Seilschaften und Vetterliwirtschaft in der Unternehmenswelt

Seilschaften sind aus dem Bergsport nicht wegzudenken. Eine Gruppe verbindet sich mit einem Berg- oder Kletterseil. Das gemeinsame Sicherungsseil bietet ihren Mitgliedern gegenseitige Sicherung gegen Absturz – und noch viel schöner in der Bildsprache: Der Stärkere zieht den Schwächeren hoch.

Auch an den Steilhängen der Unternehmenswelt kommt es zur Bildung von Seilschaften. Im übertragenen Sinne werden diese für informelle Gruppierungen von Personen benutzt, die sich in ihrem beruflichen Vorankommen gegenseitig fördern. Seilschaften – auch oder gerade in der Unternehmenswelt – sind für «Insider» sinnvoll und hilfreich, doch ihnen haftet meist ein negativer Beigeschmack an.

So entstehen in Unternehmen Netzwerke von vertrauten Personen, die ein gemeinsames Interesse an der Beschleunigung oder Sicherung ihrer Karrieren vereint. Gemeinhin unter dem Begriff «Sauhäfeli und Säudeckeli» bekannt, erweisen sich diese Beziehungen zwischen Förderer und Protegé als wertvolle Kletterhilfen beim karrieremässigen Gipfelsturm. Wobei jeder Förderer in der Nahrungsmittelkette der Unternehmen stets auch gleichzeitig ein Protegé eines höhergestellten Mentors ist. Dieses gedankliche Kletterspiel kann beliebig bis hin zur Unternehmensspitze betrieben werden.

Solche Führungscliquen und Machtzirkel laufen Gefahr, durch die opportunistische Machterhaltung den Blick für die Unternehmensrealität zu verlieren. Denn im Vordergrund steht der Machterhalt und das Zuschanzen von Privilegien. Selbstkritische, konstruktive Auseinandersetzungen, die für die Entwicklung des Unternehmens unabdingbar wären, werden vermieden. Bedrohliche Mitarbeitende werden entlassen oder ausgegrenzt. Das bleibt nicht ohne Folgen.

Ungesunde Verquickungen

Zwei Beispiele aus der Praxis:

Beispiel 1:

Der alternde, machtversessene CEO zieht seinen jungen Zögling nach und hievt diesen als seinen Statthalter auf den COO-Sattel. Die Belegschaft steht zwar Kopf, aber der CEO schafft es, mit diesem taktischen Schachzug nach seiner nahtlosen Wahl zum Verwaltungsratspräsident für Kontinuität respektive operative Kontrolle innerhalb der Firma zu sorgen.

Ein gestandenes, fachlich ihm um ein Mehrfaches überlegenes Kadermitglied wurde dem Jüngling in der Phase eins unterstellt und musste in der Phase zwei den Hut nehmen. Den verbleibenden Mitarbeitenden ging es mit der Faust im Sack auf ihre Weise nicht viel besser.

Beispiel 2:

In einem Grosskonzern stellt der HR-Länderchef seine frühere Arbeitskollegin in seinem Team als HR-Business Partner ein. Beide decken sich gegenseitig auf gekonnte Weise – sei es, wenn es darum geht, Abwesenheiten als Homeoffice zu vertuschen, ausbleibende Leistungen wirkungsvoll mit Schall und Rauch zu überdecken oder unliebsame Mitarbeitende aus der Organisation zu entfernen.

Günstlingswirtschaft in voller Blüte

Oft gehören die «Opfer» solcher Machenschaften zur Gruppe der unbequemen, gar gefährlichen, weil kritischen Mitarbeiter und sind den selbstgefälligen, lediglich auf die eigene Positionierung bedachten Managern oftmals ein Hindernis auf dem Weg nach oben.

Dieselben machterhaltenden Praktiken lassen sich teilweise schon bei Personalanstellungen beobachten, bei denen das Beziehungsnetz spielt und über der individuellen Eignung des Kandidaten steht.

In den meisten Firmen werden auch Beförderungen, Lohnerhöhungen, spezielle Förderprogramme oder Bonuszahlungen durch Seilschaften begünstigt. Die Günstlingswirtschaft steht dabei in voller Blüte und berücksichtigt oftmals nicht die nach objektiven Kriterien qualifiziertesten Mitarbeiter und Kollegen.

