Im Januar 2022 lancierte ich eine LinkedIn-Umfrage: Was hält Mitarbeitende im goldenen Käfig, obwohl sie bereits innerlich gekündigt haben? Dazu gab ich folgende vier Antworten zur Auswahl: sehr guter Lohn, gutes Team, Weiterbildungsvereinbarung und spannende Projekte/Kunden. Einige Kommentare imponierten mir.
Die Umfrage generierte mehr als 125‘000 Views, rund 2100 Personen nahmen aktiv teil. Über 480 Kommentare von Menschen, die ihre Meinung dazu darlegten, durfte ich lesen und beantworten. 2100 Stimmen sind zwar nicht repräsentativ, dennoch sind die Ergebnisse interessant:
- 46 Prozent sprachen sich für das gute Team aus, welches Mitarbeitende von der Kündigung zurückhält.
- 39 Prozent stimmten dafür, dass ein sehr guter Lohn Kündigungen zurückhält.
- 11 Prozent stimmten dafür, dass interessante Projekte oder Kunden sie zurückhalten.
- Nur 4 Prozent werden von einer bestehenden Weiterbildungsvereinbarung zurückgehalten.
Die Angst vom Regen in die Traufe zu kommen
Eine Zusammenfassung der wichtigsten Kommentare gebe ich hier in Stichworten oder Zitaten weiter. Menschen bleiben im goldenen Käfig sitzen, da …
- sie weiterhin Sicherheiten brauchen.
- sie Angst vor Veränderung haben.
- sie Angst haben, ihren Status zu verlieren.
- sie bequem und träge geworden sind.
- ihre eigene Situation schönreden.
- immer noch unschlüssig und wankelmütig sind.
- sie sich machtlos fühlen.
- Corona und der Aufwand, um eine neue Stelle zu bekommen sie gedanklich blockieren.
- immer noch die Hoffnung auf Verbesserung haben.
- mangelhafte externe Alternativen sehen.
- die Arbeitsmarktsituation oder/und auch ihr Alter hinderlich sind.
- sie diverse finanzielle Verpflichtungen (teure Hobbys, aufwändiger Lebensstil) haben, die einen Wechsel unmöglich machen.
- sie einen deutlichen Mangel an Selbstbewusstsein haben.
- sie vertraglich zu lang Kündigungsfristen vereinbart haben.
Und ich behaupte jetzt ketzerisch: Unternehmen pokern gedanklich auch etwas mit diesen Ängsten.
Dem schnöden Mammon Geld (hier: Lohn) wird offensichtlich weniger Macht gegeben, als ich dachte und wurde häufig liebevoll «Schmerzensgeld» oder «Wiedergutmachung» genannt. Bestätigt wird jedoch, dass eine gute Führungskraft, echte Wertschätzung, Perspektiven/Sinn und Vertrauen/Wertschätzung Mitarbeitende im Unternehmen halten, und diese Gründe seien weit entfernt von einem goldenen Käfig. Doch diese Beschreibungen lese ich auf jeder zweiten Firmenhomepage oder sogar in Stelleninseraten. Das ist Personalern nichts Neues.
Ausgeleierte Motivationstheorien und Fringe Benefits
So manches Unternehmen bietet Mitarbeitenden viele Goodies an, damit sie bleiben und sich wohl fühlen. Es sind die viel gepriesenen Fringe Benefits. Diese lehnen sich damit teilweise an bekannten Motivationstheorien, die uns Personalern immer wieder in Ausbildungen gepredigt werden.
Da ist einmal Maslow, der sagt, dass es Defizitmotive (Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, Zugehörigkeit) und Wachstumsmotive wie Wertschätzung und Selbstverwirklichung gibt. Während die ERG-Theorie keine Hierarchie der Bedürfnisse kennt und damit näher an der Realität ist. Mein Favorit ist jedoch die bekannt Herzberg-Theorie, mit der Grundaussage: Zufriedenheit und Unzufriedenheit sind zwei voneinander unabhängige Dimensionen. Herzberg unterscheidet intrinsische Faktoren, die zu einer Zufriedenheit führen können und extrinsische Faktoren, auch als Hygienefaktoren bekannt. Wenn diese nicht gedeckt sind, können sie zu einer Art Unzufriedenheit führen.
Intrinsische Motivatoren sind Trumpf
Das gute Miteinander in einem Team, die Möglichkeit Leistung, Verantwortung zu zeigen, Macht und Einfluss zu haben, und den Sinn in einer Tätigkeit zu sehen. Das Mitspracherecht sowie das wertschätzende, förderliche Feedback zu erbrachten Leistungen, die Anerkennung, das Lob und die Art und Weise, wie man mit Fehlern umgeht – das sind die Arbeitsmotive, die Mitarbeitende beflügeln. Zudem schätzen Mitarbeitende, wenn sie sich im Unternehmen weiterentwickeln können. Damit ist auch das Lernen an anspruchsvolleren Aufgaben gemeint. Diese Faktoren, die häufig zu Zufriedenheit führen, nennt man Kontentfaktoren.
Extrinsische Hygienefaktoren müssen aber auch sein
Den Kontentfaktoren stehen die extrinsischen Hygienefaktoren gegenüber – und hier ist auch ein Grossteil des goldenen Käfigs verborgen. Guter Lohn, Prämien, Statussymbole, der sichere Arbeitsplatz und ein beständiges Arbeitsumfeld sind Teile davon. Diese Hygienefaktoren werden auch als Kontextfaktoren bezeichnet.
Die Aufteilung zwischen intrinsischen und extrinsischen Motiven finde ich nicht immer passend. Manche Faktoren – und das zeigen die Antworten meiner Umfrage – sind doppeldeutig. Weiter wird deutlich: Der gleiche Faktor kann beim dem einen Mitarbeitenden zu Zufriedenheit führen – und beim anderen zu Unzufriedenheit.
Zum Schluss noch ein paar Kommentare der Umfrage-Teilnehmenden, die mir imponierten:
- «Eines Tages kommt der notwendige Tritt in den Allerwertesten oder sogar der dringende innere Wunsch sich zu verändern. Dass ist der Moment, in dem die Gitter des Käfigs zu eng werden. Dann stellt man sich nicht mehr die Frage: Ist das Gras ausserhalb des Käfigs grüner. Man geht. Mit allen Konsequenzen.»
- «Sehr oft sind es ganz unscheinbare und doch sehr mächtige Gründe. Einer davon ist, dass man ein braver Bub oder ein braves Mädchen sein möchte. Wir haben gelernt, dass wir zu den anderen nicht böse sein dürfen. Dieses Thema verwechseln wir dann und legen es auf das Berufsleben um.»
- «Meinen Arbeitgeber kann ich nur verlassen, wenn er mich entlässt. Das habe ich lernen müssen.»