Nichts ist selbstverständlich, lehrt uns die gegenwärtige Situation. Achten wir in Zeiten der Ungewissheit darauf, was uns wirklich wichtig ist, erhalten wir häufig Hinweise darüber, wie ein berufliches Leben aussehen könnte, das uns entspricht.
Viele können es nicht mehr hören, aber er steht im Raum, der grosse Elefant, der da Corona-Krise heisst. Ich komme nicht umhin ihn zu benennen, zumal sich dieser Blog um Laufbahn und Karriere dreht. Über dieses Thema in der gegenwärtigen Zeit zu schreiben, erschien mir im ersten Moment unmöglich, beinahe zynisch.
Die schwerwiegenden Folgen dieser Krise für unsere Wirtschaft sind in ihrer Tragweite nicht absehbar; die Prognosen sehen gemäss Expertinnen und Experten düster aus. Betroffen sind die verschiedensten Branchen und Unternehmen, wobei ich vor allem an die KMU und Selbständigerwerbenden denke, die von heute auf morgen ohne Aufträge und daher ohne Einkommen für sich und ihre Angestellten dastehen. Der Bund bietet finanzielle Unterstützung – wem, wann und wie viel, ist eine Diskussion für sich.
Blick nach vorne – es gibt eine Zeit danach
Wenn die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht, mutet das Nachdenken über Laufbahn und Karriere geradezu luxuriös an. Wer sieht, wie das eigene, über Jahre hinweg aufgebaute Unternehmen zusammenbricht und sich Gedanken machen muss, wie Essen und Miete bezahlt werden sollen, hat wenig Freiraum, grössere berufliche Pläne zu schmieden.
Dennoch mag es hilfreich sein, den Blick zu heben und nach vorne zu richten. Einer kürzlich veröffentlichen Umfrage zufolge sorgt sich unsere Bevölkerung in erster Linie um die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Familien, Freunde und Bekannten. Wie es wirtschaftlich weitergeht, rückt eher in den Hintergrund. Wenn die vermeintliche Sicherheit bröckelt und Selbstverständliches plötzlich alles andere als selbstverständlich ist, drängt sich die Frage nach dem wirklich Wichtigen auf. Vielleicht umso mehr, weil wir durch die uns auferlegte soziale Isolation gezwungen sind, uns vermehrt mit uns selbst zu beschäftigen. Das ist nicht unbedingt schlecht. Stelle ich mir nämlich die Frage, was mir wichtig ist, bin ich bald einmal bei meinen Werten.
Werte – Gradmesser für die Zufriedenheit
Werte sind häufig Thema in der Berufs- und Laufbahnberatung. Sie beeinflussen wesentlich unseren beruflichen Weg, auch wenn sie uns – was häufig der Fall ist – gar nicht richtig bewusst sind. Ein Grund mehr, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, wenn es um die berufliche Zukunft geht. Neben den Interessen, Neigungen, Fähigkeiten, der persönlichen Situation und den arbeitsmarktlichen Bedingungen lohnt es sich, sich über das eigene Wertesystem Gedanken zu machen. Es geht um Überzeugungen und Eigenschaften, die für einen selbst erstrebenswert sind. Um diesen auf die Spur zu kommen, kann man sich selbst ein paar Fragen stellen. Dazu eine kleine Übung:
- Was ist mir wichtig im Leben? Was ist mir im Bereich Arbeit und Karriere wichtig? Notieren Sie sich zu jeder Frage zehn Begriffe. Beispiele für mögliche Antworten: Gesundheit, Hilfsbereitschaft, Erfolg, Anerkennung, Sinnhaftigkeit, Sicherheit, Kooperation, Gemeinschaft, Kreativität, Schönheit usw.
- Diese Begriffe oder Werte haben für Sie bestimmte Bedeutungen, die nun möglichst konkret beschrieben werden sollen. Dazu stellen Sie sich erneut Fragen, wie etwa: Was macht Wert X (z.B. Kreativität) aus? Woran erkenne ich, dass ich kreativ bin? Wie sieht das Ergebnis aus? Was macht ein kreatives Unternehmen aus?
Gerade wenn berufliche Änderungen anstehen, ist die Auseinandersetzung mit diesen und ähnlichen Fragen angezeigt. Dabei geht es auch darum, wie die Werte gewichtet werden, also: Was ist mir am wichtigsten, wo bin ich zu Kompromissen bereit und wo nicht? Legen Sie dazu Ihren Prioritäten gemäss eine Reihenfolge der oben genannten Begriffe fest.
Die Antworten, dieses Wissen über sich selbst, können als eine Art Kompass dienen, wenn es um die Wahl der Tätigkeit und das Arbeitsumfeld geht. Ein Kompass, der die Richtung für Zufriedenheit anzeigt, das Gefühl, am richtigen Ort zu sein.
Einige werden sich nach der Corona-Krise gezwungen sehen, ihren beruflichen Weg neu auszurichten, andere werden dies vielleicht freiwillig tun. Dabei muss es sich nicht immer um grössere Korrekturen handeln. Häufig genügen kleinere Anpassungen, um die Zufriedenheit zu steigern.
Ich hoffe jedenfalls, dass aus dieser schwierigen Zeit auch Neues entsteht und nicht einfach der Wunsch, in allen Bereichen so rasch als möglich den Status quo ante wiederherzustellen. Denn vielleicht stellen sich gerade jetzt viele die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns. Wofür wollen Sie sich in Zukunft einsetzen? Wie auch immer die Antwort lauten mag, sie setzt hoffentlich viel Energie frei.