Fatale Konsequenzen

In den genannten reellen Vorkommnissen kam es zu «Opfern» auf den untern Stufen der Abhängigkeitskette in Form von irrational begründeten Entlassungen.

In beiden Fällen gab es aufgrund der internen Verflechtungen der Verbündeten in Schlüsselpositionen keine Möglichkeit der Intervention an eine neutrale, übergeordnete Ombudsstelle. Die Chef-Chefs konnten systembedingt nichts gegen die von ihnen eingesetzten, direkt unterstellten Mitarbeitenden unternehmen, da sie sich damit indirekt selber in Frage gestellt hätten.

Die von der Kündigung betroffenen Mitarbeitenden erkannten ebenso ohnmächtig wie pragmatisch, dass aufgrund der internen, stufenüberspannenden Abhängigkeiten niemand etwas gegen die als gänzlich irrational empfundenen Entlassungen oder Unrechtmässigkeiten unternehmen konnte. Auch wenn man den Dienstweg im Organigramm weiter nach oben gegangen wäre, so hätte sich nichts geändert.

Im Gegenteil ziehen sich die fatalen personellen Verstrickungen durch das ganze Unternehmen. Nur im äussersten Falle erfolgt ein Köpferollen der verursachenden, übergeordneten Strippenzieher – meist hingegen erfordern sie Opfer unter talentierten, eigenständig denkenden und starken Mitarbeitenden.

Bedauerlicherweise haftet dem HR oft der Ruf fehlender professioneller Unabhängigkeit an, was keine Vertrauensgrundlage für die betroffenen Mitarbeitenden darstellt. Da es in den meisten Firmen leider keine unbefangene Anlaufstelle für die Meldung von subjektiv oder objektiv erlebten Missständen gibt, sind Frust-Plattformen wie Kununu einziges Aussenventil für erlebtes Unrecht. Das Whistleblowing als Ultima Ratio stellt aufgrund der bekannten problematischen Konsequenzen für die Informanten ebenfalls keine seriöse Alternative dar.

Eigenständige Persönlichkeiten statt Angstkultur

Unternehmen scheitern meist an Menschen, so auch an Führungskräften, die nur am eigenen Vorteil respektive an ihrem individuellen karrieremässigen Vorankommen interessiert sind – wie am Beispiel solcher informellen Seilschaften aufgezeigt.

Bei derartigen Abhängigkeiten besteht eine erhebliche Gefahr von schädlicher Betriebsblindheit. Die natürliche Folge: Qualitätsverluste und der Abgang wertvoller Teammitglieder.

Besonders zu denken gibt dabei die beobachtete Angstkultur, welche die Mitarbeitenden mancher Firmen hinsichtlich jeglicher Intervention zu lähmen scheint. Es ist zu hoffen, dass die Führungsetagen vermehrt Klarheit und konsequentes Verhalten walten lassen, um die unerwünschten Verhaltensweisen auszumerzen. Doch der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf und darum ist ein Umdenken weg vom «Filz» hin zu einer objektiven Meritokratie erforderlich. Organigramme sollen nicht mehr aufgrund von personellen Seilschaften entstehen, sondern auf der Basis persönlicher Verdienste und Kompetenzen. Gefragt sind eigenständige, mutige Persönlichkeiten, die im Interesse der Firma und ihrer Mitarbeitenden handeln.

7 comments for “Seilschaften und Vetterliwirtschaft in der Unternehmenswelt

  1. 21. Oktober 2017 um 14:49

    Total zutreffend hier sollte hr unabhängig sein.stattdessen werden oft beratungsfirmen wie Mc kinsey reingeholt um die vetterliwirtschaft zu komplettieren…defensive Routinen…..

    • Biland Sabine
      29. Oktober 2017 um 17:00

      Danke, lieber Herr Fatzer, für Ihren zustimmenden Kommentar. Ich gehe voll und ganz mit Ihnen einig. Mit hoffnungsvollen Wünschen, dass sich der leidige Filz eines Tages auflösen möge und besten Grüssen, Sabine Biland-Weckherlin

  2. Betroffenee
    19. Oktober 2017 um 16:31

    Sehr geehrte Frau Biland-Weckherlin

    Treffender hätte der Artikel nicht formuliert werden können. Was raten Sie denn Mitarbeitenden, welche sich inmitten solcher Seilschaft-Konstrukten befinden? Bleibt hier nicht einfach nur noch der Weg, selbst zu kündigen?

