Bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden kommt irgendwann der Moment, wo man sich darüber unterhalten muss, wie die Arbeitsleistung vergütet wird. Beim Versuch, fair zu sein, entwerfen viele Unternehmen jedoch Vergütungssysteme, welche die besten Leistungsträger und diejenigen mit dem grössten Potenzial dazu ermutigen, zu kündigen – oder erst gar nicht bei ihnen anzufangen. Denn wenn es um die Bezahlung geht, bedeutet fair nicht unbedingt gleich.
Die Vorstellung, Leistungsträger überdurchschnittlich hoch zu entlöhnen – insbesondere, wenn dies bedeutet, dass weniger leistungsfähige Mitarbeitende schlechter bezahlt werden – mag zunächst befremdlich wirken. Da viele Unternehmen den zunehmenden Mediendiskurs um Lohngerechtigkeit – insbesondere um faire Bezahlung von Frauen – wahrnehmen, ist dies heute besonders der Fall. Dieser Diskurs ist nicht falsch, denn es ist absolut verwerflich (und ungesetzlich), Mitarbeitende beispielsweise aufgrund ihres Geschlechts oder Alters unterschiedlich zu bezahlen. Es ist jedoch auch so, dass einige der traditionelleren Methoden der Bezahlung von Mitarbeitenden nicht mehr motivierend und ansprechend sind. Die Zeiten, in denen man arbeitet, nur um einen Gehaltsscheck zu kassieren, sind ohnehin vorbei. Jeder, der talentiert ist, kann sich aussuchen, wo er arbeiten möchte, und jeder, der nicht wählen kann, wird kaum einen bedeutenden Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben.
Wenn das höchste der Gefühle die uninspirierte (aber übliche) Anpassung der Lebenshaltungskosten ist, fühlt sich das mehr als falsch an. Unternehmen, die (nur) dies tun, sagen ihren High-Performern, dass ihre Bemühungen nicht anerkannt werden und ihren Low-Performern, dass es ok ist, sich auf den Lorbeeren auszuruhen und weiterhin mittelmässige Ergebnisse zu liefern.
Wie entstehen die Gehälter bei Ihnen?
Sogenannte «Best Practices» bei der Vergütung beginnen oft mit dem Sammeln von Marktdaten, um zu ermitteln, was jeder Mitarbeitende auf dem aktuellen Talentmarkt wert ist. Dabei werden verschiedene kompensierbare Faktoren berücksichtigt, wie zum Beispiel die spezifische Erfahrung, die Ausbildung, die Arbeitsaufgaben, die erforderlichen Fähigkeiten und Zertifizierungen und sogar der geografische Standort, an dem der Mitarbeitende beschäftigt ist. Daraus ergeben sich dann Salärbänder, welche festlegen wie stark die individuelle Vergütung eines Mitarbeitenden von der Marktvergütung und von der Vergütung anderer Mitarbeitender abweichen kann.
In einem solchen Vergütungsmodell wird ein durchschnittlicher Leistungsträger jedes Jahr eine kleine Gehaltserhöhung erhalten. Aussergewöhnliche Leistungsträger erhalten eine Reihe von grösseren Gehaltserhöhung, die dann aber immer niedriger werden und schliesslich ganz gestoppt werden, wenn man sich dem oberen Ende des zulässigen Gehaltsbandes nähert. Dadurch laufen Unternehmen Gefahr, dass diejenigen, die am schnellsten lernen und wachsen und die auf höchstem Niveau arbeiten, das Unternehmen verlassen werden. Dies führt zu erneutem Rekrutierungsbedarf, was Unternehmen möglicherweise teuer zu stehen kommt.
Warum sollten Unternehmen also ein System entwerfen, das die Besten und die mit dem grössten Potenzial dazu bringt, zu kündigen? Könnte es sein, dass sie eine falsche Vorstellung davon haben, was fair ist oder ihnen der Mut fehlt, ehrlich zu ihren Mitarbeitenden zu sein? Ist es, weil es teilweise schwierig ist die Performance zu messen? Nun, das darf kein Grund sein es nicht zu tun!
