Von «Stakeholdern» und «Go-gettern» – über den inflationären Gebrauch von Anglizismen

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Das Vokabular in Schweizer Mittel- und Grossunternehmen hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Früher bediente man sich in der Deutschschweiz in der Regel eines allgemeinverständlichen Wortschatzes aus dem deutschen Sprachraum und allen war meist klar, was gemeint ist.

Im Zuge der Globalisierung hat sich das geändert. In Grossunternehmen ist die offizielle Sprache meist die «Weltsprache» Englisch – respektive oft Denglisch. Definition: Deutsch mit zu vielen und grösstenteils überflüssigen oder vermeidbaren englischen Ausdrücken durchsetzt. Damit einher geht eine eklatante Verarmung der deutschen Sprache. Daran ändern auch Zwitterkreationen wie die «match-entscheidende» «Can-do-Haltung» nichts. Wir nutzen vermeintlich schicke Anleihen aus dem angloamerikanischen Sprachraum, ohne diese immer exakt zu verstehen. Oft ist weder der Absender noch der Empfänger der Botschaft Muttersprachler. Sind nicht beide absolut Englisch-sattelfest, ist die Kommunikation nicht immer eindeutig. Kommt dazu: Deutsch mag schwierig und oft umständlicher sein. Aber Deutsch erlaubt klare, eindeutige Umschreibungen. Während dem viele der gebräuchlichen englischen Ausdrücke unspezifisch und wenig aussagekräftig sind. Beispiele gefällig? «Roadshow», «Gamification» oder «Rollout». Gewisse Begriffe heissen sogar alles oder nichts – oder haben Sie etwa eine exakte Vorstellung, wie ein «Angular JS-Developer» seinen Berufsalltag verbringt oder womit ein «Manager Data Privacy Lawyer» exakt sein Geld verdient?

Als ich vor einigen Jahren als Personalberaterin einstieg – nach mehreren Jahren ausserhalb der Privatwirtschaft – kam ich mir wie ein ausserirdisches Wesen, sprich Alien, vor. Bei «USP» dachte ich an eine Versandfirma, bei unserem firmeneigenen Slogan «fit of chemistry» hatte ich anfänglich eine explosive Chemiestunde vor Augen und bei «tbd» hoffte ich auf eine erlösende Aufklärung hinter den drei nichtssagenden Buchstaben. Ich nehme an, dass es teilweise Vertretern der KMU-Zünfte, den «Blue-Collar-Workern» – was natürlich Arbeiter meint aber nicht halb so «sophisticated» klingt – und dem «Old Boys Network» weitgehend ähnlich ergeht. «By the way» oder, ganz einfach, übrigens: Selbst hervorragende Englischkenntnisse schützen keineswegs vor fatalen Missverständnissen, denn wer sich beispielsweise für das «Townhall Meeting» zum örtlichen Stadthaus begibt und dort womöglich den Bürgermeister erwartet, liegt ebenso falsch wie jener, der den «Owner» des «Meetings» gleichzeitig für den Besitzer des Unternehmens hält. Auch ist ein «Open Space» nicht immer eine Bürolandschaft, sondern gelegentlich auch ein Forum für Diskussionen.

Mehrere Jahre im «Business» haben mich mit dem «Learning» ausgestattet, dass «Jobhopping» von den Vertretern der «Human Resources» ungern gesehen wird und Kenntnisse der modernen «IT-Tools» ein «Must» sind. Und dass «Benefits» und «Incentives» wie die Möglichkeit eines «Sabbaticals» oder des «Homeoffice» zu einem «Preferred Employer Program» gehören. «Executive Assistants» hingegen haben keine Chance auf dem Markt, wenn sie nicht «out-of-the-box» denken, «multitaskingfähig» sind und sich als «Teamplayer» und «Sparring Partner» ihres Chefs erweisen. Und selbstverständlich über «Skills» wie «Know-how» auf «C-Level» verfügen.

Sie haben die vielen Beispiele satt und haben längst kapiert, worauf ich hinauswill? Das freut mich! Stimmen Sie mit mir überein, dass Anglizismen inflationär und oft unnötig verwendet werden, obwohl derselbe Begriff genauer in Deutsch ausgedrückt werden könnte? Wobei sich ganz nebenbei die Frage stellt, ob man diese Anglizismen in der deutschen Sprache gross oder klein und mit oder ohne Bindestrich schreibt?

