Gleichwertigkeit der Taggeldversicherung

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Was müssen Arbeitgeber vor Abschluss einer kollektiven Krankentaggeldversicherung beachten?

Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm gemäss Art. 324a Abs. 1 OR die Arbeitgeberin für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten. Bezüglich der Dauer der Lohnfortzahlungspflicht, haben die Gerichte unterschiedliche Tabellen entwickelt. Die Parteien können die Lohnfortzahlungspflicht im Einzelnen regeln. Allerdings darf der gesetzliche Anspruch nicht unterschritten werden. Die Bestimmung ist einseitig zwingend.

Art. 324a Abs. 4 OR erlaubt zusätzlich auch durch schriftliche Abrede eine abweichende Regelung zu treffen, sofern diese für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist. Viele Betriebe machen von dieser Möglichkeit Gebrauch und schliessen eine kollektive Krankentaggeldversicherung (KTV) ab. Die Gleichwertigkeit ist allerdings nicht einfach zu bestimmen. Es sind unterschiedliche Dinge zu vergleichen:

  • Die KTV bezahlt in der Regel erheblich länger, als die beschränkte Dauer nach Art. 324a
  • Sie bezahlt unter gewissen Voraussetzungen auch weiter, wenn das Arbeitsverhältnis während der Krankheit beendet wird.
  • Die KTV bezahlt aber in der Regel nur 80 Prozent des Lohnes. Darauf sind aber keine Sozialabgaben geschuldet, so dass das Taggeld ungefähr dem Nettolohn entspricht. Das führt aber unter Umständen zu Einbussen in der Altersvorsorge.
  • Sieht die Versicherung im Gegensatz zum Gesetz Karenztage vor?
  • Kennt die KTV Gesundheitsvorbehalte?
  • Verlangt die KTV Mitwirkungshandlungen des Arbeitnehmers, welche das Gesetz nicht vorsieht?

Zudem fragt sich, ob Gleichwertigkeit für den einzelnen Arbeitnehmer oder für die gesamte Belegschaft gegeben sein muss. Für einen Arbeitnehmer, der kurz vor der Pensionierung steht, ist die längere Dauer der Leistungen ohne Bedeutung, für einen jungen Arbeitnehmer sehr wohl. Je nach Gesundheitszustand des Arbeitnehmers fallen die Karenztage ins Gewicht und nicht die längere Dauer der Leistungen.

Art. 324a Abs. 1 OR gewährt einen jährlichen Kredit für alle Verhinderungsgründe (ausser Schwangerschaft) gemeinsam. Die KTG betrifft aber nur die Krankheit. Kann mit einer grosszügigen Lösung im Krankheitsfall die Lohnfortzahlungspflicht bei Ausübung eines öffentlichen Amtes abgegolten werden?

Obgleich die Reglung seit über 40 Jahren in Kraft ist, sind die meisten dieser Fragen nicht geklärt.

Die herrschende Lehre geht davon aus, dass eine KTV, welche maximal 2 bis 3 (!) Karenztage vorsieht und Taggelder während 720 bzw. 730 bezahlt, gleichwertig ist, wenn die Arbeitgeberin mindestens die Hälfte der Prämien bezahlt. Die KTV darf aber keine Gesundheitsvorbehalte und keine Einschränkungen für bestimmte Krankheiten (psychische Krankheiten, arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit) kennen. Bezüglich der Prämienzahlung ist zu fragen, ob die Arbeitgeberin die Hälfte der Prämien auch weiterhin bezahlen muss, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ausschöpfung der gesamten 720 bzw. 730 Taggelder geendet hat. Ein Teil der Lehre schlägt demgegenüber vor, für den Vergleich von der KTV die Berechnung der Prämien für eine KTV zu verlangen, die das gesetzliche Minimum abdeckt. Wenn diese Prämie maximal gleich hoch ist, wie die für die abgeschlossene KTV, ist Gleichwertigkeit gegeben; wenn sie höher ist, nicht.

Trotz all diesen offenen Fragen ist es sinnvoll KTV abzuschliessen. Allerdings sollte in jedem Fall auf Gesundheitsvorbehalte und Ausschlüsse verzichtet und es sollten nicht mehr als 2 Karenztage vorgesehen werden. Im Arbeitsvertrag sind nicht die einzelnen Leistungen aufzuführen. Es ist nur auf den Versicherungsvertrag zu verweisen, der dann dem Arbeitnehmer abgegeben oder wenigsten zugänglich gemacht werden muss.

2 comments for “Gleichwertigkeit der Taggeldversicherung

  1. 24. Februar 2024 um 12:45

    Gleichwertig ist eine KTG-Versicherung, wenn:

    • Der Mitarbeiter 80 % Lohn während mindestens 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen erhält
    • Maximal 3 Karenztage pro Krankheitsfall vereinbart werden (Karenztage = Krankheitstage ohne Lohnzahlung)
    • Der Arbeitgeber mindestens 50 % der Prämien bezahlst

    Sind diese Bedingungen kumulativ erfüllt, gilt Art. 324a, OR als eingehalten.

    Bei einer sehr hohen Wartefrist (Karenzfrist) von 60 oder 90 Tagen und einer Beteiligung von 50% an der konkreten Krankentaggeldprämie ist die Gleichwertigkeit zu Lasten des Arbeitgebers nicht mehr gegeben. Würde dies dennoch einer „Gleichwertigkeit“ entsprechen, müsste der Arbeitnehmer an einer möglichst hohen Wartefrist im Krankentaggeldvertrag interessiert sein, um einen möglichst geringen Lohnabzug zu gegenwärtigen.

    Bekanntlich muss das gesamte KTG-Paket gleichwertig sein. Die kumulativen – obig erwähnten Erfordernisse an die Gleichwertigkeit einer KTV sind somit „Stellschrauben“.

    Könnte – vorbehältlich allfälliger GAV-Bestimmungen etc. – eine Regelung in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden, wonach sich der Arbeitgeber beim KTV erkundigt, wie hoch der Prämiensatz bei 2-3 Karenztagen wäre und dann die Hälfte dieses höheren Prämiensatzes, maximal den effektiven Prämiensatz, dem Mitarbeiter vom Lohn abziehen dürfte?
    Das wäre doch eine praktikable Lösung um die Gleichwertigkeit der Krankentaggeldlösung bei hoher Wartefrist wieder herzustellen.

    Der Arbeitgeber würde bei dieser Lösung ins „Risiko“ gehen, eine höhere Wartefrist vereinbaren und für die Wartefrist gleich einer Versicherung mit tiefer Wartefrist leisten. Es ist mir klar, dass im Zweifelsfall über die „Gleichwertigkeit“ der Richter entscheiden muss. Wie würden Sie entscheiden?

  2. René Brändle
    17. September 2023 um 18:56

    Die Aussage, auf den 80 Prozent KTV seien keine Sozialversichungsbeiträge geschuldet, trifft so nicht zu: Die Arbeitgeberin ist in der Regel nicht mehr abrechnungspflichtig; die Beiträge sind jedoch von der arbeitnehmenden Person als Nichterwebstätige direkt an die AHV/IV-Ausgleichskasse zu leisten.

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