Viele Wege führen in die Führungsetage

Um eine Führungsposition einzunehmen, kann man die unterschiedlichsten Berufslaufbahnen bestreiten. Dennoch sehen die meisten Fälle ähnlich aus: Gymnasium, Bachelor und danach ein Master – am besten in International Management oder BWL. Ein grosser Talent-Pool wird dabei oft übersehen: Fachkräfte ohne FH- oder Uni-Studium, dafür aber mit einem Flair für Management und Personalführung. Lesen Sie hier, warum ich glaube, dass die Thematik zu wenig Anerkennung bekommt und warum wir uns eine Chance vergeben.

Was macht eine gute Führungspersönlichkeit aus?

Das ist eine Frage, die ich mir in den vergangenen Jahren oft gestellt habe. Ein Grossteil meiner Arbeit besteht mittlerweile darin, auf strategischer Ebene die «neue Generation» der Teamleaderinnen und Teamleader sowie Führungspersonen meiner Firmen auszubilden. Klar wurde für mich dadurch: Es gibt nicht den einen bestimmten Persönlichkeitstyp, der sich besser in der Chefetage schlägt als andere. Im Gegenteil: Eine gute Führungspersönlichkeit zeichnet sich in meinen Augen durch eine Reihe von Merkmalen aus, die es ihr ermöglichen, effektiv Teams zu leiten und Organisationen zum Erfolg zu führen. Von einer zielführenden Vision über einen empathischen Umgang bis hin zu vernetztem Denken – all das kann in der Personalführung von Vorteil sein.

Im Buch «Good to Great» werden die verschiedenen Level, die dabei helfen, eine Führungspersönlichkeit zu identifizieren, wie folgt strukturiert:

Bildquelle: Good to Great – Jim Collins

Das Wichtigste in meinen Augen ist allerdings die Fähigkeit, die passenden Menschen zu identifizieren und sie an den richtigen Platz im jeweiligen Unternehmen zu leiten. Eine Metastudie des IFIDZ kommt zum selben Schluss. Selbst in der heutigen digitalen Zeit, in der Kompetenzanforderungen an Führungskräfte immer komplexer werden – die Beziehung von Mensch zu Mensch in Führungsthemen bleibt am wichtigsten. Dafür braucht es vor allem Menschenkenntnis und ein gutes Bauchgefühl. Denn das Geschäftsumfeld bleibt in stetigem Wandel und auch die Ansprüche der Mitarbeitenden wachsen tendenziell – eine gute Menschenkenntnis kann sich all dem stellen.

Von der Berufslehre in die Chefetage?

Die meisten unter uns kennen die berühmten Beispiele von CEOs wie Sergio Ermotti, die ihre Berufslaufbahn mit einer Lehre starteten und letztlich in der Führungsetage landeten. Leider sind das nur vereinzelte Beispiele und solange Grossunternehmen ihre Anforderungen nicht anpassen, werden es wohl auch kaum mehr werden.

Was mich aber viel mehr beschäftigt: Was ist mit den Fachkräften, die eine Lehre absolviert haben, sich weiterentwickeln und im Anschluss ein KMU von 5 bis 500 Mitarbeitenden führen? Wie viele sind das? Vielleicht 10 Prozent? 20 Prozent? Oder etwa über 50 Prozent? Auch diese Zahl kenne ich nicht. Aber es sind ganz sicher jede Menge Führungskräfte. Menschen, die mit Herz und Seele für ihre Firma und die Mitarbeitenden einstehen. Die nicht abgehoben, sondern «Hands on» mit anpacken, auf ihrem Weg zur Führung immer gearbeitet und nebenbei studiert oder ein Diplom oder eine Weiterbildung bewältigt haben. Das sind für mich die, medial leider viel zu wenig geschätzten, «Robin Hoods» in unserem Land. Sie leiten Firmen, die regionale, nationale und oft sogar internationale Spitzenleistungen erzielen. Solche Personen könnten und sollten meiner Meinung nach viel mehr gefördert werden.

Wie können wir diese Veränderung anstreben?

Was können wir nun dafür tun, dass wir in Zukunft mehr Fachkräfte in Führungspositionen sehen werden? Mögliche Lösungen hierfür sind:

Mentoring als interne Lösung: Erfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Führungskräfte aus dem KMU-Bereich sollten junge Führungskräfte coachen und begleiten. Persönlich setze ich das Mentoring gerne im Rahmen eines Führungstrainings um. Junge Mitarbeitende und Teamleaderinnen und Teamleader, die sich im Bereich der Personalführung weiterentwickeln möchten, coache ich in regelmässigen Abständen – also sozusagen eine interne «Führungs-Academy».

Externe Angebote nutzen: Es gibt viele Aus- und Weiterbildungen speziell für junge Leute, die bereit sind, mehr zu leisten und Verantwortung zu übernehmen. Oft werden diese von Berufsverbänden initiiert oder organisiert. Daher sollten Führungsseminare und -kurse unbedingt mehr genutzt und deren Anbietende mehr gefördert werden.

Sicher, man kann an Management-Schulen viel lernen und es ist gut, wenn Lehrabgängerinnen und -abgänger über Bachelor, Master und Executive MBA ihr Theoriewissen erweitern. Aber bei einem KMU und noch viel mehr bei Start-ups kommt es eben auch auf Führungsskills an, die sich nicht einmal in Harvard erlernen lassen.

Mir ist bewusst, dass ich hier Behauptungen und Wünsche aufstelle. Warum ich mir das erlaube? Ich selbst durfte in meinem beruflichen Umfeld zwei Lehrabgänger und eine Uni-Abgängerin begleiten, die sich innerhalb von 8 bis 10 Jahren zu Geschäftsführern und zur Geschäftsführerin entwickelt haben. Heute leiten diese ein Unternehmen von über 80 Mitarbeitenden und wagen es sogar, neue Start-ups zu gründen. Ich weiss, das kann nicht jeder oder jede – aber vielleicht viel mehr, als wir denken. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass erfahrene Führungskräfte mehr Fokus auf deren Förderung legen und bereit sind, die Führung abzugeben und zu begleiten.

Ich bin gespannt auf Ihre Gedanken hierzu.

Herzlichst,
Ihr Urs Casty

Und zum Abschluss noch ein Literaturtipp eines Buches, das jungen Führungskräften allenfalls auf ihrem Weg helfen kann. Es ist eine Grundlage des Führungstrainings in meiner Firma: Radikal Führen von Dr. Reinhard K. Sprenger

1 comments for “Viele Wege führen in die Führungsetage

  1. Jonny Billeter
    22. Februar 2024 um 11:22

    Ein/e Enterpreneur/in (also jemand der immer so arbeitet wie im eigenen Geschäft) erkennen Gleichgesinnte meist über das Bauchgefühl und umgeben sich auch mit denen!
    Dies Urs könnte mitunter auch ein Grund sein für die unglaublich bewundernswerte Geschichte von Yousty mit einer kaum wahrnehmbaren Fluktuation und vielen internen Erfolgsgeschichten.
    Vieles hat wohl mit Werten und Intuition zu tun. Danke für den tollen Beitrag von einem gelernten Mechaniker EFZ.

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