Die gnadenlose Rumschubserei

Print Friendly, PDF & Email

Armin Ziesemer KarriereIn diesem Blog gehe ich auf toxische Beziehungsdynamiken auf dem Karriereweg ein. Denn die Erfahrung aus dem Business Coaching zeigt, dass sich Konflikte aus Machtspielen für den persönlichen Karriereweg zu häufen scheinen. Die Nerven liegen da und dort blank. Die Sicherung der eigenen Existenz wird wesentlicher. Das Kellerbüro wird Realität.


Die moderne Arbeitswelt bietet vielfältige Karrieremöglichkeiten. Die Karriereleiter emporzusteigen ist das Ziel vieler Menschen, die ihr Bestes geben, um in ihren Jobs erfolgreich zu sein. Doch oft ist der Weg zum Erfolg von Herausforderungen und Hindernissen geprägt. Eine dieser Herausforderungen sind Belastungen aus Beziehungsdynamiken, die auf Machtspielen aufbauen.

Rumgeschubst werden

Da blieb mir doch glatt die Luft weg, als ich in Salzburg am Kongresstag der Österreichischen Gesellschaft in meiner Session mit Thomas Böhlefeld auf einem Post-It las: «MitarbeiterIn wird zum Plumpsack*». Unser Fokus war, wie Verantwortungen und Aufgaben Mitarbeitenden zugeschoben werden ohne Verbindlichkeiten zu schaffen und damit für Konfliktdynamiken in Teams zu sorgen. Aber dass gleich Menschen rumgeschubst werden sollen, überraschte uns doch sehr. Im Austausch wurde uns bald klar: Die Metapher hält die Grausamkeit, die sie verspricht.

Wer Menschen als Manövriermasse erachtet und sie für mehr Effizienz oder Produktivität nutzt, trägt direkt oder durch sein Dulden indirekt zu schwerwiegenden psychischen Belastungssituationen bei. In der Netflix-Serie «The Night Agent» wirkt es beinahe surreal, wenn der FBI-Agent Sutherland nach einem Karriereknick sein Dasein in einem Kellerbüro ohne Fenster im Weissen Haus fristet. Und doch sind solche Situationen praxisnah. Denn in der Praxis werden Menschen immer wieder wegbefördert, an besondere Arbeitsplätze versetzt oder schlicht rausgestellt.

Im Kern dieser Dynamiken stehen psychologische Spiele und damit stets verbunden subtile oder heftige Formen der Einschüchterung, Abwertung, Entwertung oder gar der Entwürdigung des Menschen. In vielen Fällen sind die Auswirkungen auf die Betroffenen verheerend. Sie führen zu ernsthaften psychischen und physischen Gesundheitsproblemen, die wiederum die berufliche Leistung und die allgemeine Lebensqualität beeinträchtigen. Jedenfalls werden Karrierewege und die Entfaltung von Potenzialen gestört.

In solchen Fällen werden Personen zum Spielball in einem unerbittlichen Machtspiel, in dem ihre eigenen Bedürfnisse und Rechte ignoriert werden und sie diese selbst nicht mehr wahrnehmen können. Dies kann zu einem Gefühl der Ohnmacht führen, da die betroffene Person buchstäblich als Werkzeug für die Ziele anderer verwendet wird.

Rumschubsen

Während im Arbeitskontext manche Menschen sich in hierarchischen Gefügen unterlegen fühlen, fühlen sich andere Menschen darin überlegen. So banal das klingt, so wesentlich ist der Einfluss auf den Karriereverlauf. Macht heisst die Währung.

Macht befähigt, Ziele durchzusetzen, rollenbezogenen Einfluss auf Menschen auszuüben – und zu kontrollieren. Es ist eine Tatsache, dass Menschen als Manövriermasse behandelt werden, um Karriereziele erreichen zu wollen. Dies geschieht, wenn Vorgesetzte oder Kollegen gezielt Einzelpersonen auswählen, um sie in ihre eigenen Machtkämpfe, Konflikte oder Rivalitäten zu verwickeln. Das bewusste oder unbewusste Ziel dabei ist, die betroffene Person zu manipulieren, zu instrumentalisieren und in negativen Situationen auszunutzen.

