«Aus Fehlern zu lernen ist Teil der unternehmerischen Kultur.» Viele Führungskräfte teilen diese Erkenntnis und setzen damit den Lernprozess in einen kulturellen Zusammenhang. Folgerichtig bedeutet das: Verändert sich die Haltung des Lernens, hat dies gleichzeitig Auswirkungen auf das kulturelle Verständnis innerhalb eines Unternehmens. Sei es, dass diese dadurch gestärkt oder durch das Negieren geschwächt wird. Optimal natürlich, wenn die Veränderungen sich gegenseitig bereichern und dadurch einen Mehrwert generieren.
Kann die breitaufgestellte Bildungslandschaft den unternehmerischen Bedürfnissen künftig gerecht werden? Pilzähnlich spriessen in Fach- und Hochschulen neue, zum Teil höchst «kreative» Weiterbildungen aus dem Boden. Manchmal wird man den Eindruck nicht los, dass sich die Mentalität von Investmentbankern auf das betriebswirtschaftliche Verständnis der Bildungsanbietenden verlagert hat. Es stellt sich die Frage, ob diese Angebote tatsächlich auf die Bedürfnisse des Marktes ausgerichtet sind.
Noch immer ist der Fokus vielerorts auf die theoretische Wissensvermittlung gerichtet, die fälschlicherweise seit jeher mit einer daraus resultierenden Handlungskompetenz verwechselt wird. Die Frage sei erlaubt, ob zum Beispiel dieser Aspekt einen effizienten Nutzen im aktuellen Arbeitsalltag sicherstellen kann.
Umsatz ist nicht gleich Gewinn, und Wissen ist auch nicht gleichzeitig Können. In Krisenzeiten, wie wir sie heute erleben, haben sich die Anforderungen unter anderem auch für Führungskräfte verschoben. Gerade in «klärenden» Zeiten wird offensichtlich, dass absolvierte Studiengänge nicht zwingend mit einer entsprechenden Befähigung gleichzusetzen sind.
Mehr und mehr ist zu erkennen, dass Unternehmensführende gewohnte Kompetenzmodelle mindestens kritisch hinterfragen. So werden Bewerbende vermehrt mit Sozialkompetenz-Themen konfrontiert: Begriffe wie Empathie und Selbstreflexion werden immer häufiger genannt, wenn es darum geht, Führungseigenschaften, aber auch die tragenden Säulen einer wertschätzenden Kultur zu benennen.
Ob wir uns in einer Veränderung befinden oder grundlegende Umwälzungen innerhalb unserer Gesellschaft anstehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Zu beobachten allerdings ist, dass sich die breitgewalzten XYZ-Generations- und Gender-Themen gegenüber neuen Handlungsfeldern in nächster Zeit behaupten müssen.
- Bedingt durch die Entstehung neuer Arbeitswelten, dem zusammengefassten Begriff des «New Work», sind viele Firmen damit beschäftigt, sich zum Beispiel auf neue Arbeitsformen einzustellen und die Konsequenzen auf die unternehmerische Kultur daraus abzuleiten oder neu zu definieren.
- Vor Ort, im Betrieb, geht es darum, einer von Angst und Verunsicherung gezeichneten Gesellschaft Rechnung zu tragen, indem man den Mitarbeitenden in einem motivierenden Umfeld vermehrt Vertrauen und Stabilität ermöglicht.
- Nicht vergessen, dass viel Erfahrung durch eine grosse Anzahl von Mitarbeitenden (Baby Boomer) auf der Strecke bleibt, weil diese in den nächsten Jahren in Rente gehen. Neue Wege sind gefragt, um mindestens das Wissen zu erhalten.
- Praktische Instrumente für ein persönliches Ressourcenmanagement der Mitarbeitenden sollen dazu beitragen, die psychische Stabilität sicherzustellen.
Viele dieser Themen sind mit externen Diplomen und Studienabschlüssen nicht zu kompensieren. Was bedeutet das für die innerbetriebliche Weiterbildung?
- Seminare und Weiterbildungen mit reiner Wissensvermittlung gehören der Vergangenheit an.
- Die digitale Welt ermöglicht neue Lernformen, Wissensteilung wie «Reverse Mentoring», die Arbeitswelt 4.0 mit zum Beispiel «Coworking» und anderem mehr. Den Konsequenzen daraus gilt es Rechnung zu tragen, sich darauf einzustellen, denn sie sind künftig nicht mehr wegzudenken.
- In den Mittelpunkt rückt die methodisch didaktische Herausforderung, den konkreten Weg vom theoretischen Wissen zum praktischen Können in den Alltag sicherzustellen.
- Angebote zur Förderung der eigenen Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit werden zu einem prägenden Teil des kulturellen Gedankengutes im Unternehmen.
Eine auf strategischer Ausrichtung basierende und im Einklang mit den hier ausgeführten Gegebenheiten ausbalancierte Aus- und Weiterbildung, trägt Wesentliches dazu bei, sich zukünftig am Markt zu behaupten. Vielleicht mit einer Konsequenz, dass man sich künftig weniger von Diplomen und Studienabschlüssen blenden lässt, sondern sich wieder mehr auf den Menschen und den praktischen Teil geleisteter Arbeit konzentriert. Und das wäre, wie ich finde, gar nicht mal das Schlechteste.
Pointiert und spannend geschriebener Artikel!
Vielen Dank für die treffenden Worte.
Denjenigen, welche sich seit Jahren auf die Kommerzialisierung und Automatisierung der Weiterbildungen eingeschossen haben, dürfte das überhaupt nicht schmecken. Gut so! Für die heute geforderten Massnahmen gibt es keine automatisierten Lösungen. Hier sind Menschen gefragt, welche die Ärmel hochkrempeln und anpacken, um das nötige Vertrauen und Stabilität wieder aufzubauen, welche(s) durch den Weiterbildungswahn teilweise zerstört wurde.
Lieber Herr Fässler
Danke Ihnen für die netten Worte.
Bleiben wir dran. :-)
Liebe Grüsse
Markus Marthaler