«Kannst Du mir bitte ein Drehbuch für einen Workshop zum Thema «Gutes Feedback geben» erstellen? Der Workshop dauert 60 Minuten. Er soll neben einem kurzen Theorieteil auch drei bis vier praktische Übungen enthalten. So können die Teilnehmenden gleich Erfahrungen sammeln. Die Anzahl Teilnehmende ist zehn.» Chat GPT hat prompt geantwortet. Was dabei herauskam hat mich ins Grübeln gebracht. Hier ein paar Gedanken zur Arbeit mit künstlicher Intelligenz und ihrer Wirkung auf die Personalarbeit.
1. Verdammt gut
Das Resultat, das mir Chat GPT in wenigen Sekunden ausspuckte, hat mich komplett vom Hocker gehauen. Es war nachvollziehbar. Es war brauchbar. Hätte ein Praktikant die Aufgabe so elegant gelöst, hätte ich gratuliert. Wirklich gut! Und da Chat GPT wie ein Dialog funktioniert, kann ich das Ergebnis mit ein paar Zusatzfragen weiter optimieren. Ein guter Workshop ist in wenigen Minuten vorbereitet. Mit Zeitplan – und selbstverständlich mit Materialliste, wenn ich danach frage. Mir blieb die Spucke weg. Gleichzeitig lief es mir auch kalt den Rücken herunter: Habe ich als Moderator ausgedient?
2. Der Chef kann abdanken
Wissen ist Macht! Dies war ein wichtiges Instrument um als Chef zu glänzen. Ich konnte zeigen, dass ich mehr weiss. Die Mitarbeitenden waren beeindruckt. Meine Position war gesichert. Nun: Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Künstliche Intelligenz liefert unbeschränkte Mittel für die Wissensbeschaffung. Darum muss sich der Chef definitiv nicht mehr kümmern. Das heisst, das alte Chefrituale definitiv verschwinden. Nicht wissen, macht nichts – jede und jeder kann einfach nachschauen. Jederzeit. Der Chef als Coach und der Chef als Dienstleister ist deshalb gefragter denn je. Hier entsteht massiver Nachholbedarf. Die neuen Fragen lauten: Wie kann ich künstliche Intelligenz in der Führungsarbeit nutzen? Was wird mir abgenommen? Wo bin ich als Mensch gefragt? Was ist mein Mehrwert als Teamleiter? Sicher ist: Wissensvermittlung wird es nicht mehr sein.
3. Wissen ohne Grenzen
Es gibt eigentlich nichts, dass Chat GPT nicht weiss und nicht kann. Das ist unheimlich. Unheimlich spannend. Das muss in allen Fachbereichen sofort Fragen auslösen: Wo kann man dieses Ding nutzen? Wo können wir Aufgaben and das neue Wunderding delegieren? Was können wir automatisieren? Wofür haben wir nun mehr Zeit? Oder: Was tun wir, dass unsere Kunden sehen, dass das, was wir liefern, hundert Prozent Mensch ist und keine KI dahintersteht? Wie können wir uns gegenüber KI differenzieren? Dazu kommt, dass ChatGPT nur eine von vielen Anwendungen ist. Im Moment wird am meisten darüber gesprochen. Es gibt aber weitere KI-Instrumente, die ebenso beeindruckend sind. Weitere werden demnächst folgen.
4. Besserwisser mit Handicap
Kürzlich hat mir jemand erzählt, dass er seine Geburtstagskarten alle von KI schreiben lässt. Kann man machen. Ziemlich praktisch, wenn man faul ist. Aber hier geht viel Menschlichkeit verloren: Kreativität, Emotionalität und damit verbundene innovative Denkansätze. Das kann die künstliche Intelligenz nicht. Künstliche Intelligenz bleibt seltsam distanziert und seelenlos. Das wir auch noch eine ganze Weile so bleiben. Gefragt ist also menschliche Intelligenz, die mehr macht, als Wissen abrufen. Gefragt sind neue, ungeahnte Kombinationen und Gedankenspiele. So wie man das bei Künstlerinnen und Künstlern findet, die neue Blickwinkel erschaffen, inspirieren und neue Einsichten ermöglichen. Das alles kann KI nicht. Und wird sie wahrscheinlich nie können.
