Digital Leadership: vier Thesen für eine erfolgreiche Transformation

Employee EngagementWenn wir von der digitalen Transformation sprechen, bedienen wir uns gerne meteorologischer Metaphern: so ist immer wieder die Rede von einem «digitalen Tsunami» oder «Hurrikane», der unaufhaltsam auf uns zurollt. Der Vergleich hinkt jedoch in mancher Hinsicht hinterher. Denn so tiefgreifend, unaufhaltsam und irreversibel die digitale Transformation auch sein mag, es handelt sich hier keineswegs um eine unkontrollierbare Naturgewalt, sondern um einen in erster Linie von Menschen gemachten Wandel. Das heisst, wir können diesen Prozess aktiv gestalten.

Eine ideale und erfolgsversprechende digitale Transformation, bedingt das Engagement der Mitarbeitenden auf allen Stufen. Es braucht neue Denk- und Herangehensweisen. Hier sind meine vier Thesen zu Digital Leadership:

1. Der neue Digital Leader ist in erster Linie ein Coach

Digital Leadership stellt neue Anforderungen an Führungskräfte. Die Führungskräfte der Zukunft müssen nicht nur ein gutes Technologieverständnis mitbringen und evaluieren können, welche technologischen Lösungen die Firma braucht, um beispielsweise eine Datenstrategie umzusetzen. Sondern sie müssen auch den Kulturwandel moderieren, ihn ein Stück weit selber vorleben, damit das Potenzial der neuen Technologien überhaupt ausgeschöpft werden kann.

Im Grunde ist es die Rolle eines Coaches, der neue Spielräume eröffnet. Der altes Silodenken aufbricht und vernetzt denkt, Kollaborationen nicht nur ermöglicht, sondern auch aktiv dazu ermutigt.

2. Technologie macht nicht alles automatisch besser

Blockchain, AI, IoT – auf jede Neuerung aufzuspringen ist noch keine Strategie. Technologie allein macht das Geschäft (und auch das Team) nicht besser. Das Wichtigste bleibt nach wie vor die Frage: Wie setze ich diese Technologien sinnvoll ein, sodass sie einen Mehrwert bieten? Und dabei muss man das ganze Feld überblicken: Es gibt primäre und sekundäre Konsequenzen. Man könnte auch sagen: unerwünschte Nebenwirkungen.

Nehmen wir das Beispiel Facebook. Das primäre Ziel war, die ganze Welt zu vernetzen. Die Nebenwirkung: Mit diesem Tool werden heute massenweise Fake News verbreitet. Das hatte niemand eingeplant. Die Führungskraft der Zukunft muss vorausschauend sein und holistisch denken. Auf allen Digitalkonferenzen werden Innovationen enthusiastisch gefeiert. Das ist auch grundsätzlich richtig, man braucht Begeisterung für dieses Thema.

Gleichzeitig sollte man – neben ethischen Aspekten – aber immer wieder hinterfragen: Was für einen Fortschritt erziele ich wirklich mit dem Einsatz einer neuen Technologie? Bringt dieser Fortschritt tatsächlich einen Gewinn für die Kunden, Partner, Mitarbeitenden und schliesslich für die Gesellschaft? Ich glaube, das wird eine Kernkompetenz der künftigen Führungskräfte.

3. Branchengrenzen lösen sich immer mehr auf

Die Bedeutung von Kooperationen wird enorm zunehmen. Es wird wichtiger, in Plattformen, Clustern und Innovationsökosystemen zu denken und zu agieren. Das bedeutet, dass man sich viel intensiver um das Stakeholder-Management innerhalb dieser Kooperationskonstrukte wird kümmern müssen. Kooperationen zwischen Corporates und Startups, zwischen alten Traditionsunternehmen und Spin-offs aus Universitäten oder zwischen Firmen aus unterschiedlichen Branchen. So wird es gelingen, Innovationen voranzutreiben, die man aus eigener Kraft mit seiner Forschungs- und Entwicklungsabteilung gar nicht stemmen könnte.