    • Biland Sabine
      29. Oktober 2017 um 17:11

      Liebe unbekannte Betroffene, einerseits freue ich mich über Ihre Zuschrift, anderseits bedaure ich, dass es Ihnen offenbar genau so geht. Leider ist es in der Tat so, dass ohne unabhängige, übergeordnete interne oder externe Stelle meist kein anderer Weg als die Kündigung bleibt. Allianzen im Team zu formen oder innerhalb der Firma Aufmerksamkeit zu erregen, ist leider in Anbetracht der vielerorts verbreiteten Angstkultur auch keine Alternative. Einzelne Firmen verfügten genau zu diesem Zweck über eine Ombudsstelle, bis diese dem Rotstift in der Budgetrunde zum Opfer gefallen ist. Ich wünsche Ihnen alles Gute und grüsse Sie freundlich, Sabine Biland-Weckherlin

  3. Hilferuf, daher möchte ich unerkannt bleiben
    19. Oktober 2017 um 15:07

    Vielen Dank für den ehrlichen und sehr aktuellen Artikel. Ich habe selbst erlebt, was in dem Artikel beschrieben wird. Ich wurde durch ein Machtspiel mit strafrechtlichen Anteilen aus dem Unternehmen, auf eine unwürdige Weise, rausgemobbt. Es begann mit Äusserungen zur Herkunft und Figur, es folgten üble Beleidigungen und Verleumdungen. Hinzugezogen wurden Dritte, durch anonyme Briefe mit einem Inhalt, der unter die Gürtellinie geht. Darauf folgten Sachbeschädigungen am Auto auf dem Firmengelände, später folgten Aufgaben, die weit über dem Aufgabengebiet lagen und die sich in der Menge und mit einer unrealistischen Terminvorgabe häuften. Bei interner Hilfesuche wurde mir nahe gelegt selbst zu kündigen. Da ich meine Arbeit mit Leidenschaft ausübte, kündigte ich nicht. Ich folgte dem Unternehmen selbst, als der Standort verlegt wurde und zügelte auch in den Kanton. Dann wurde es immer schlimmer. Ich würde ausgegrenzt und vor den Augen des Vorgesetzten beleidigt im neuen Grossraumbüro. Selbst ein externer Mediator konnte nicht mehr helfen. Er sagte, dass haben Sie nicht nötig, dass habe er in dieser Form noch nie gesehen. Ich wurde nach 5 Jahren krank und ging auf eigenen Wunsch beginnend in einem tieferen Pensum wieder arbeiten. Unter Zuständen, die man nicht glauben mag. Ich wurde regelrecht unter allen Augen gedemütigt und ausgegrenzt. Später folgten Sprüche zu meinem neuen Wohnort und meinem Auto. Ich war völlig am Ende und bat die Personalabteilung und den Verein nochmals um eine rasche Hilfestellung, interne Versetzung. Mir wurde dann vermittelt, ich würde zu viel Wind machen, weil ich die anonymen Briefe und alle Vorkommnisse der Polizei meldete. Ich wusste einfach nicht mehr wohin, weil ich nie jemanden etwas getan habe und mein Leben nur noch aus der Arbeit in der Genossenschaft bestand. Sie schickten mich zu einem Psychiater, der ein Gutachten über mich erstellte, was sie benutzten, um mich zu entlassen. Ich habe das Gutachten erst zur Einsicht erhaltenen, als es zu spät war. Und der Anwalt, den ich um Hilfe bat die Dokumente nicht rechtzeitig zum Arbeitgeber geschickt, so dass mir der Lohn nicht mehr gezahlt wurde. Das ging mehrere Monate so. Bis ich von einem Mitarbeiter aus der Rechnungsabteilung informiert wurde, dass mein Anwalt einen Betrag erhalten hat. Als ich meine Rechtsschutz informierte, dass ich 8 Monate alles umsonst vorbereitet habe unter anderem selbst Schriftsätze vorbereitet habe und der Anwalt vermutlich Geld erhalten hat, sagte man mir. Es ist so Frau XYZ, der Anwalt will vor der Schlichtungsstellen-Richterin nicht sein Gesicht verlieren und spricht nicht gegen den Entscheid der Richterin. Wozu gibt es denn das Recht? Meine Akte wurde auch manipuliert mit anonymen Briefen, die ich nie zu Gesicht bekommen habe. Aber sie haben mir die interne