Markus Marthaler

Markus Marthaler, ehemals HR Direktor- und Vicepresident, unterstützt aktuell im unternehmerischen als auch persönlichen Bereich VR / CEO's in kulturellen Entwicklungsprozessen. Als Notfallpsychologe leistet er Einsätze in verschiedenen Kriseninterventions-Teams und begleitet zudem Projekte im Rahmen von Change Prozessen. Er ist Autor verschiedener Sachbücher und Inhaber der Firma Marthaler-Partner GmbH.


Unternehmenskultur: Viel heisse Luft

Sind Sie mutig? Sind Sie innovativ? Das waren meine beiden ersten Fragen, bevor ich zusagte, als externer Begleiter bei einer internen Tagung zusammen mit der Geschäftsleitung die Session «Förderung der Unternehmenskultur» zu moderieren.

Ich war skeptisch. Mir ist klar, dass das Thema Unternehmenskultur weder gelehrt noch befohlen werden kann. In einigen Chefetagen ist mindestens theoretisch angekommen, dass die Werthaltung und der tägliche Umgang miteinander in einem direkten Zusammenhang mit der Motivation der Mitarbeitenden stehen.

Assessment – und ich sage dir wer du bist

«Jakob Dreher, der dritte Kandidat, ist für mich nach den Interviews der Top-Favorit.» Felix Spycher, der Abteilungsleiter, lehnt sich zufrieden zurück. Details werden abgestimmt und die HR-Beraterin leitet die nächsten Massnahmen ein.

Wenig später entscheidet die Geschäftsführung, dass neu ab Stufe Gruppenleiter ausnahmslos ein Assessement durchgeführt wird. Jakob Dreher wird dazu aufgeboten und einen Tag lang auf Herz und Nieren geprüft.

Kostenpunkt inklusive Nachgespräch: 8900 Franken. Fazit: Die Aussagen der Assessoren über seine Leistungen an diesem Tag sind durchzogen. Das Urteil, wenn auch diplomatisch zweideutig formuliert: Nicht geeignet!

Betriebliches Gesundheitsmanagement: Jetzt mal ehrlich …

«Sie sind eine grosse Hoffnung.» Mit diesem Satz hat mich Herr Engeli, HR-Verantwortlicher eines internationalen Produktionsbetriebs, empfangen. Im Sitzungszimmer präsentierte er mir die Zahlen. Nein, nicht Umsatz oder GOP – sondern die Krankheitstage. Beziffert in Fakten und Konsequenzen, bis ins letzte Detail. Ich war beeindruckt. Weniger vom Resultat als vielmehr von der Tatsache, dass man dieser Tendenz der Mehrkosten seit zwei Jahren nicht entgegenwirkte.

Äpfel sind keine Birnen

Karl hat heute seinen letzten Arbeitstag. Die Unternehmensleitung ist enttäuscht und er frustriert. Dabei hörte sich während der Reorganisation alles so gut an: «Aufgrund der fachlichen Qualifikation passt Karl Trachsel ausgezeichnet in das noch leere Feld des Organigramms» – so zumindest der Tenor der externen Berater, welche den Prozess begleiteten. Karl genoss die Wertschätzung und willigte nach kurzer Rücksprache mit seiner Frau sofort ein. Heute, wenige Monate später: Die Ernüchterung. Karl ist mit den neuen Aufgaben als Vorgesetzter nicht klar gekommen. «Die Mitarbeiter haben mich nicht arbeiten lassen, meinen Arbeitsablauf immer gestört», soll er sich im Austrittsgespräch geäussert haben. Verloren haben beide, Karl die Tätigkeit und die Firma gleich doppelt, indem ihnen nebst dem Fachspezialisten auch noch die Führungskraft fehlt. Es ist eine Situation, wie man sie in vielen Firmen antrifft. Mit mehr Gehalt, einem anerkennenden Schulterklopfen und dem «Du schaffst das schon» ist es eben nicht getan, Mitarbeitende zu befördern.

Bäcker mit Mehlallergie

«Sensibilisierung, Reflexion und Vorbildwirkung möchten wir im Führungsseminar vermittelt haben», lautete der Auftrag des HR-Verantwortlichen. Dann stand ich vor ihnen. Neun Leute: Buchhaltung und Marketing optisch rasch erkennbar, die Vertriebsleitung Präsenz markierend durch jeweils zwei eingeschaltete Handys auf dem Tisch. Am rechten Ende die einzige Dame – Quotenfrau oder Protokollverantwortliche? Ging es mir als Frage durch den Kopf. Der CEO leider verhindert, liess man mir kurzfristig telefonisch ausrichten. Ich staunte darüber, dass ich mich nicht wunderte.