Wie gekündigt wird fällt nicht nur auf Unternehmenskultur und Personalmarketing zurück. Es ist vor allem prägend für den ausscheidenden Mitarbeitenden und hat einen wesentlichen Einfluss darauf, wie er oder sie die nächsten Schritte der Karriereentwicklung angehen kann.
«Man hat mir gekündigt.» Ein Satz, der vor allem in der jetzigen Zeit häufig zu hören ist. Für den Betroffenen kann eine Kündigung vieles auslösen: Unsicherheit, Ängste, Unverständnis, Geringschätzung, fehlende Loyalität usw.
Doch woran bemisst sich der Wert eines Mitarbeitenden? Aus Sicht des Unternehmens ist dies einfach zu beantworten: Skills und Aufgabenerfüllung. Aus Sicht des Mitarbeitenden geht es hingegen um Themen wie Anerkennung und Respekt. Diese Themen sind nicht nur während einer Beschäftigung äusserst wichtig, sondern auch, beziehungsweise ganz besonders im Trennungsfall. Haben diese Werte doch eine grosse Auswirkung auf das Selbstbewusstsein und Verhalten eines jeden Einzelnen.
Trennungskultur
Kultur steht für Geschaffenes und Gestaltetes. Trennung hingegen impliziert ein Ende von etwas. Und da liegt die grosse Herausforderung: Wie können Unternehmen in einem Trennungsfall sicherstellen, dass der Mitarbeitende «wertvoll» behandelt wird? Wer soll entscheiden, wer bei einer notwendigen Restrukturierung betroffen sein wird und wer nicht? Sollen Mitarbeitende mitentscheiden «dürfen», wer bleiben darf und wer nicht?
Das Beispiel Globetrotter gab viel zu reden – auch mein Blogger-Kollege Etienne Besson äusserte sich in seinem letzten Podcast dazu. Einerseits ist es ungewöhnlich und spannend, dass im Rahmen eines Abbaus ein soziokratischer Ansatz gewählt wurde. Andererseits ist es aber mit Sicherheit eine grosse Herausforderung für die gesamte Belegschaft, über die Zukunft von Kolleg*innen zu entscheiden. Nicht jeder kann mit einer solchen Verantwortung umgehen. Denn Kündigungen gerade aus wirtschaftlichen Gründen sind auch eine Belastung für die Personen, welche die Kündigungen aussprechen müssen. Neben der möglichen Verunsicherung bezüglich der eigenen Zukunft (Stichwort: nächste Pandemiewelle) besteht ja meist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen beiden Seiten, welches unerwartet aufgelöst wird.
Viele Fragezeichen, doch das Ziel definiert den Weg
Um zu definieren, was es zu einer guten Trennungskultur bedarf, starte ich gerne mit dem gewünschten Resultat: Was möchte ich hören, wenn ehemalige Mitarbeitende über das Unternehmen sprechen? Etwa: «Ich habe nicht verstanden, warum man mir gekündigt hat. Niemanden hat es gekümmert, dass ich in meinem Alter keinen Job mehr finden werde. Das Kündigungsgespräch fand zwischen Tür und Angel oder per Telefon statt. Am nächsten Morgen bin ich schon von Kollegen auf meine Kündigung angesprochen worden. Ich hätte mir Unterstützung gewünscht für meine Jobsuche.»
Typische Sätze, die jedoch ein Unternehmen kaum hören möchte. Sie beeinträchtigen die Wahrnehmung der Betroffenen und bald der Öffentlichkeit, wie ein Unternehmen auf dem Arbeitgebermarkt wahrgenommen wird.
Stattdessen: «Die Kündigung hat nichts mit mir persönlich und meinem Engagement zu tun, sie basiert auf der aktuellen wirtschaftlichen Situation. Ich habe ein Paket angeboten bekommen, mit dem ich Lücken ausgleichen kann, bis ich etwas Neues gefunden habe. Die Atmosphäre war okay und ich habe Antworten auf meine Fragen erhalten. Danach war da ein Coach, mit dem ich reden konnte und der mir Infos zu möglichen Unterstützungsangeboten gegeben hat.»
Entscheiden Sie selber, welche Variante besser zu Ihnen und zur Kultur Ihres Unternehmens passt.
Trennungskultur oder der Sinn, darüber nachzudenken
Der Begriff Trennungskultur ist für jedes Unternehmen wichtig und sollte Teil der Unternehmenskultur sein. Sie soll durchdacht, definiert und gelebt werden. Was ist nun aber konkret Teil einer «guten» Trennungskultur?