Weshalb Sie ungleiche Gehälter bezahlen sollten
Jedes Unternehmen braucht die «Arbeitsbienen», die pünktlich erscheinen, die Anweisungen befolgen und die Arbeit richtig erledigen. Sie sollen marktgerecht oder durchschnittlich vergütet werden. Jedoch sind es die Mitarbeitenden mit dem gewisse Etwas, die das Unternehmen vorwärtsbringen. Diese Leistungsträger sind qualifiziert und überdurchschnittlich engagiert, liefern hervorragende Ergebnisse ab, beweisen ein hohes Mass an Sozialkompetenz und sind bereit Verantwortung zu übernehmen. Darüber hinaus teilen sie die Unternehmenswerte und leben diese entsprechend vor. Sie gilt es zu erkennen und überdurchschnittlich zu entlöhnen.
Fairness in der Entlöhnung bedeutet nämlich nicht, dass jeder auf der gleichen Job-Ebene gleich bezahlt wird. Vielmehr bedeutet Fairness, dass die Bezahlung daran gemessen ist, welchen Beitrag der Mitarbeitende leistet. Folglich sollte es bei der Vergütung von Mitarbeitenden enorme Varianzen geben – im Übrigen auch bei den Führungskräften. Weshalb soll jemand mehr verdienen, «nur», weil er/sie Teamleiter/in ist?
Genauso wichtig ist übrigens, wie sich die Bezahlung anfühlt. Tatsächlich glauben nämlich viele Mitarbeitende, die überbezahlt sind, dass sie unterbezahlt sind. Es reicht also nicht aus, Ihre Top-Mitarbeitenden gut zu entlöhnen. Sie müssen mit ihnen darüber sprechen, wie ihr Gehalt oder ihr Bonus berechnet wurde, und erklären, wenn und warum sie über dem Marktwert bezahlt werden. Fairness kann also auch eine signifikant ungleiche Bezahlung auf der Grundlage von Leistung und Auswirkungen auf das Endergebnis beinhalten.
Ausserdem sollten Unternehmen nebst der Fairness auch die geschäftliche Notwendigkeit erkennen, die Mitarbeitenden zu belohnen, die wirklich einen Unterschied machen – und gleichzeitig ihre durchschnittlichen Leistungsträger wissen lassen, dass sie mehr hätten verdienen können, wenn sie einen besseren Job gemacht hätten.
Hallo Herr Mölleney, vielen Dank für Ihren Kommentar, der die Vielschichtigkeit des Themas verdeutlicht. Insbesondere die Frage der Messbarkeit dürfte in vielen Berufen nicht ganz einfach sein. Ganz interessant finde ich die Frage, ob die Löhne auch wieder konsequent gesenkt werden. Was wieder für die etwas aus der Mode gekommenen variablen Gehältern sprechen würde.
Ich kann einige Überlegungen in diesem Blogbeitrag gut nachvollziehen, aber für mich bleiben einige wichtige Fragen offen, zum Beispiel: Fördert man mit einem solchen Ansatz nicht besonders das Einzelkämpfertum, wo wir doch alle wissen, dass Leistung so gut wie immer im Team entsteht? Kann man die Top-Performance wirklich immer und vollständig einzelnen Personen zuordnen? Was passiert mit dem Lohn von ehemaligen Top-Performern, die irgendwann nicht mehr die aussergewöhnlichen Leistungen bringen? Werden diese Löhne konsequent gesenkt? Soll es für Top-Performer wirklich keine obere Grenze des Lohnbands geben? Was passiert bei einem Führungswechsel, wenn die neue Führungskraft andere Akzente setzen möchte und bei der Performance Einschätzung der Mitarbeitenden zu anderen Ergebnissen kommt?
Ich bin mit einer etwas anderen Perspektive auf Lohnentwicklungen immer recht gut gefahren: in meinem Verantwortungsbereich habe ich immer Wert darauf gelegt, dass die Löhne einerseits die Leistungen reflektieren, dass sie gleichzeitig aber immer so zu gestalten sind, dass es jederzeit möglich ist, alle Löhne von heute auf morgen für alle vollständig transparent zu machen, ohne dass das zu einer Unruhe im Betrieb führt.