestehenden Arbeitsszenarien versteht. Im Prinzip geht es darum, Büros eine Seele zu verleihen, indem man Community Zonen schafft, die zum Verweilen und Vernetzen einladen.

Die Auseinandersetzung mit dem Club Office hat mich in meine Zeit bei Microsoft zurückversetzt: Eines Nachts oder fast schon Morgens, sass ich frustriert am Laptop Zuhause und ärgerte mich über mich selber. Schon wieder hatte ich enorm viel Zeit in unserem Café verbracht und quasi mit jedem Kollegen gesprochen, der gerade vorbeilief. Und natürlich blieben dann meine Dinge liegen, die ich zum Ende des Tages noch hätte erledigen sollen. Mit etwas mehr Distanz und Schlaf merkte ich aber, dass das keineswegs (oder sagen wir mal nicht nur) mangelnde Disziplin war, sondern eigentlich ein sehr sinnvolles Verhalten, insbesondere für meine damalige Rolle, in der eine gesunde Vernetzung enorm wichtig war. Mit meinem Verhalten lebte ich unbewusst die Vision des «Social Office», die unser Projektteam gemeinsam mit dem Architekten Nick Arn und seinem Team 2010 entwickelt hatte. Das wichtigste Novum war, dass ein Drittel der ganzen Gebäudefläche als offene Community Zone gebaut war, in welcher sich nicht nur Interne aus unterschiedlichen Abteilungen mischten, sondern auch Externe.

Genau das ist der Hauptzweck von Büros: Begegnungen mit Internen und Externen fördern. Dabei geht es nicht nur um funktionale Qualitäten, sondern auch um Muse und Inspiration. Wenn wir Gäste durchs Gebäude führten, war einer der häufigsten Kommentare: «Man weiss gar nicht so recht, ob die Leute arbeiten oder sich über Privates unterhalten». Besonders erstaunt waren viele über unsere extravaganten Kaffeemaschinen, die mehr kosteten als manch ein Auto. «Wie könnt ihr es euch leisten, solchen Kaffee gratis anzubieten?» Meine Antwort war dann immer etwas schmunzelnd: «Wir können uns schlechten Kaffee nicht leisten.»

Warum ich diese Episoden aufwärme? Weil jede Organisation die Möglichkeit hat, ohne bauliche Eingriffe ein Club Office beziehungsweise Social Office zu realisieren. Indem man sich Gedanken zu folgenden Fragen macht:

  • Was motiviert Mitarbeitende ins Büro zu kommen?
  • Wie gelingt es uns, die Gemeinschaft bewusst zu pflegen?
  • Welche Art von Erlebnissen fördern die Bindung unter den Mitarbeitenden und zum Unternehmen?
  • Wie signalisieren wir, dass Austausch und Vernetzung geschätzt und gewünscht werden?
  • Wie sieht ein Arbeitstag aus den Augen der Mitarbeitenden betrachtet aus und wo gäbe es Ansatzpunkte, diesen Alltag zu verbessern?
  • Wie stellen wir eine gesunde Balance zwischen individueller Autonomie und gelebter Solidarität sicher?

Diese Fragen richten sich nicht nur an die Unternehmensleitung und die Führungskräfte, die neuen Community Manager. Ein Club lebt von Mitgliedern, die eine aktive Rolle spielen und für die anderen Club-Mitglieder einen Mehrwert darstellen. Denn in der Post-Covid-Arbeitswelt lautet das Matthäus Prinzip neu: «Wer gibt, dem wird gegeben.» Das gilt nicht nur in Bezug auf Flexibilität, sondern gleichermassen für Vertrauen, Wertschätzung und Wohlwollen.

2 comments for “Das Social Office wird Realität

  1. Stephan Aebersold
    7. Oktober 2021 um 9:03

    Ich würde den Artikel noch einmal redigieren lassen: Das Adjektiv süffisant bedeutet «herablassend» oder «selbstgefällig». Es beschreibt die genüssliche Demonstration der eigenen, meist intellektuellen, Überlegenheit.

    • Barbara Josef
      8. Oktober 2021 um 9:02

      Vielen Dank fürs Feedback lieber Stephan. Guter Punkt, vielleicht wäre «schmunzelnd» die bessere Wortwahl. Passen wir gerne an. Ich habe beim Googeln gesehen, dass du ja in ähnlichen Themenfeldern unterwegs bist. Umso mehr würde mich deine Meinung zum Inhalt sehr interessieren.

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