Diversity im Umbruch: Was Personalverantwortliche jetzt wissen und tun sollten

Warum soll Diversität für HR-Abteilungen relevant sein? Was ist Diversität eigentlich wirklich? In Zeiten, in denen Inklusionsbestrebungen unter Druck geraten, braucht es die richtigen Fragen – und die richtigen Antworten. Unsere neue Bloggerin Sara Juen hat beides.

 


«Diversity is a fact, inclusion is a choice.»

– Justin Trudeau, ehemaliger Premierminister von Kanada


In Zeiten multipler Krisen, zunehmender Polarisierung und steigender wirtschaftlicher Unsicherheiten geraten Diversity-Programme unter Druck. In den USA ziehen Unternehmen sogenannte DEI-Ziele zurück, wobei DEI für Diversity, Equity und Inclusion steht. Einst gefeierte DEI-Initiativen werden hinterfragt oder gleich ganz abgeschafft. Auch in der Schweiz haben global agierende Unternehmen Diversitätsziele gestrichen (HR Today berichtete).  

Doch gerade jetzt, wo ein Gegenwind zu Diversity-Programmen weht, ist es fatal, Vielfalt und Diversity-Strategien als verzichtbaren Luxus zu behandeln. Denn Diversity ist mehr als ein HR-Projekt – es ist eine strategische Notwendigkeit, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und als Unternehmen wettbewerbs- und zukunftsfähig zu bleiben.

Was meinen wir mit Diversity?

Diversity ist weit mehr als die gängigen Dimensionen Geschlecht (auch Geschlechtsidentität) oder Alter. Bei allen Menschen ergeben sich sechs primäre Diversity-Dimensionen: die zwei bereits genannten sowie sexuelle Orientierung, geistige und körperliche Fähigkeiten (kognitive und körperliche Behinderung sowie chronische Krankheiten), soziale Herkunft, Nationalität und ethnische Herkunft. Diese Diversitätsdimensionen sind unterschiedliche Merkmale, die die Vielfalt von Menschen innerhalb einer Gesellschaft ausmachen. Sie beschreiben Unterschiede und Gemeinsamkeiten, die die Identität, Erfahrungen und Perspektiven prägen. 

Zusätzlich zu den primären Dimensionen gibt es die sekundären Dimensionen wie Religion und Weltanschauung, Wohnort, Einkommen, Berufserfahrung und Ausbildung. Diese sind im Gegensatz zu den primären Dimensionen, die unveränderlich oder schwer veränderbar sind, wandelbar – aber dennoch persönlichkeitsprägend. Mehrfachzugehörigkeit bei Diversitätsdimensionen kann begünstigen, dass eine Person mehrfach diskriminiert wird. Eine lesbische Frau mit einer Behinderung kann zum Beispiel aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts oder ihrer Behinderung diskriminiert werden. 

Diversity in einem Unternehmen allein bedeutet nicht automatisch Gerechtigkeit und Inklusion. Erst wenn die unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnisse aktiv einbezogen, wertgeschätzt und genutzt werden, also inklusiv sind, entsteht ein Mehrwert für alle. Deshalb sprechen wir am Institut für Gender und Diversity an der OST – Ostschweizer Fachhochschule von «Inklusiver Diversität». Um inklusive Diversität zu leben und zu fördern, braucht es gezielte Strukturen und Prozesse – insbesondere im HR.

Warum ist Diversity relevant für Unternehmen und HR?

Zahlreiche Studien zeigen: Divers aufgestellte Teams sind innovativer, treffen bessere Entscheidungen und sind wirtschaftlich erfolgreicher. Unterschiedliche Perspektiven fördern Kreativität und helfen dabei, Wahrnehmungslücken zu vermeiden. 

Für Personalverantwortliche bedeutet das: Diversity betrifft nicht nur das Recruiting, sondern wirkt sich auf jede Phase des «Employee Life Cycle» aus. Es beginnt mit einem diskriminierungssensiblen Recruiting, setzt sich in fairen Zugängen zu Weiterentwicklung und Karrierechancen fort und zeigt sich in einer Unternehmenskultur, in der Unterschiede als Ressource und nicht als Störfaktor verstanden werden. Dazu gehört auch, Führungskräfte zu den Themenbereichen zu schulen und sie in ihrer Rolle als «Inclusive Leader» zu stärken.

Vielfalt ist damit nicht nur eine Frage von Ethik oder Gleichberechtigung – sie ist ein Wettbewerbsvorteil in Zeiten von Arbeitskräftemangel, komplexen Märkten und steigendem Innovationsdruck. Unternehmen, die Vielfalt strategisch verankern, investieren in ihre Zukunftsfähigkeit.

Von Haltung zu Handlung: Wie HR Diversity wirksam macht

Das HR hat die Chance – und trägt die Verantwortung – Diversity nicht als Nebenprojekt zu behandeln, sondern als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie. Das beginnt beim Bewusstsein für unbewusste Vorurteile im Recruiting, geht über die Analyse von internen Daten (etwa zum Gender Pay Gap oder Beförderungspraxen) bis hin zur aktiven Gestaltung inklusiver Lern- und Führungsräume. Entscheidend ist: Vielfalt braucht mehr als Programme – sie braucht gelebte Praxis. Mehr als gute Kommunikation, nämlich klare Haltung und konsequentes Handeln. Das HR kann hier als Impulsgeberin und Brückenbauerin agieren – zwischen Top-Management, Mitarbeitenden und Realität.

Diversity ist kein Trend, sondern Teil der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Wer heute Vielfalt ernst nimmt, schafft die Grundlage für Innovationskraft, Resilienz und Vertrauen – intern wie extern. In einer Metapher ausgedrückt: Der Weg zu inklusiver Diversität ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Ich freue mich, Sie in dieser Blog-Kategorie mit auf eine Reise durch Diversity-Themen nehmen zu dürfen. In den nächsten Blogbeiträgen schauen wir uns konkrete Themenfelder an und welche Methoden in der Praxis funktionieren können.

Diversity beginnt nicht mit einem Leitbild. Sondern mit Entscheidungen.


Veranstaltungshinweis: In unserem Forschungsprojekt «Mit New Work dem weiblichen Fachkräftemangel in der MINT-Branche begegnen!» untersuchten wir in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit Unternehmenspartner:innen, welche Rahmenbedingungen weibliche Fachkräfte in der MINT-Branche benötigen und welche Massnahmen Unternehmen ergreifen können, um attraktive und zukunftsfähige Arbeitsumfelder zu schaffen. In der Abschlussveranstaltung New Work – (F)empowerment für die MINT-Branche | OST werden unsere Erkenntnisse und Massnahmen neben einem vielseitigen Programm vorgestellt und diskutiert – ein wichtiger Schritt hin zu mehr Chancengerechtigkeit und Vereinbarkeit im MINT-Sektor.



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