Feedbackgespräche – unabhängig von einer Trennungssituation:
Wir erleben häufig, dass der Mitarbeitende überrascht auf die Trennung reagiert. Gerade, wenn es sich um eine leistungsabhängige Kündigung handelt, ist es wichtig, dass Mitarbeitende aufgrund der (möglichst dokumentierten) Gespräche im Vorfeld die Entscheidung nachvollziehen können.
Individuelle und rechtssichere Trennungspakete:
Rechtssicherheit vermeidet unklare Situationen. Und ein Trennungspaket ist dann gut, wenn die persönlichen Umstände und die Chancen auf einen neuen Job so gut es geht berücksichtigt werden. Eine ungekündigte Stellung (im Sinne einer verlängerten Kündigungsfrist) kann die Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessern. Besteht die Möglichkeit einer Freistellung, hat der Mitarbeitende auch genug Zeit, sich der Neuorientierung zu widmen.
Vorbereitung:
Im Vorfeld eines Trennungsgesprächs ist es wichtig, die Rollen zu klären, die Botschaft zu definieren und die Durchführung zu üben. Für viele Chefs langjähriger Mitarbeitender ist es eine emotional belastende Situation. Kündigungsgespräche stehen meist weder auf der Tagesordnung noch fühlen sich viele Führungskräfte und auch HR bereit dazu. Ein Training und eine Begleitung im Vorfeld können unterstützen und eine wertschätzende Kommunikation sicherstellen. Die Botschaft muss klar sein und sollte keinen Raum für Fehlinterpretationen oder Hoffnungen geben. Inhalte dieser Trainings sind auch Wer lädt wann ein? Wo finden die Gespräche statt? Wer sagt was? Wie reagieren wir, wenn es zu Tränen, Wut oder Diskussionen kommt? Wie kann der Mitarbeitende danach ungesehen die Räumlichkeiten verlassen, bzw. wer begleitet ihn hinaus? Etc.
Care-Teams:
Wie wird ein Mitarbeitender direkt nach dem Kündigungsgespräch betreut? Wer steht für Fragen, Unsicherheit, Ängste und Tränen zur Verfügung? Oft möchten Mitarbeitende bei HR und ihren Vorgesetzten das Gesicht wahren und verstecken die Emotionen. Diese sind jedoch sehr wichtig und Teil der «Verabschiedung». Hier kann ein externes, professionelles Care Team hilfreich sein. Mitarbeitende können so aufgefangen und auch im Nachgang betreut werden.
Interne Kommunikation:
Wie wird die Entscheidung möglichst einvernehmlich an die Kollegen kommuniziert? Wer kümmert sich um die verbleibenden Kollegen? Wie wird übermittelt, dass ein Unternehmen auch im Trennungsfall Verantwortung übernimmt? Diese Punkte gehen in der gesamten Vorbereitung oft vergessen. Die interne Kommunikation und der Kontakt zu den Kolleg*innen sind Chefsache. Seien Sie sich auch dieser Verantwortung bewusst.
Trotzdem wird es nicht immer gelingen, «gut» zu kündigen. Mit einer guten Vorbereitung und der Berücksichtigung der Punkte oben können indes gute Voraussetzungen geschaffen werden, um einen Mitarbeitenden wertschätzend und im Sinne einer guten Trennungskultur zu verabschieden.
Guten Tag Frau Scheiwiller.
Ich bin mit dem Gesagten absolut einverstanden. Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass die Art und Weise einer Trennung nicht nur für den oder die direkt Betroffenen prägend ist, sondern auch für die sogenannten Survivor, also die verbleibende Belegschaft. Diese beobachten meist sehr genau, wie im Kündigungsfall mit ihren Arbeitskollegen/innen verfahren wird. Das sind sich die Entscheidungsträger nicht immer bewusst. Hier könnten das HRM und die Linie viel Goodwill schaffen, beispielsweise durch gelebte Fairness, angebotene Outplacements und verlängerte Kündigungsfristen. Das zahlt sich längerfristig immer aus.
Beste Grüsse aus Luzern,
Luc Auf der Maur
Grüezi Herr Auf der Maur
Herzlichen Dank für Ihre wichtige Ergänzung. Es stimmt, leider gehen die «Zurückgebliebenen» oft vergessen. Auch sie sind auf eine bestimmte Art betroffen und brauchen Tools wie Resilienz, Standortbestimmungen um ihren Marktwert sicherzustellen und die Motivation hochzuhalten.
Sie sprechen es an: Die Führungskräfte und HR übernehmen in solchen Prozessen viel Verantwortung. Es ist eine grosse Herausforderung in einem Change zu «führen», zu kommunizieren, zu motivieren. Deshalb gilt es vor allem die Führungskräfte für diesen Change mit Trainings und Tools vorab zu stärken.
Beste Grüsse,
Sibylle Scheiwiller