5. Legal egal?
Kann man, darf man, soll man? Wie immer bei innovativen Ansätzen, ist die Rechtsprechung komplett überrumpelt worden. Was bald verboten wird, was erlaubt bleibt – das ist alles ungewiss. Es gibt Positionen, die am liebsten alles, was mit KI zu tun hat, verbieten würden. Auch namhafte KI-Entwickler wollen gewisse Anwendungen am liebsten wieder rückgängig machen. Ganz im Sinne des Zauberlehrlings von Goethe: «Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.» Ängste sind berechtigt. Die Quellen des Outputs künstlicher Intelligenz sind komplett intransparent. Das Copyright völlig unklar. Das macht die Verwendung für viele Arbeiten unmöglich. Wer es trotzdem macht, muss sich bewusst sein, dass KI durchaus auffindbar und identifizierbar ist. Auch im Kundendienst ist die Lage nicht klar. Wer also nichts riskieren will, lässt die Hände davon. Obwohl sehr verständlich, wird der Ansatz des Vogel Strauss, der seinen Kopf in den Sand hält, nicht viel bringen. Irgendwann werden alle rechts überholt. Aufhalten lässt sich das schon längst nicht mehr.
6. Traue keinem Text
Nun gilt es schriftliche Statements kritisch zu lesen. Hast das eine Maschine geschrieben oder trägt der Text menschliche Züge? Nicht einfach zu beurteilen. Auch Bewerberunterlagen lassen sich wunderbar mit Chat GPT konstruieren. Schauen sie also auf Muster, die in vielen Bewerbungen auftauchen. Konzentrieren sie sich auf den Menschen statt auf das Motivationsschreiben eines Kandidaten. Da viele Dinge, die Chat GPT von sich gibt durchaus sinnvoll und vertrauenserweckend wirken, ist es umso gefährlicher jedem Text zu vertrauen. Immerhin: Gewisse Unternehmen und Autoren haben schon damit begonnen klar zu deklarieren, welche Texte oder Bilder mit KI erschaffen wurden. Das ist mal ein Anfang. Mächtige KI-Tools wie Chat GPT basieren auf gigantischen Datenmengen, über die nur wenige grosse Konzerne wie Amazon, Google, Microsoft oder Meta verfügen. Das sicher nicht vertrauensfördernd.
7. Konsequenzen ohne Ende
Das perfide an Chat GPT und anderen KI-Programmen ist die Gefahr, dass wir uns einlullen lassen. Bekommen wir vierzehn vertrauenswürdige, nachvollziehbare Antworten, kann die nächste Antwort kompletter Blödsinn sein. Und das ist ziemlich gefährlich. Zudem hat die künstliche Intelligenz keine Möglichkeit «Fake News» oder alternative Fakten von richtigen Fakten sauber zu trennen. Das Problem, dass uns Halbwahrheiten oder bewusste Täuschungen untergejubelt werden, ist also real. Es lässt sich nicht überprüfen, ob die gelieferten Resultate vertrauenswürdig sind oder nicht. Gerade wenn wir diese Intelligenz standardmässig einsetzen, sind auch rechtliche Komplikationen vorprogrammiert. Was bei Gebrauchsanweisungen für gewisse Geräte ziemlich unproblematisch ist, kann dann bei Arzneimitteln fatale Konsequenzen haben. Ganz zu schweigen von KI-basierten Personalentscheiden.
8. Probieren geht über studieren
Wir stehen an der Schwelle eines neuen Zeitalters. Ich sehe das so ähnlich wie die Einführung der ersten Züge oder Flugzeuge. Es gibt grosse Unsicherheiten, Ängste und Zweifel. Trotzdem sollten wir uns der Herausforderung stellen. Auspropieren, Erfahrungen sammeln, neugierig sein und lernen. Wir müssen gerade im HR up-to-Date sein.
Vor allem auch, weil emotionale Intelligenz, wahre Kreativität und Achtsamkeit nie von künstlichen Intelligenzen ersetzt werden können. Deshalb müssen wir mehr darüber wissen, wie die neuen Instrumente funktionieren. Alleine schon, um die Fähigkeit zu erlangen, echte, originäre Menschenintelligenz von datenbasierten Kombinationen unterscheiden zu können.
Fazit
Künstliche Intelligenz ist gekommen um zu bleiben. Das ist nicht mehr zu stoppen. Sie ist die neue Realität. Für jeden greifbar und nutzbar. Es ist ein grosses Tor, das hier gerade aufgeht. Das macht Angst. Das war bei allen grossen Entwicklungsschritten in der Menschheit so. Zug, Flugzeug, Mobiltelefon, Internet. Wir müssen uns kritisch damit auseinandersetzen. Abwarten oder nicht hinschauen ist keine Option. Das Bedürfnis für eine gut geführte Diskussion darüber ist gross. Das merken wir in den Workshops, die wir seit einigen Wochen für HR-Spezialisten und Geschäftsleitungen anbieten. Also: Wenn nicht jetzt, wann dann? Lerne deinen neuen Mitarbeiter KI kennen. Stell der KI mal eine Frage. Sei gespannt auf die Antwort! Sei wachsam, sei kritisch. Freue dich auf neue Einblicke und lasse Dir keinen Bären aufbinden.