Von klein auf sind wir es gewohnt zu lernen. Häufig informell, also ausserhalb einer formalen, schulischen Institution, dann wiederum formell in dafür vorgesehenen Settings. Dabei machen wir unterschiedliche und nicht immer positive Erfahrungen. Gruppenarbeiten scheinen für Letzteres prädestiniert zu sein.
Die meisten von uns eignen sich gerne neues Wissen und Können an, davon bin ich überzeugt. Wir alle haben aber auch eine «Lerngeschichte», die geprägt ist von positiven wie auch negativen Erlebnissen. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich bei einigen Widerstände regen, wenn es ums Lernen geht. Vor allem wenn damit mehr oder weniger schmerzhafte Erinnerungen verknüpft sind.
Förderung der Sozialkompetenzen?
In vielen Kursangeboten und Seminaren wird der Lehrstoff auf klassische Weise vermittelt, wozu auch Gruppenarbeiten gehören. Diese werden von Bildungspädagoginnen und -pädagogen oft als eine die Sozialkompetenz fördernde Lernform gepriesen, was sie prinzipiell auch wären. Im wissenschaftlichen Jargon lautet das so: «Die Gruppenarbeit ermöglicht den Teilnehmenden, eine Aufgabe kooperativ zu bearbeiten und anschliessend das gemeinsame Arbeitsergebnis zu präsentieren. Dabei werden kooperative, kommunikative und soziale Kompetenzen sowie Problemlöse- und Präsentationsfertigkeiten gefördert.»* Bei der klassischen Gruppenarbeit wird also Teamfähigkeit vorausgesetzt. Was aber, wenn die Teamfähigkeit oder der Wille, im Team zu arbeiten, nicht bei allen Gruppenmitgliedern gleich stark ausgeprägt ist? Dann sind Konflikte vorprogrammiert.
Kürzlich hat mich eine Freundin angerufen, verzweifelt, da sie am nächsten Tag eine Gruppenarbeit abgeben musste, ein Gruppenmitglied den eigenen Teil jedoch viel zu spät abgeliefert hatte, der ausserdem vor Fehlern strotzte. Ausserdem war diese Person untergetaucht und nicht mehr erreichbar. Die Nachtschicht zwecks Behebung der qualitativen Mängel war also vorprogrammiert. Das kam mir sehr bekannt vor. Zum Glück musste ich mir um meine Freundin, die eine sehr zuverlässige und engagierte Person mit viel Teamgeist ist, keine Sorgen machen. Ich tröstete sie, so gut es ging, erzählte von meinen eigenen Gruppenerlebnissen und unterstützte sie beim Korrektorat.
Die Erfahrung meiner Freundin ist typisch. Oftmals sind es die gleichen Personen, die in einer Gruppe Verantwortung übernehmen, die kooperieren und für eine Balance von Geben und Nehmen in der Gruppe sorgen (wollen), was sie wahrscheinlich auch sonst im Leben tun, während andere sich zurückhalten und erst einmal abwarten, was geschieht. «Wozu etwas tun, wenn andere es tun?», scheint deren Devise zu lauten. Es liegt auf der Hand, dass diese unkollegiale Haltung bei jenen, die sich für die Gruppe einsetzen, ungute Gefühle auslöst. Wie sollen sie damit umgehen? Ideal wäre es, ein sich anbahnendes Ungleichgewicht in der Gruppe frühzeitig und möglichst sachlich anzusprechen, so dass die «klassische» Rollenteilung zwischen Fleissigen und Bequemen sich gar nicht erst etablieren kann. Das ist nicht einfach und erfordert Mut, ist aber eine Möglichkeit, ungute Gefühle zu minimieren.
Neue Lernformen ausprobieren
Grundsätzlich schätze ich den Austausch in einer Gruppe, wenn Ideen geteilt werden, wenn sich die Mitglieder gegenseitig unterstützen, fördern und fordern. Das kann sehr bereichernd sein. Wenn ich mich wieder einmal für eine Lernveranstaltung interessieren sollte, werde ich mich vorher in jedem Fall erkundigen, wie viele Gruppenarbeiten vorgesehen sind und in welcher Form sie ablaufen. Erfahrungen wie oben geschildert, möchte ich nicht nochmals machen. Aber, je nach Stoff, vielleicht neue Lernformen des E-Learning, wie «MOOCS»**, ausprobieren? Das wäre doch etwas. Nicht dass es mir am Ende so geht wie einer Kollegin, die lapidar meinte: «Gruppenarbeiten sind für mich gestorben. Ich besuche nur noch Seminare mit Frontalunterricht.»
Quellen:
* https://wb-web.de/wissen/methoden/gruppenarbeit.html (Zugriff am 5.01.2020)
** Abkürzung für «Massive Open Online Course». Gemeint sind damit Online Kurse, die für eine grosse Menge an Teilnehmenden gedacht sind und oft keine Zulassungsbeschränkung haben. MOOCs sind aber auch für Unternehmen interessant. Die Plattformen bieten häufig eine extra Funktion zur Weiterbildung von Mitarbeitenden an. Quelle: https://www.e-learning-plattformen.de
Ich habe kein Problem damit, etwas alleine zu lernen, das neue Wissen in einer kleinen Gruppe zu einem grösseren Thema zusammenzusetzen und es dann der Klasse vorzutragen. Das Lernen kann ich jedoch nur allein, da bringt es nichts, wenn ich mit 4 anderen zusammensitze und jeder liest vor sich hin. Am liebsten ist mir Frontalunterricht, beim Zuhören formuliere ich Sätze und verknüpfe sie mit bereits vorhandenem Wissen. Was ich von Hand schreibe kann ich mir zudem besser merken und spätestens wenn ich etwas farblich markieren will, bin ich dabei schneller als mit einem Laptop.