Im Sinne von «back to the roots» ist dies einfach nur ein Aufruf dazu, sich im geschriebenen und gesprochenen Wort gelegentlich auf unseren eigenen Sprachenschatz zu besinnen. Es kostet zugegebenermassen etwas mehr Zeit, Sorgfalt und Mühe, die adäquate deutsche Übersetzung für einverleibte Anglizismen zu finden. So wäre beispielsweise ein «Footprint» wieder ein normaler Fussabdruck, das «Template» eine unspektakuläre Vorlage oder das «Kickoff» einfach nur der Projektstart. Zwischendurch mal eine gezielte sprachliche Anstrengung ist nicht nur ein Beitrag für unsere geistige Fitness, sondern gleichzeitig auch ein «Statement», sprich ein Zeichen, gegen die Verödung unserer Sprache und ein Appell für eine bewusstere Sprachkultur.

8 comments for “Von «Stakeholdern» und «Go-gettern» – über den inflationären Gebrauch von Anglizismen

  1. Anne-Sophie
    16. August 2017 um 23:23

    Die Beispiele sind sehr treffend ausgewählt worden!

  2. 3. August 2017 um 17:22

    Nicht nur in der Schweiz, liebe Frau Bieland-Weckherlin, auch in Deutschland geistern Verballhornungen der Sprache durch die Sprechblasen der der aufmerksamkeitsuchenden Menschenbeglücker. Beispiel einer Werbung um Seminarteilnehmer: „Do you speak Talent: Praxisworkshop für Active Sourcing Kommunikation.“ Da kann man nur noch den Mantel der Bamherzigkeit ausbreiten.
    So geht die ja durchaus zu begrüßende Kultur einer lebendigen, bildhaften und schöpferischen Sprache rasant den Bach runter. Und das durch die Macht der Vielzahl an Nachplapperern, die die gedenglischte Businesssprech als Ausdruck des modernen Lebens betrachten. Einer schreibt beim anderen ab. Um es frei nach Heine zu sagen: Denk ich an Sprache in der Nacht, werde ich um den Schlaf gebracht.

    Klasse jedenfalls, dass hin und wieder Menschen wie Sie den Finger in die Wunde legen und aufrütteln – vielleicht erreichts ja einige.

    Beste Grüße aus Heiligenhaus
    Walter Braun

    • 14. August 2017 um 13:34

      Sehr geehrter Herr Braun
      Herzlichen Dank für Ihre literarische Antwort auf meinen Blog und Ihre positiven Worte – sogar aus dem Ausland! Wenn der Artikel zumindest einige Leser zum Nach- resp. im besten Fall zum Umdenken anregt, umso besser! Und noch viel erfreulicher, gibt es Personen wie Sie, die sich unseres sprachlichen Erbes bewusst sind. Alles Gute und freundliche Grüsse aus Zürich, Sabine Biland-Weckherlin

  3. Peter Nadler
    3. August 2017 um 14:40

    Ja, danke für den Beitrag. Ebenso schlimm finde ich, wenn die Leute, allen voran öffentlich auftretende Führungskräfte (und, nebenbei, auch Schweizer Bundesräte!) englische Formulierung nicht sinngemäss, sonder wörtlich übernehmen, zum Beispiel reden seit einiger Zeit alle vom «Ende des Tages» (at the end of the day), meiner aber nicht wirklich den Abend, sondern schlicht und ergreifend «schlussendlich». Das ist dann zwar Deutsch, aber ob das dann besser ist als ein korrekter englischer Asdruck bezweifle ich ernsthaft.

    • 14. August 2017 um 13:37

      Danke, lieber Herr Nadler – wie konnte ich nur „at the end of the day“ als irreführendes Beispiel vergessen! Das ist so typisch für das Thema! Merci für Ihren prägnanten Beitrag und herzliche Grüsse, Sabine Biland-Weckherlin

  4. 3. August 2017 um 12:09

    Danke für die zauberhaften Zeilen, liebe Sabine.
    Die deutsche Sprache hat so viel Kraft, sie ermöglicht so viele Variationen – warum krampfhaft in der Fremde suchen? Die positive Wirkung des „Sprachcharmes“ wird gerade in der Ansprache bestehender und künftiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter massiv unterschätzt.
    Herzlich Jörg

    • 14. August 2017 um 13:38

      Danke, lieber Jörg – ich habe mich sehr über Deinen fachmännischen Zuspruch gefreut! Herzliche Grüsse, Sabine

  5. 3. August 2017 um 11:24

    Ein wunderschöner Beitrag, dem nichts hinzugefügt werden muss! Danke dafür ….

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