Es sollte das ultimative Ziel jeder Geschäftsfunktion sein, einen direkten und messbaren Einfluss auf das Unternehmensergebnis und die strategischen Unternehmensziele zu haben – das gilt auch für die Recruiting-Funktion. Direkte und sichtbare Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg zu haben ist nicht nur motivierend, es wird Ihnen vor allem auch die Unterstützung und Finanzierung durch die Geschäftsleitung verschaffen.
Warum stellen Unternehmen überhaupt Mitarbeitende ein? Einer der Gründe ist, dass der Gewinn oder die Einsparungen, die durch ihre Tätigkeit entstehen, die Kosten für ihre Beschäftigung übersteigen. Mit anderen Worten: Geld, das für Mitarbeitende ausgegeben wird, erzeugt einen positiven Return on Investment (ROI). Je länger eine Stelle unbesetzt bleibt, desto länger verliert ein Unternehmen die Vorteile, die mit diesem ROI verbunden sind. Die Geschäftsfunktion, welche das Recruiting verantwortet, hat somit grossen Einfluss auf die Geschäftsergebnisse wie Umsatzgenerierung und Mitarbeiterproduktivität.
Richtig gemacht treibt das Recruiting das Unternehmensergebnis voran
Viele Recruiting-Verantwortliche konzentrieren sich auf Aktivitäten mit geringer Auswirkung auf das Geschäft, wie zum Beispiel die Reduzierung der Rekrutierungskosten. Da diese nur einen Bruchteil der gesamten Unternehmenskosten ausmachen, haben solche Bemühungen jedoch kaum strategischen Einfluss. Vielmehr sollte der Fokus auf der Steigerung des Unternehmensumsatzes liegen, was bei allen Führungskräften für eine hohe Visibilität sorgt. Um sich maximalen Respekt zu verschaffen, sollte das Recruiting diese Strategien in die Praxis umsetzen:
1. Verstehen Sie die Notwendigkeit, Ihre Arbeit zu quantifizieren
Wie viele CEOs würden behaupten, dass HR ihre Sprache spricht? Eben. Deshalb müssen Sie messbare Ziele schaffen, die sich auf den Gewinn auswirken. Mit den typischen Recruiting-Kennzahlen wie Bewerbungen pro Stelle, Cost-per-Hire oder Time-to-Fill beeindrucken Sie Ihr Management jedoch nicht. Vielmehr sollten Sie den statistischen Zusammenhang zwischen der Recruitingperformance, dem Umsatz und letztlich dem Gewinn herstellen. Ihr CFO wird Sie dabei sicher gerne unterstützen.
2. Erkennen Sie an, dass Unternehmen Geld verdienen wollen
«Ich bin im HR, weil ich gerne mit Menschen zu tun habe.» Diesen Satz hört man oft und daran ist nichts falsch. So unromantisch es sich jedoch anhören mag, Unternehmen müssen Umsatz und Gewinn generieren. Daher sollte sich Ihre Recruiting-Strategie auch darauf konzentrieren, wie Sie Umsatz und Gewinn steigern können. Da die Mitarbeiterkosten oft bis zu 60 Prozent der gesamten variablen Unternehmenskosten ausmachen, hat eine Steigerung der Rendite dieser Investition einen erheblichen Einfluss auf das Endergebnis.
3. Steigern Sie Ihre «Quality of hire»
Verbessern Sie die Qualität Ihrer Einstellungen, indem Sie die negativen Faktoren reduzieren. Verlassen Sie sich nicht nur auf Direktbewerbungen, sondern vergrössern Sie die Auswahl an passenden Kandidaten durch Massnahmen wie Active Sourcing. Das ist zwar aufwändiger, erhöht die Bewerberqualität aber signifikant. Denn eine Neueinstellung, die nicht ganz «passt», kann für Ihr Unternehmen kostspielig sein. Mit 30 Prozent eines Jahresgehaltes muss mindestens gerechnet werden. Während die finanziellen Auswirkungen quantifizierbar sind, rangieren die Auswirkungen auf die Moral und die Produktivität noch vor den finanziellen Verlusten. Warum? Wenn ein unengagierter Mitarbeitender seinen Beitrag nicht leistet, werden gute Mitarbeitende ausgebrannt, um dies zu kompensieren.
4. Erhöhen Sie das Rekrutierungs- bzw. Einstellungstempo
Auf dem heutigen, hart umkämpften Markt für Talente ist es wichtiger denn je, einen zügigen Rekrutierungsprozess zu etablieren. Es gilt fundierte, aber dennoch schnelle Einstellungsentscheidungen zu treffen. So stellen Sie sicher, dass Sie weniger Top-Kandidaten verlieren, die vielleicht schon nach 10 Tagen wieder weg sind. Top-Kandidaten zu verlieren bedeutet, dass Sie gezwungen sind, sich mit Kandidaten zweiter Wahl «zufriedenzugeben» was wiederum die Produktivität des Teams senkt.
Langsame Einstellungen bedeuten auch, dass wichtige unbesetzte Positionen unnötig lang offen sind. Und wenn niemand die Stelle besetzt, bleibt die Arbeit natürlich liegen oder muss vom Team übernommen werden. Diese Belastung kann, wenn sie zu lange andauert, die Fluktuation erhöhen.
5. Minimieren Sie den Rekrutierungsaufwand der Führungskräfte
Natürlich ist die Beteiligung der Führungskraft an der Rekrutierung wichtig (tatsächlich ist es der Erfolgsfaktor Nummer 1). Allerdings ist jede Stunde, die einstellende Manager unnötigerweise mit der Rekrutierung verbringen, eine Stunde, die sie nicht für normale geschäftliche Aufgaben nutzen können. Es hilft also der Produktivität, wenn das Rekrutierungs-Team die Führungskraft voll unterstützt, sodass sie leistungsstarke Mitarbeitende einstellen kann, während sie sich auf ihre täglichen Aufgaben konzentriert.
