Eine Begegnung in diesem Sommer liess mich einen wesentlichen Aspekt von Coaching wiederentdecken, vielleicht sogar den Kern. Als Coach, Coach Mentor und Supervisor erlebe ich viele persönliche Geschichten. Diese ist eine davon und darüber, wie man anderen vorurteilslos zuhört.
An einem traumhaften Ort am Meer im Westen Europas begegneten sich Klient und Coach per Zufall während ihres Sommerurlaubes. Durch diesen Umgebungswechsel erleichtert, weit ab von den Sorgen des teils brutalen Arbeitsalltags, war die Welt eine andere. Das einlullende Zirpen der Zikaden aus dem dichten Pinienwald und das Krachen der mächtigen Wellen bildeten die akustische Hintergrund-Kulisse.
Bei einem kühlen Getränk auf der Veranda unterhielten sich Klient und Coach, während ihre beiden Familien draussen im weitläufigen Fischerörtchen einen Spaziergang machten. Die zwei sprachen über vergangene Zeiten und über Karrieren im mittleren Alter mit ihren Hochs und Tiefs. Ein Thema hing die ganze Zeit in der Luft, so wie die vom Meer aufsteigende, duftende Brise nach Salz, Sand und Seetang.
Noch vor einem Jahr sah die Karriereentwicklung für den Klienten so vielversprechend aus. Direkt nach dem letzten Sommerurlaub sollte er eine neue Abteilung aufbauen, um damit die gesamte Organisation vorwärts zu bringen. Da das Arbeitsthema exakt seine persönliche Leidenschaft und beruflichen Fähigkeiten abdeckte, war die Vorfreude gross. Es schien, als bräche bald eine vielversprechende Reise in eine wunderbare neue berufliche Zukunft an.
Umso grösser dann der Schock. Am ersten Tag nach seinen Ferien erreichte ihn die Mitteilung, dass das Entwicklungsprojekt abgebrochen und er in drei Monaten keine Stelle mehr haben würde. Mit dieser Nachricht, ganz unverhofft aus dem Nichts heraus, sass der Klient nun da. Mit einer Hypothek für das frisch bezogene Einfamilienhaus in einer Nachbarschaft in der sich die Familie gerade erst mit vielen Mühen eingelebt hatte. Was die Kündigung nun für die Familie bedeutete, war nur schmerzhaft vorstellbar und kaum endgültig abzuschätzen.
dZu diesem Zeitpunkt melde sich der Klient beim Coach. Es ging darum zu verstehen, wie es nun weitergehen sollte und was als erstes zu tun wäre. Sollte direkt eine neue Stelle gesucht, die lang gehegte Idee der Selbständigkeit nun in die Tat umgesetzt oder dieser Schlag in die Magengrube, wie sich die unverhoffte Kündigung anfühlte, zuerst verarbeitet werden?
Um die Geschichte an dieser Stelle kurz zu halten: Während des nächsten Jahres fanden mehrere Gespräche zwischen Klient und Coach statt, währenddessen der Klient an den nächsten Schritten seiner Arbeitssuche arbeitete. Ziemlich genau zwölf Monate nach seiner Kündigung wird der Klient nun nach diesen Sommerferien eine neue Traumstelle antreten. Das bedeutet, dass es nicht um eine Notlösung zur Existenzsicherung geht, sondern einen echten nächsten Schritt, um seine Fähigkeiten zu erweitern und die berufliche Passion zu verfolgen. All das hat der Klient aus eigener Kraft geschafft. Nicht ohne zahlreiche Hochs und Tiefs, genügend Selbstzweifel, der Arbeit an sich selbst und an seiner Zukunft sowie gelegentlichen Gesprächen mit dem Coach.
Währen der Coach auf der Veranda etwas von dem gut schmeckenden und kühlen Getränk nachschenkt, teilt der Klient etwas ganz Besonderes. Er sagt: «Weisst Du, in all der Zeit der Unsicherheit, nicht zu wissen wie es weitergehen soll mit dem Job, mit der Familie, mit dem Wohnort, da warst Du für mich da. Wenn es mir in der Zeit wieder mal besonders schlecht ging, dann hat meine Frau jeweils zu mir gesagt, mach doch mal wieder einen Termin mit deinem Coach. Unsere Gespräche haben mir immer gutgetan. Du hast mir immer das Gefühl gegeben, dass es okay ist, wie ich bin, wie die Situation ist. Du hast mir zugehört, ohne mich zu verurteilen, egal wie schlecht es mir gerade ging. In meinem Bekanntenkreis wurde ich während dieser Zeit oft gefragt, ob ich denn nun eine neue Stelle hätte und wie es mir so mit der Arbeitslosigkeit gehe. Mit der Zeit mochte ich diese Frage nicht mehr hören, nicht mehr beantworten, weil die Leute mit meinen Antworten und meiner Situation nicht umgehen konnten. Sie wollten einfach hören, dass alles okay ist. Im Gegensatz dazu, warst Du als Coach auf eine andere Art für mich da. Ich wusste immer, dass ich bei Dir alles mitbringen kann, was mich gerade beschäftigt. Und dafür danke ich Dir, das hat mir jeweils wieder Boden unter meinen Füssen gegeben. Das hat mir auch Hoffnung und die Kraft gegeben, tun zu können was nötig war, um jetzt beruflich und privat wieder an einen guten Ort zu kommen.»
Für mich als Coach, Coach Mentor und Supervisor wird aufgrund dieser Geschichte klar, worum es im Coaching geht. Coaching ist zuhören und da sein als Mensch. Es ist Annehmen was ist, die Situation, den Menschen darin, die Ängste, die Sorgen, die Hoffnungen und schliesslich auch die ganz eigenen Lösungen der Klienten.
Als Coach muss das Zutrauen in die Selbstwirksamkeit der Klienten mindestens so gross sein wie das ihrige und oft auch noch etwas darüber hinaus. So kann ein Coach darauf vertrauen, dass alle Klienten die Fähigkeit besitzen, die für sie wünschenswerte, bessere Zukunft gestalten zu können. Etwas Hilfe dabei anzunehmen ist okay.
Danke Klienten. Danke Coaching. Danke Sommer.