«KV – was nun?» ist einerseits die Frage, die sich viele junge Menschen in ihrer kaufmännischen Grundbildung stellen. Anderseits ist es der Titel eines Standardwerkes, das in der Berufs- und Laufbahnberatung eingesetzt wird. 14 kaufmännische Arbeitsbereiche und deren Möglichkeiten der Weiterbildung werden darin definiert und vorgestellt. «Personalwesen, betriebliche Ausbildung» ist einer dieser Arbeitsbereiche.
«‹Eine Arbeit mit Menschen›, das ist der häufig geäusserte Wunsch, wenn sich junge Kaufleute für eine Tätigkeit im Personalwesen interessieren», ist hier zu lesen. Und weiter: «Voraussetzung, um in diesem Berufsfeld erfolgreich wirken zu können, ist das Interesse an Personal- und Führungsfragen, an betriebswirtschaftlichen und sozialpolitischen Themen sowie eine entsprechende Weiterbildung. In einer Tätigkeit, in der die Menschen im Zentrum stehen, sind Einfühlungsvermögen und Konfliktfähigkeit selbstverständlich. Mitarbeitende werden gezielt gefördert, in Konflikten tritt die Human Resources (HR) als Schlichtungsstelle auf und mit einer professionellen Personalselektion trägt es zum Profil eines Unternehmens bei.» Soweit die Berufsberatung.
Aus dieser Beschreibung lassen sich die persönlichen Werte herausschälen, die HR-Leute wahrscheinlich zur Wahl einer Karriere in diesem Bereich motivieren. Werte wie «Unterstützung, Förderung, Engagement für Menschen». Wer Werte wie Status, Erfolg, Macht und Verantwortung zuoberst in der Wertehierarchie hat, wird kaum den Weg über eine HR-Spezialisierung wählen, denn auf den Teppichetagen tummeln sich weniger Personalfachpersonen, sondern eher Leute, die Wirtschaft studiert haben, die von Anfang an Management anpeilen, die die Karriereleiter gradlinig und steil aufwärts erklimmen wollen. Werte prägen unsere Entscheide. Und damit das Leben, das wir leben.
«Wir setzen bei der Lehrlingsselektion nur noch auf Talente», so die Aussage einer Personalverantwortlichen eines grossen Schweizer Konzerns. Wird Personalselektion eine Jagd nach Talenten, nach Kompetenzen, die genutzt werden wollen? Und nicht eine Auseinandersetzung mit Menschen? Wie respektlos ältere Mitarbeitende in einzelnen Unternehmen behandelt werden, ist kein Geheimnis. Dass immer mehr Arbeitnehmende von einem Burnout betroffen sind, auch nicht. Dass junge Mütter weniger Karrierechancen haben als kinderlose Singles, steht zwar in keiner Unternehmensphilosophie, ist aber oft Tatsache. Arbeitnehmende haben immer weniger das Gefühl von Sicherheit: Ihnen wird bewusstgemacht, wie austauschbar sie sind.
Diese beiden Aspekte – die Motivation, die Werte von HR-Leuten, die zur Wahl dieses Arbeitsbereichs geführt haben und die Werte, die in der Realität im HR gelebt werden (müssen) –, stimmen die noch überein?
Ich behaupte: Wer im Arbeitsalltag gegen seine Werte, die zutiefst in ihm verankert sind, handeln muss, wird keine berufliche Zufriedenheit erlangen – und das macht langfristig krank. Meine Frage als Psychologin und Laufbahnberaterin: Wie muss jemand gestrickt sein, um im HR-Bereich seine Berufung, seine persönlichen Werte auch in Zukunft leben zu können?
Arbeitsblatt: Werte machen, dass wir machen, was wir machen. Erstellen Sie Ihre Werte-Hierarchien für jetzt und für die Zukunft.