Die Pandemie zeigt uns auf, was digital alles möglich ist. Noch mehr erkennen wir unsere analogen Sehnsüchte. Ein Plädoyer für eine Zukunft, die mehr als digital ist.
Die zweite Hälfte der Transformation
Selbstverständlich prägt das Digitale unsere Zukunft. Die letzten Monate entblössten, wo Portale, Webshops und Kompetenzen fehlen, wo wir als Gesellschaft unsere Daten nicht im Griff haben. Auf unseren Einzahlungsscheinen fehlen QR-Codes, die Sozialversicherungen sind keine Plattformen. Bei etablierten Banken online ein Konto zu eröffnen, entpuppt sich als Spiessrutenlauf: Unterschriften auf PDFs gelten nicht, ein Ausweis muss abgetippt statt fotografiert werden.
Das Erlebnis im Impfzentrum erinnert durch die Armeezelte zwar an Science Fiction, aber papierlos ist es nicht. In den nächsten zehn Jahren wird Digitalisierung heissen, die noch nicht ausgeschöpften Potenziale des Vernetzens zu nutzen. Das aber heisst auch: wir treten in die Konsolidierung der Transformation ein. Nicht das Neue steht im Vordergrund, sondern dessen konsequente flächendeckende Nutzung.
Das Digitale begeistert nicht
Doch unsere Erfahrungen der letzten Monate empfehlen Innovation nicht nur in einer digitalen Perspektive zu denken. Durch Covid-19 erfuhren wir die Vorteile des Digitalen, vielleicht aber noch mehr unsere analogen Sehnsüchte. Die digitalen Visionen der letzten Jahre haben ein grosses Problem. Sie begeistern nicht: Gigantische Big Data Pools, Virtual Reality Brillen, diffuse Blockchain-Fantasien oder Haushaltsroboter, die uns das Frühstück ans Bett bringen.
Zumindest in meinem persönlichen Umfeld kenne ich niemanden, der ungeduldig auf diese Zukunft wartet. Einigen macht sie Angst, andere halten sie für unnötig, wieder andere kritisieren die ökologischen Folgen oder perversen Renditen der Digitalisierungstreiber. Innovation muss mehr sein als ein Kommunikationskanal, mehr bieten als Rendite, Effizienz und Beschleunigung. Sollte sie nicht begeistern, Emotionen wecken?
Neue Qualität der Begegnung
Zukunft: Das sind unsere Geschichten über ein anderes, besseres Leben. Solche intensiven, natur- und selbstnahen Zukünfte verlangen eine andere Qualität der Interaktion. Soll Zukunft nicht Begegnungen schaffen – mit unseren Mitmenschen, Tieren und Pflanzen, mit uns selbst? Neue Formen des Lernens, Wohnens und Reisens, Wandel von Universität, Arbeitskultur und Landwirtschaft, Städte- und Siedlungsbau sind dazu gefragt.
Die Begegnungen mit Mensch und Tier könnte pinker werden – überraschender, sinnlicher, leidenschaftlicher. Selbstverständlich werden sie grüner, das heisst nachhaltiger, energie-, rohstoff- und abfallintelligenter. Je mehr wir uns durch höhere Lebenserwartungen der Gesellschaft der 100-Jährigen nähern, desto wichtiger wird die silbrige Qualität der Begegnung: Das Langsame, das Geduldige, das Leise. Wie erhalten Zeit, um Dinge durchzudenken.
HR als Begegnungsdesignerin
Will HR etwas mit Zukunft zu tun haben, könnte es zum einen die Begegnungsqualität seiner Mitarbeitenden verbessern. Dazu treibt es die Transformation unserer Arbeitsräume weiter voran. Es kuratiert die Pausen, etabliert neue Karrierewege, denkt Feedback und Lernformate neu. Mitarbeitende und Organisation unterstützt es darin das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Das Digitale gilt es als Lösung mitzudenken – aber nicht als Selbstzweck, sondern als Hilfsmittel.
Zum anderen könnte HR seine Mitarbeitenden zu Designerinnen grüner, pinker und silbriger Innovationen machen. Dazu schickt es diese auf Zeitreisen in ferne Zukünfte oder die Retro-Zukünfte der Vergangenheit – durch Bücher, Filme und Museen. Erlebnisparks, immersive Theater oder Gesandte in den Megastädten Asiens. Es räumt Zeit frei, um die Gegenwart kritisch zu durchleuchten.
Und drum schreiben wir auch wieder mal von Hand! Das ist echt inspirierend – und begegnen wir nicht uns selbst in unseren Schriftzügen?
Diesem Kommentar von Chirsch schliesse ich mich gerne an.
Priska
Nicht nur digital. ;-)
Oder wie Joël so schön schreibt: «…für eine Zukunft, die mehr als digital ist.»