Versetzung verbaut. Und eine Vereinbarung, die ich auch nie zu Gesicht bekommen habe, in der steht: Sollte ich noch einmal einen Vorgesetzten, die Personalabteilung oder andere auf die Sache ansprechen werde ich sofort gekündigt. Davon habe ich aber nichts gewusst. Aber mein Anwalt war auf der Vereinbarung namentlich erwähnt. Das heisst, ich denke, dass mein Vorgesetzter und sein Vorgesetzter (Seilschaft) sich gegenseitig schützten und mit der externen jungen Personalverantwortlichen, die ich nicht kannte, mich gekündigt haben. Mir wurde sogar verwehrt mit der Direktion zu sprechen. Der Fall ist sogar für die Polizei unglaublich. Ich hatte zum Schutz des Arbeitsplatzes und um keinen Wind zu machen, den Fall sistieren lassen. Ab dem Moment, als das mein Vorgesetzter wusste, war ich gekündigt.
    Und nun stehe ich dann bald vor der Aussteuerung und war nie faul und immer in Arbeit. Ich habe nicht einmal eine Referenz, weil ich vermute, ich werde nachträglich noch Schlecht gemacht. Und alles fing damit an, dass sich mein Chef mir gegenüber unsittlich verhalten hat und im Firmenchat mir Sachen schrieb, wie, dass er mal eben mit mir im 4. Stock….ich erspare Ihnen das. Ich mache mir Sorgen um Mitarbeiter ohne Kaderfunktion. Sie sind denen, die nur noch darauf achten, ihr Boni zu bekommen, Firmenautos fahren und Firmenhandys nutzen, auf Kosten des Unternehmens fixiert. Wie soll so eine Führungskraft, die mit Macht und Manipulation sowie Angst führt ein Vorbild sein? Wie soll man Unternehmen noch trauen, die menschenverachtende und Existenz vernichtende Machtspiele von Führungskräften tolerieren? Man darf nicht vergessen, dass sie Menschen bis in den Tod treiben. Das klingt jetzt hart, ist aber so. Und schaut man sich die die Bewerbungspolitik an, wird mir Angst. Nur noch wer 100% auf ein Profil passt, wird eingestellt. Als Fachkraft keine Chance mehr zu erhalten ist doch nicht nachvollziehbar. Ich sitze zu Hause und habe Fachkenntnisse innerhalb der gesamten Genossenschaft, bin in die Nähe gezügelt (die Autobahnen sind ja schon überfüllt) und dann stellt man Personal ein, die über eine Stunde entfernt wohnen, aus den benachbarten Ländern? Ich selbst bin auch aus Europa, bin aber extra gezügelt, weil ich die Steuern in dem Land zahle, wo ich das Geld verdiene. So wie ich weiss, bleibt meine Arbeit seit Monaten liegen (Vertragsverhandlungen, Controlling, Prozessdokumentationen usw.). Ein ehemaliger Kollege kontaktierte mich und sagte, mit Dir ist Stil und eine sehr gute Arbeitskraft gegangen. Ich wollte das dann auch nicht mehr wissen. Aber es ist ein Arbeitgeber, der sich nach aussen rühmt sozial zu sein.

    • HR Today
      21. Oktober 2017 um 15:58

      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Was Sie berichten, ist erschreckend. Es tut uns Leid, dass Sie so etwas erlebt haben. Wir haben Ihren Kommentar an die Autorin weitergeleitet und sie wird Ihnen auch noch antworten.
      Wir wünschen Ihnen viel Kraft und alles Gute.

    • Biland Sabine
      29. Oktober 2017 um 17:56

      Liebe Schreibende. Ihr ausführliches und ungeschminkt persönliches Schreiben hat wohl nicht nur mich betroffen gemacht. Vielen herzlichen Dank dafür, dass Sie Ihre bitteren Erfahrungen mit uns teilen. Was Sie erlebt haben, darf ganz einfach nicht sein. Ich verzichte bewusst auf eine lange Antwort und schlage Ihnen vielmehr ein Telefongespräch vor, wenn Sie mögen. Sie erreichen mich unter unserer Geschäftsnummer 044/421 77 11. Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören und grüsse Sie freundlich, Sabine Biland-Weckherlin

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