Dürfen Arbeitgeberinnen ihren Arbeitnehmern verbieten, über den Lohn zu reden?

ArbeitsrechtÜber den Lohn spricht man nicht – erst recht nicht mit Arbeitskollegen. Dürfen Arbeitgeber das von ihren Mitarbeitenden verlangen?

Ich bin in Basel aufgewachsen und da galt: «Über Geld spricht man nicht!» Und: «Was man hat, zeigt man nicht!» Dann habe ich studiert und habe bei den Ökonomen gehört, Grundlage einer Marktwirtschaft sei es, dass die Preise zwischen den bestens über die ganze Marktlage informierten Parteien frei ausgehandelt werden.

Ich habe mich dann gewundert: Der Arbeitgeber stellt eine Vielzahl von Arbeitnehmenden an. Er weiss folglich genau, was üblicherweise bezahlt wird. Kennt der Arbeitnehmer die auf dem Arbeitsmarkt bezahlten Saläre oder kennt er nur seinen eigenen Lohn?

Ungleiche Information verunmöglicht ein faires Aushandeln der Vertragsbedingungen. Die Arbeitgeberin hat ein Interesse daran, den Informationsvorsprung gegenüber dem Arbeitnehmer zu wahren. Das ist aber in einer Marktwirtschaft kein legitimes Interesse. Soll eine Marktwirtschaft funktionieren, muss Lohntransparenz bestehen!

Kann die Arbeitgeberin ihre Arbeitnehmer verpflichten, den eigenen Lohn geheim zu halten? Das Einkommen gehört zu den persönlichen Daten eines Arbeitnehmers. In seinem privaten Bereich darf er selbstverständlich über Persönliches sprechen. Der private Umgang mit Arbeitskollegen ist üblich und gehört zu den Persönlichkeitsrechten jedes einzelnen. Gemäss Art. 328 OR hat die Arbeitgeberin «die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen.»

Diese Bestimmung ist zwingend und es kann im Arbeitsvertrag nichts vereinbart werden, was für den Arbeitnehmer schlechter ist. Von daher ist es auch nicht möglich, ein Verbot im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, mit Kollegen über den eigenen Lohn zu sprechen. Das wird durch das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann noch verstärkt. Eine Arbeitnehmerin kann eine Lohndiskriminierung nur feststellen bzw. vermuten, wenn sie weiss, was ihre Kollegen verdienen. Sie darf sie folglich auch danach fragen und diese dürfen ihr Auskunft geben.

Eine Ausnahme kann ausnahmsweise gegenüber Aussenstehenden bestehen, wenn der Lohn Rückschlüsse auf Geschäftsgeheimnisse, wie Preiskalkulationen oder Umsätze, zulässt. Das ist aber nur ganz selten der Fall und setzt im Normalfall weitere Kenntnisse von Interna voraus.

Selbstverständlich hindert diese Rechtslage einzelne Arbeitgeberinnen nicht daran, dennoch eine Verschwiegenheitsklausel in die Arbeitsverträge aufnehmen und diese dann auch durchsetzen zu wollen.

Allerdings werden sie mit der Durchsetzung auf erhebliche Schwierigkeiten stossen – die Klausel ist nichtig. Hält sich der Arbeitnehmer nicht daran, hat die Arbeitgeberin keine Sanktionsmöglichkeit. Selbstverständlich kann sie das Arbeitsverhältnis ordentlich künden. Die wegen der Verletzung einer ungültigen Vertragsklausel ausgesprochene Kündigung ist aber missbräuchlich. Auch dann ist sie zwar gültig und beendet das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitgeberin kann aber zu einer Strafzahlung von bis zu sechs Monatslöhnen verurteilt werden. Überdies führt eine solche Verurteilung zu einem Imageschaden.

4 comments for “Dürfen Arbeitgeberinnen ihren Arbeitnehmern verbieten, über den Lohn zu reden?

  1. 6. April 2020 um 10:13

    Vielen Dank für den interessanten Artikel! Ich habe mir nämlich diese Frage oft gestellt. Wenn man über das Gehalt frei reden könnte, würde es dem Arbeitsrecht viel helfen. Vor allem, was die Lohndiskriminierung zwischen Männer und Frauen betrifft.

  2. Heinz Krebs
    27. April 2018 um 14:19

    Wenn ein Arbeitgeber in der heutigen Zeit so etwas verordnet, kann man ihm definitiv nicht helfen. Das wird zum Eigentor erster Güte!

    Vielmehr gilt es mit einer angemessenen Transparenz das Thema Lohn betriebsintern (und natürlich dann auch gegen aussen angemessen) bekannt zu machen und die Komponenten, mit welchen einen Lohnfestsetzung oder eine -Lohnentwicklung erfolgt, offen auf den Tisch zu legen. Nur so wird es gelingen, das Vertrauen und die Nachvollziehbarkeit zu erlangen.

    Dass das nicht von Null auf Hundert zu erreichen ist, erscheint klar. Wer damit aber nicht anfängt, verliert…

  3. Fassbind N.
    26. April 2018 um 16:28

    Bei der CS war es verboten, weil der Lohn als Bestandteil des Geschäftsgeheimnisses galt (vielleicht ist heute noch so). Zwei Arbeitskollegen bekamen eine Verwarnung mit Kündigungsandrohung deswegen.

  4. 26. April 2018 um 16:19

    Lieber Thomas

    herzlichen Dank für die Aufklärung zur rechtlichen Seite, um die ich mit in meiner Zeit als Angestellter nie gekümmert oder mich habe beeindrucken lassen.

    Als ich 2008 in der Schweiz ankam, bin ich bei der CS direkt mit diesem Thema konfrontiert worden. Dass man über Löhne nicht spricht, kannte ich auch in DE schon aus dem Bankenumfeld. Aber dass selbst die Gehaltsbänder nicht transparent sind, war mir neu.

    Am Ende hat es vermutlich wenige Monate gedauert und durch Austausch hatte ich dann doch eine ungefähre Idee.

    Denn wie Du schreibst: „Ungleiche Information verunmöglicht ein faires Aushandeln der Vertragsbedingungen.“

    Am Ende geht es ja nicht nur um Transparenz beim Lohn sondern überall. In vielen Unternehmen wird über (In)Transparenz gesteuert. Wer hat welche Informationen etc.

    Von daher ist es im ureigenen Interesse der meisten Managementmodelle, nicht transparent zu sein.

    Am Umgang mit Lohn und Co zeigt sich häufig, wie ein Unternehmen wirklich ‚tickt‘.

    Herzliche Grüsse
    Ralf

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