Man darf dabei nicht unterschätzen, wie schwierig es sein kann, Wissen mit externen Partnern zu teilen, die im Daily Business Wettbewerber sind. Das ist eine Kulturfrage: sind wir in der Lage, über das konkurrenzierende Verhalten im Daily Business hinauszudenken und sich partnerschaftlich und kollaborativ zu verhalten, um längerfristig eine Chance gegen disruptive Technologiegiganten zu haben? Das wird künftig eine der entscheidenderen Herausforderung für Führungskräfte. Denn sie müssen ihr Mindset verändern, um in diesen neuen Ökosystemen navigieren zu können.

4. Wir können nicht mit der «Culture as usual» weiterfahren

In Zusammenarbeit mit der Schweizer Kader Organisation und einer Schweizer Fachhochschule habe ich eine Studie mitinitiiert, in der wir über 450 Führungskräfte befragt haben, was die aktuelle Führungskultur ausmacht und was in Zukunft wichtiger sein wird. Gemäss der Befragung zeichnet sich unsere aktuelle Führungskultur durch Qualitätsbewusstsein, Effizienz, Leistungsorientierung und Loyalität aus. Auf den untersten Plätzen rangierten Flexibilität, Risikobereitschaft, Inspiration und Begeisterungsfähigkeit.

Bei der Frage, was in Zukunft wichtiger wird, sind die Antworten wiederum: Risikobereitschaft, Begeisterungsfähigkeit, Inspiration, Flexibilität – also alles, was wir in der aktuellen Führungskultur eher nicht vorfinden. Das heisst, die Führungskultur, die wir heute haben und die Führungskultur, die wir morgen brauchen, haben wenig gemeinsam. Es gilt: Wir können nicht mit der «Culture as usual» weiterfahren. Wie die Studie zeigt, sind sich Führungskräfte dessen bewusst. Die neuen Leader müssen flexibler werden, begeisterungsfähiger, risikobereiter. Es braucht ein neues Selbstverständnis, visionär zu denken – und zwar nicht nur im Topmanagement, sondern auch im mittleren Segment.

Fazit

Ganz gleich ob uns der Vergleich mit spektakulären Wetterphänomenen zusagt oder nicht, wir können die digitale Transformation zweifelsohne als eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit bezeichnen. Obwohl das Bewusstsein für die massgebende Rolle von Digital Leadership vorhanden zu sein scheint, hinken viele (auch grosse) Unternehmen der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung hinterher, anstatt das Thema in die Hand zu nehmen. Wir sollten die digitale Transformation und den damit einhergehenden Kulturwandel zur obersten Führungsaufgabe machen. Ihr Gelingen wird letztendlich über langfristigen Erfolg oder Scheitern von Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften entscheiden.

2 comments for “Digital Leadership: vier Thesen für eine erfolgreiche Transformation

  1. 13. Juni 2019 um 15:17

    Super auf den Punkt gebracht, ich gratuliere zu diesem Artikel! Wir haben anfangs 2018 mit dem Gesamtkader der SVA Zürich einen Dialog- und Diskussionsprozess gestartet und unser Führungsverständnis neu definiert. «Der Chef sagt, was zu tun ist und der Mitarbeitende führt aus.» – dieses traditionelle Rollenbild ist aus unserer Sicht passé. Wir haben ein modernes, zukunftsorientiertes Führungsverständnis erarbeitet und uns auf dem Weg dorthin gegenseitig hinterfragt und inspiriert. Wir sind nun mit Begeisterung und Überzeugung daran, das neue Führungsverständnis im operativen Alltag umzusetzen. Ein spannender Prozess, der Offenheit und Mut voraussetzt, um neue Wege zu beschreiten. Eine neue Führungskultur entsteht – es lohnt sich!

    Herzliche Grüsse, Angela Peterelli
    Leiterin Human Resources SVA Zürich

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