Dem Begriff «Job Crafting» bin ich vor vielen Jahren zum ersten Mal begegnet – sein wirkliches Potential erschliesst sich mir aber erst heute. Job Crafting macht sowohl Mitarbeitende als auch Organisationen fit für das digitale Zeitalter.
Menschen sind dann motiviert und mit Engagement bei der Sache, wenn sie ihre Arbeit mitgestalten und ihre Leidenschaft einbringen können. Aus Sicht der Organisation ist es nichts anderes als eine Einladung dazu, sich aktiv einzubringen, mit dem Ziel, dass die Passung zwischen Mensch und Aufgabe möglichst gross ist.
Aus Sicht des Individuums bedeutet es, Verantwortung für etwas zu übernehmen, was vielleicht nicht zum Rollenverständnis im engeren Sinne gehört, einem Thema besonderes Augenmerk zu schenken und die eigene Handschrift einzubringen. Persönliche Spuren zu hinterlassen, auch bei der Arbeit, wird im Zeitalter der Sinnsuche noch wichtiger – somit gewinnen diese Gestaltungsspielräume stark an Bedeutung. Bisher verkannt ist jedoch die Überlegung, Job Crafting als Zielbild für die betriebliche Weiterbildung zu sehen, und diesen Gedanken möchte ich heute teilen.
Der Routine trotzen
Als ich bei Microsoft war, schlich sich auch bei mir nach etwa drei Jahren eine gewisse Routine ein. Der Job, die Firma und die Menschen, mit denen ich zusammenarbeitete, machten mir weiterhin viel Freude. Aber die Nervosität, wenn man sich einer Aufgabe zum ersten Mal stellt und der Stolz, wenn das Wagnis dann gelingt, erlebte ich zunehmend seltener.
Das ist der Moment, wo sich viele in eine Weiterbildung (CAS Disruptive Technologies), ein intensives Hobby (Drohnenfliegen), einen Hund (unbedingt aus dem Tierheim) oder alle drei stürzen. Bei mir war das etwas anders. Ich stolperte mehr oder weniger per Zufall in das Thema New Work rein und begann, ausserhalb meines eigentlichen Jobprofils Verantwortung dafür zu übernehmen – zum Beispiel als Leiterin für das Projekt «Home Office Day» oder indem ich mit Kunden Workshops in unseren Büroräumlichkeiten zum Thema neue Arbeitswelten durchführte.
Plötzlich lernte ich an einem Tag wieder so viel, wie zuvor in einem Monat. Zum einen war ich intern viel in interdisziplinären Teams unterwegs und lernte neue Perspektiven kennen. Zum anderen vernetzte ich mich mit neuen Menschen extern – von anderen Firmen hin zu Umweltverbänden, Universitäten, Fachhochschulen, Politikerinnen und Politikern. Für mich war diese Ergänzung zur Linienfunktion sehr willkommen – ich konnte neue Themen ausprobieren, neue Fähigkeiten erwerben und neue Netzwerke knüpfen, ohne das sichere Terrain meiner damaligen Aufgabe zu verlassen.
Flexibel bleiben
Aus Sicht der Organisation ist Job Crafting genauso spannend. Vor dem Hintergrund der aktuellen Veränderungsdynamik ist das Flexibilitätsbedürfnis der meisten Organisationen sehr hoch und es ist daher äusserst interessant, wenn man bestehende Mitarbeitende, welche sowohl Erfahrung als auch ein fundiertes Kulturverständnis mitbringen, auf neue Fragestellungen ansetzen kann. Je interdisziplinärer und diverser diese Teams zusammengesetzt werden, desto grösser ist nicht nur die Perspektivenvielfalt, sondern auch der Lerneffekt für die einzelnen Beteiligten. Im Idealfall sind auch Externe beteiligt, die nochmals eine ganz neue Sicht, Herangehensweise und Kompetenzen einbringen.
Was hat das nun mit Lernen und Lernkultur zu tun? Ich glaube, dass die Themen, in denen sich momentan viele Organisationen weiterentwickeln wollen – Kreativität, Intrapreneurship, Eigenverantwortung, Mut zur Lücke, Interdisziplinarität, Flexibilität, Agilität, kritisches Denken etc. – unter echten Rahmenbedingungen erlebbar gemacht werden müssen, die sowohl für Individuen als auch Organisation direkten Nutzen stiften.
Natürlich sind nicht alle Menschen gleich experimentierfreudig und lernhungrig. In meiner rosaroten Welt wählt jede Person, das für sie ideale Verhältnis zwischen Routine und neuen Herausforderungen und reflektiert diese Mischung regelmässig.
Nachtrag zur Visualisierung: Natürlich schleicht sich auch bei Selbständigen eine gewisse Routine ein. Meine nächstes persönliches Wachstumsprojekt ist unter anderem das «Coworking Institut», das ich mit den beiden inspirierenden Unternehmerinnen Maria Bassi und Elisabeth Hirtl vom Coworking Space Wunderraum ins Leben rufe – weil wir das Momentum «Coworking» gemeinsam mit starken Verbündeten vorantreiben wollen. Stay tuned, stay curious!