«Werbung wird immer trivialer» war neulich im «Tagi» zu lesen. Langweilig, banal und voller KI sei sie – ganz im Gegensatz zu den gewagten Kampagnen von früher, als Werbeleute wie Rockstars abgefeiert wurden. Auch die Personalwerbung wird immer präsenter. Gilt die These auch für Sie? Oder reden wir am eigentlichen Thema vorbei?
Früher sei Werbung kreativ, witzig und manchmal spannender als der eigentliche Kino-Film gewesen, war kürzlich im «Tages-Anzeiger» zu lesen. Der Artikel «Warum ist Werbung so trivial geworden?» lamentiert den verlorenen Glanz der einstigen Prestigebranche. Statt cleverer Kampagnen gibt’s überladene 5-Sekunden-Spots auf TikTok, und KI-Modelle grinsen uns von Plakaten an. Die einstigen Werber-Rockstars sind fast verschwunden, und ihre grossen Partys von früher wurden durch kleine, unspektakuläre Treffen ersetzt. Die Werbebranche ist im Überlebensmodus, und Kreativität gibt’s nur noch als Sonderangebot. So behauptet die Autorin.
Ich glaube, die Aussage ist zu kurz gedacht. Bebildert war der Beitrag über triviale Werbung treffenderweise mit grossen (langweiligen) Plakatbotschaften. Natürlich haben diese auch noch ihre Berechtigung – in einem richtigen Kanal-Mix mit den passenden Zielen jedenfalls. Und es gibt auch bei dieser Werbeform noch echte Perlen – man schaue sich an, was «True Fruits» an kreativ-frecher Werbung macht. Aber wir vergleichen hier Äpfel mit Birnen. Denn während ich den Fruchtsaft aus der Flasche direkt im Supermarkt kaufen kann, ist ein Job doch noch etwas anderes. Mehr denn je gilt: Ein gutes Ergebnis, baut auf einem guten Erlebnis.
Zudem wird Werbung eben auch komplexer und datengetriebener. Es gibt neue Kanäle, neue Kommunikationsgewohnheiten, neue Erwartungen und Bedürfnisse. Ausserdem Möglichkeiten, Werbung ungemein treff- und zielsicher auszuspielen. In unserer medial übersättigten, Algorithmen-gesteuerten Welt, in der Aufmerksamkeit zu einem inflationären Produkt geworden ist, braucht es etwas mehr als schnelle Auffälligkeit. Auffallen um jeden Preis kann nicht die einzige Devise sein. Und dennoch giert vor allem die Personalwerbung nach Aufmerksamkeit. Und damit schiesst man voll am Ziel vorbei. Schaut man hinter die Kulisse vieler abgefeierte Aufmerksamkeitskampagnen, die der Personalrekrutierung dienen, stellt man eines fest: Mehr Bewerbende gibt es auch nicht, aber viel Applaus. Applaus mag der Lohn für Künstlerinnen und Künstler sein. Im Alltagsgeschäft der Rekrutierung ist er ein Hungerlohn.
Viel zu oft wird mit «Kanonen auf Spatzen» geschossen. Ganz nach dem Motto: viel hilft viel. Deshalb übertrifft man sich mit fragwürdigen Metriken: Anzahl Klicks, Anzahl Impressionen, grössere Reichweite etc. Alles schön und gut. Aber wenn ich Personal gewinnen will, sind das eben keine harten Währungen. Wo das Problem liegt? Auf der einen Seite soll Personalwerbung begeistern. Auf der anderen Seite sollen Prozesse immer effizienter werden. Wir sind noch gefangen in einer anachronistischen Denke, die darauf ausgelegt ist, immer mehr, immer schneller zu verarbeiten. Das Hamsterrad soll sich schneller drehen und mehr Output liefern, und das mit immer weniger Hamstern. Was ist aber, wenn das Hamsterrad das eigentliche Problem ist?
Wer sucht wen?
Wo keine Bewerbenden im Eingang sind, lässt sich auch nichts effizienter gestalten. Und für Kampagnenapplaus lässt sich auch nichts kaufen. Da hilft auch die schönste Werbung nicht. Denn heute gilt mehr denn je: Das Ergebnis zählt. Massengeschäft war früher, heute zählt mehr die Klasse. Ein netter erster Eindruck reicht nicht. Wir brauchen ganzheitliche kreative Lösungen. Die kreativen Lösungen, die meist entstehen, sind oftmals nur halbgare Scheinlösungen. Schauen Sie sich doch mal die Bewerbungsprozesse an, die auf (schein)kreative Kampagnen folgen. Sieht anders aus, fühlt sich aber noch wie früher an.
Kreativität wird oft an Agenturen ausgelagert, während intern effizient verwaltet werden soll. Aber Agenturen können auch nur so gut sein, wie die Unternehmensvertreterinnen und – vertreter, die sie steuern. Und wie es die Prozesse, die darauffolgen, zulassen. Aufmerksamkeit ist bei der Gewinnung von Personal eben nur die halbe Miete. Effizienz ist vielerorts in HR gut. In der Talent Akquisition stösst sie immer öfter an Grenzen. Eine Verwaltung mit leeren Bewerbungseingängen ist weder effizient noch effektiv. Echte Kreativität ist gefragt. Aber nicht nur auf den ersten Blick, sondern über die gesamten Prozesse hinweg.
«One size fits all» reicht nicht mehr. Wir müssen mehr Ideenschmiede werden als Effizienzweltmeister. Wo und wie holen wir die passenden Menschen ab, wo sie sind, und wie bringen wir sie bestmöglich dort hin, wo wir sie gerne hätten? Ich wiederhole mich gerne: kein gutes Ergebnis, ohne gutes Erlebnis. Und das fängt zwar bei der Werbung an, die gerne Spass machen darf. Aber wenn der Spass nach dem ersten Klick aufhört, ist niemandem geholfen. Und auch der Applaus verblasst irgendwann.