6. Investieren Sie in Ihren Employer Brand
Eine starke Arbeitgebermarke ist einer der grössten Helfer für Ihr Recruiting-Budget. Über eine professionelle Karrierewebseite gelingt es Ihnen authentisch zu transportieren, wie sich das Arbeiten in Ihrem Unternehmen anfühlt und welche Werte und Kultur gelebt werden. Letztlich geht für Kandidaten um die Frage: «Warum sollte ich in diesem Unternehmen arbeiten?» Ohne Karriereseite zu rekrutieren ist deshalb wie einhändig zu boxen. Diverse Studien und auch unsere eigene Erfahrung legen nahe, dass mit einem attraktiven Arbeitgeberauftritt das Recruiting flotter vorankommt und dadurch die Recruiting-Kosten senken kann.
7. Kommunizieren Sie Ihre Erfolge
Rechnen Sie die oben genannten Massnahmen und Aktivitäten in ihre Auswirkungen auf den Gesamtumsatz des Unternehmens um. Wenn Sie zum Beispiel aufzeigen können, dass eine bessere Einstellungsqualität dazu geführt hat, dass neu eingestellte Vertriebsmitarbeiter 10 Prozent mehr verkaufen, wird das Management hellhörig. Wenn Sie dann aufzeigen können, dass dieses Umsatzwachstum die Gesamteinnahmen des Unternehmens um x Prozent verbessert hat, wird der Beitrag des Recruitings nicht nur bemerkt, sondern bejubelt. Und hoffentlich entsprechendes Budget gesprochen.
Punkt 6: Ich denke, die allermeisten Recruiter*innen haben das Problem, zwangsläufig die Fachabteilung früh in den Prozess mit einbinden zu müssen. Eine sinnvolle Option, dies ein Stück weit zu umgehen, stellt aus meiner Sicht der Einsatz von aussagekräftigen Testverfahren (bspw. Coding-Tests und Persönlichkeitstests) dar. Dies ermöglicht eine datenbasierte Personalauswahl und bietet Bewerber*innen somit Chancengleichheit und effiziente Prozesse. Der Coding-Test ist insbesondere für das Recruiting von IT-Talenten ein nützliches Werkzeug. Personaler*innen können früh im Recruiting-Prozess die fachliche Eignung von Kandidaten einschätzen, ohne selbst die Expertise zu haben. Die Bewerber können sich beweisen und das Unternehmen weiss anschliessend, ob der Kandidat sein Handwerk wirklich beherrscht.
Stichwort Team-Fit: Dies lässt sich u.a. mit einem wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstest herausbekommen. Ausserdem ist unerlässlich, dass Tests eine DIN 33430 konforme Anforderungsanalyse und Auswertung bei der Stellenbesetzung befördern.
Coding- und Persönlichkeitstests machen für bestimmte Stellen sicher Sinn, jedoch nicht zu Beginn des Prozesses. Warum? Kandidat und Unternehmen sollten sich zu jeder Zeit auf Augenhöhe begegnen. Angesichts der hohen Nachfrage von IT-Spezialisten liegt es zunächst am Unternehmen, den Kandidaten zu überzeugen, weshalb er hier arbeiten sollte. Ansonsten kommt das eher rüber wie: «Ah, Du hast Dich bei uns beworben? Gut, dann zeig uns mal was du drauf hast.»
Natürlich sollte im Hinblick auf eine positive Candidate Experience vor Übermittlung eines Coding- oder Persönlichkeitstest unbedingt ein kurzes Erstgespräch mit den Kandidat*innen bspw. per Video stattfinden, um sich zunächst zu «beschnuppern» und die Hard Facts abzuklären.
Kandidaten*innen möchten in einem Bewerbungsprozess herausgefordert werden und entgegen dem Irrglaube vieler Arbeitgeber zeigen sie gern, was sie können. Natürlich sollte das Angebot an Testverfahren im Rahmen bleiben, damit das Interesse nicht in Frust umschlägt. Solange der Ablauf des Auswahlprozesses jedoch klar kommuniziert wird, werden Kandidat*innen auch eine Absage im fortgeschrittenen Prozess eines mehrstufigen Verfahrens akzeptieren und den Kontakt mit dem Unternehmen in guter Erinnerung behalten.
Als neunten Punkt würde ich ergänzen «Investieren Sie in ein gutes IT-System». Auch wenn (noch) kein Automatismus die Erstselektion übernimmt, kann man mit einer modernen Rekrutierungs-Software viel Zeit und Geld sparen und zugleich den Employer Brand stärken, indem man den Bewerber*innen keine Steine in den Weg legt.
Ja, der Aufwand für die Führungskräfte sollte reduziert werden (Punkt 6). Aber: Die fachliche Eignung und der Team-Fit können nur bedingt vom Recruiting-Team beurteilt werden.
Liebe Frau Schild,
Da gebe ich Ihnen absolut recht. Ein solider «Recruiting-Stack» (Infrastruktur, Prozesse und Systeme) ist enorm wichtig. Die Komplexität eines solchen Stacks ist jedoch nicht zu unterschätzen. Die Beschaffung eines Systems (sprich ATS) kann ein Anfang sein. Viel wichtiger ist jedoch die Karriere-Webseite, denn damit kommen Bewerber primär in Berührung.