Mit Geld allein kriegt man die Extra Meile nicht hin

Employee EngagementVor Kurzem hatte ich eine interessante Begegnung mit einer – auf den ersten Blick gegen-sätzlichen – Gesprächspartnerin. Claudia Würstle beschäftigt sich mit extrinsischen Aspekten der Arbeitsmotivation, während ich mich stärker auf die intrinsischen Elemente fokussiere. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass unsere Themen in einer konstruktiven Wechselwirkung stehen, die spannende Fragen aufwirft: Wo liegt das optimale Gleichgewicht zwischen intrinsischer Motivation und extrinsischen Anreizen? Wie belohnt man gute Zusammenarbeit? Und wie lässt sich ein nachhaltiges Vergütungsmodell in der Unternehmenskultur verankern?

In «Erfolg, Krise und Reform des Kapitalismus», einem Kurs an der Yale Universität von Professor Douglas W. Rae, erhielt ich 2008 aus erster Hand Einblick in eines der «Worst-Practice Examples» der modernen Wirtschaftsgeschichte. In der Vorlesung berichtete ein ehemaliger Finanzmanager von Enron von seinen Erfahrungen. Für jene, die den berühmten Enron-Skandal nicht kennen: Das innovative Energie-Unternehmen ging 2001 insolvent. Dies nachdem bekannt wurde, dass die Firma über Jahre systematisch ihre Bilanzen gefälscht hatte.

«Man tat das Falsche», sagte unser Gastreferent. «Und jeder wusste es.» Er erklärte weiter, dass man Gewissensbisse abgeschüttelt habe, indem man sich einredete, dass es die anderen Arbeitskollegen ja auch tun. Er habe damals den Augenblick verpasst, bei dem man auf die eigenen Wertvorstellungen von richtig und falsch hätte beharren sollen. Stattdessen liess er sich von schnellen finanziellen Gewinnen blenden.

Kein gutes Vorbild für Lohnmodelle

Als Consultant bei HCM International, berät Claudia Würstle Banken und Industrie-unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit in Vergütungssystemen. Die Lohnexpertin beobachtet hierzulande eine positive Entwicklung: In der Schweiz gibt es immer mehr Firmen, die soziale, umweltbezogene oder Governance-Kriterien in ihre Vergütungskonzepte integrieren.

«Internationaler Vorreiter ist hier zum Beispiel DSM aus den Niederlanden», erklärt Würstle. «Dort hängt ein Viertel des jährlichen Bonus von nachhaltigen Messgrössen ab und die Hälfte des langfristigen Bonus bemisst sich anhand von Zielen zur Energieeffizienz und Treibhausgasemission. Dies wird auch offen im Geschäftsbericht erläutert und ist ein gutes Beispiel für einen wichtigen Aspekt für den Erfolg nachhaltiger Vergütungskonzepte, nämlich die Transparenz.»

Erwerbsarbeit ist gleichzeitig intrinsisch und extrinsisch motiviert

Ein nachhaltiges Lohnmodell trägt dazu bei, intrinsische Motivation und extrinsische Anreize in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen. Aber was ist mit den Begriffen «intrinsisch» und «extrinsisch» eigentlich gemeint? Wer Flow erlebt, geht voll in seiner momentanen Tätigkeit auf, wobei die Anforderungen optimal den eigenen Fähigkeiten entsprechen. Solche Aktivitäten sind intrinsisch motiviert, das heisst, in sich selbst belohnend.

Geprägt wurde der Begriff «Flow» vom Psychologen Mihály Csíkszentmihályi, der das Phänomen bereits 1975 ausführlich beschrieb. In seiner Forschung beobachtete der Wissenschaftler unter anderem das Paradox, dass Arbeit von vielen Menschen als etwas Unangenehmes angesehen wird, obwohl sie bei der Arbeit häufiger Flow erleben als in ihrer Freizeit. Professor Willibald Ruch von der Universität Zürich erforschte das Phänomen weiter und fand heraus, dass Menschen, die drei oder mehr ihrer Stärken im Arbeitsalltag einbringen, ihren Beruf als Berufung bezeichnen.

Intrinsisch motivierte Mitarbeitende sind von sich aus engagiert, weil ihnen die Arbeit Freude bereitet. Wenn unser Arbeitsantrieb dagegen nicht in der Tätigkeit selbst, sondern in der Entlohnung liegt, spricht man von extrinsischer Motivation.

Extrinsische Anreize können die intrinsische Motivation ergänzen, in manchen Fällen jedoch auch vermindern. Verhaltensökonom Dan Ariely stellt fest: Geld bringt den Arbeiter dazu, jeden Tag wiederzukommen – motiviert ihn aber nicht, die sogenannte «Extra-Meile» in Angriff zu nehmen.

Also keine Boni mehr?

Soweit müssen wir nicht gehen – es kommt vielmehr darauf an, wie die Firma Erfolg definiert. Auf die Frage, welche Lohnanreize die Zusammenarbeit stärken, antwortet Claudia Würstle: «Zusammenarbeit wird gefördert, wenn die Vergütung nicht mehr an individuelle Ziele geknüpft wird. Stattdessen berücksichtigen moderne Vergütungskonzepte den Erfolg eines grösseren Teams, einer Abteilung oder des gesamten Unternehmens. Dies verhindert Silo-Denken und destruktiven Wettbewerb. Das gilt für nachhaltige Ziele umso mehr.»

Das Vergütungssystem sollte dabei nicht isoliert vom Gesamtkontext sein. Extrinsische Vergütungsanreize in Form einer Erfolgsbeteiligung sind entscheidend, wenn es darum geht, Eckpfeiler für die intrinsische Motivation zu setzten. Im Idealfall bildet das Vergütungskonzept den passenden Rahmen, der Vision, Werte und Unternehmenskultur vereint.

3 comments for “Mit Geld allein kriegt man die Extra Meile nicht hin

  1. Karlheinz Odermatt
    29. November 2018 um 14:39

    Spannender Artikel, Sunnie. Eigentlich verrückt, dass der lehrbuchmässige Enron-Skandal schon fast wieder in Vergessenheit geraten ist; dabei lässt sich aus diesem Extrembeispiel viel lernen zu (De-) Motivation und falschen Anreizen. Wenn man dies verinnerlicht und nicht verdrängt hätte, dann wären auch einige Unternehmens- und Politskandale der letzten Zeit in der Schweiz nicht geschehen… Die Motivation von einzelnen Menschen primär über Geld gehört m.E. wirklich auf den Prüfstand, wie es die Migros-Bank kürzlich vorbildlich getan hat.

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