Diese Spiele können in unterschiedlichen Härtegraden verlaufen. Zunächst bleibt ein ungutes Gefühl. Das Verhalten kann als sozialer Fauxpas angesehen werden. In der nächsten Phase will vermieden werden, dass die Konsequenzen vor den Augen der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Doch die psychischen Belastungen sind mittelmässig bis stark spürbar. Schliesslich wird endgültig in Kauf genommen, dass dauerhafte Erkrankungen resultieren, schwere Fremd- oder Selbstschädigungen erfolgen oder gar Operationssäle, Psychiatrien oder gar Leichenhallen Bühnen der Inszenierung werden.

Karriere ohne Rumschubsen?

Es ist wichtig zu betonen, dass niemand das Recht hat, andere Menschen für seine eigenen Karriereziele zu missbrauchen. «Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt», schreibt Schiller Wilhelm Tell im ersten Aufzug gleich in der ersten Szene in den Mund und fährt fort: «Vertrau‘ auf Gott und rette den Bedrängten.» Diese lobenswerte Ethik mag in einer Zeit, in der an verschiedenen Orten existenzielle Themen und die Not, um jeden Preis nach vorne zu kommen, idealistisch sein. Dennoch gibt es einige Aspekte, die sich lohnen, für eine Karriereentwicklung ohne Plumpsäcke und dem Umgang mit der verfügbaren Rollenmacht zu berücksichtigen:

  • Bewusstsein schaffen: Psychologische Spiele entstehen unbewusst und alle Beteiligten tragen zur Eskalation und Deeskalation bei. Werden Sie sich bewusst, weshalb Sie, wenn es um Ihre Karriereziele geht, zu destruktiven Methoden greifen. Machen Sie sich bewusst, wo Sie sozialverträglicher hätten handeln können. Sitzen Sie in Ihrer Position «am längeren Hebel»? Dann machen Sie sich bewusst, welche psychologischen Spiele Sie eröffnen, um Ihre Karriereziele aggressiv zu erreichen.
  • Selbstbewusstsein: Seien Sie sich Ihrer eigenen Werte, Fähigkeiten und Ziele bewusst. Ein gesundes Selbstbewusstsein schützt Sie vor Manipulation und Ausnutzung. Zudem macht es Sie resilienter und handlungsfähiger gegen Einschüchterungen, Abwertungen und Entwürdigungen.
  • Stärkung Ihrer Soft Skills: Verbessern Sie Ihre zwischenmenschlichen Fähigkeiten, um Machtspiele frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Dies kann dazu beitragen, Manipulationsversuche aus dem Weg zu schaffen.
  • Zivilcourage: Wagen Sie es, destruktive Verhaltensmuster aufzudecken und anzusprechen. Nehmen Sie sich in einer unterlegenen Position wahr, suchen Sie Wege und Unterstützung, die vorherrschenden Spiele zu durchschauen und geeignete Gegenmassnahmen zu entwickeln. Eine effektive Kommunikation kann dazu beitragen, das Problem anzugehen und bestenfalls co-kreative Karriereentwicklungen zu finden.
  • Netzwerken: Bauen Sie ein starkes berufliches Netzwerk auf, um Unterstützung und Rat von Kollegen und Vorgesetzten zu erhalten. Ein starkes Netzwerk kann dazu beitragen, Ihre Karriere konstruktiv zu fördern.
  • Spielfeld verlassen: Wenn alle Stricke reissen, ziehen Sie in Erwägung, den Arbeitsplatz zu wechseln und sich bei der Jobsuche auf Unternehmen mit einer positiven Beziehungskultur und Mitarbeiterbehandlung zu konzentrieren.



* Der Plumpsack ist in Deutschland das, was wir in der Schweiz als Spiel «Fätzli gleit» kennen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert