Alle reden von KI. Die Kanäle sind voll von neuen Tools und Hacks. Alle stürzen sich auf die neuen technischen Möglichkeiten. Die IT-Abteilung wird überschwemmt mit Anfragen. Die Prompting Kurse sind ausgebucht. In dieser rasenden Hektik, stürzen wir uns auf die technischen Lösungen. Wir sprechen über Datenqualität, Datenschutz und Cybersecurity. Nur: Der Umgang mit KI ist primär eine HR-Aufgabe. Warum dieser Elefant nicht gesehen wird und wie man ihn zähmen kann.
Ich bin überzeugt, dass künstliche Intelligenz eine bedeutend höhere Veränderungsdynamik entwickelt als die Einführung der Dampfmaschine oder die Erfindung des Internets. Es ist also nicht das erste Mal, dass wir im Geschäftsalltag vor enormen Veränderungen stehen. Scheinbar haben wir nicht viel daraus gelernt. Das Hauptproblem in diesen Transformationsprozessen ist nie die Technologie. Never! Es ist der Mensch mit seiner Fähigkeit sich auf neue Realitäten einzustellen, sich die richtigen Kompetenzen anzueignen und neuen Situationen mit Kreativität zu begegnen. Hier ein paar Punkte, die wir uns im HR zu Herzen nehmen sollten.
1. Be the change you want to see
Wir haben mit einigen grossen Unternehmen zu tun, die uns stolz anvertraut haben, dass bei ihnen jetzt Co-Pilot eingeführt wurde. Gleichzeitig stellen sie aber fest, dass die interne Nutzung überschaubar bleibt. Damit ist klar, dass KI eher überschätzt wird und wir das ganze doch etwas ruhiger angehen können. Wer aber denkt, dass ChatGPT oder Co-Pilot nichts anderes sind als eine Google Suche auf Steroiden, haben ein paar grundsätzliche Dinge noch nicht verstanden. Die Zukunft gehört nicht den grossen AI-Maschinen, sondern den KI-Agenten, die uns spezifische Aufgaben abnehmen, Prozesse beschleunigen und Lösungen vorschlagen. Als erstes müssen wir selbst lernen mit Agenten zu arbeiten und Erfahrungen sammeln. Wir müssen uns als Personalabteilung intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Die Anpassung an eine Welt, die von KI geprägt ist, ist ein enormer Transformationsprozess. Hier muss HR zwingend auf die Kommandobrücke. Der Elefant muss sichtbar werden.
2. HR muss die Themenführung übernehmen
In sehr vielen Unternehmen liegt der Lead zum Thema KI in der IT. So wie man den Chief Digital Officer in die IT gesteckt hat. Wer immer in den letzten Jahren mit Digitalisierung zu tun hatte: Wir bringen Digitalisierungsprojekte nur dann zum Erfolg, wenn wir die betroffenen Mitarbeitenden für den Wandel gewinnen. Mit KI ist das genau gleich. Deshalb muss HR das Thema vorantreiben. Wir müssen Transformationsthemen antizipieren. Wir müssen den Skillshift voraussehen. Wir müssen uns Gedanken machen über Mitarbeitende, die ihre angestammte Aufgabe verlieren und sich neu orientieren müssen. Wir müssen die Mitarbeitenden-Generationen im Blick haben. Wir müssen Transformationskompetenz aufbauen und als Konsequenz Administrationskompetenz abbauen. Wir müssen den Elefanten führen und nicht warten, dass die IT bei uns Elefantenfutter bestellt. Die Personalabteilung ist für die Fütterung zuständig – und was der Elefant braucht, ist Brainfood und nicht Muskelaufbau-Präparate.
3. Spielplätze bauen statt Mauern
Wer den Wandel scheut, finden tausend Argumente, diesen zu verhindern. Beliebt sind Datenschutz, Kosten oder fehlende Infrastruktur. Wir können den Wandel vielleicht bremsen, aber nicht aufhalten. Unsere Mitarbeitenden haben alle KI-Werkzeuge auf ihren Mobiltelefonen oder Zweitgeräten. Da KI sich anbietet die Arbeit zu vereinfachen, werden die Instrument genutzt, ob wir es wollen oder nicht. Also heisst es Spielplätze zu schaffen, wo das Ausprobieren erwünscht ist. Es heisst den internen Austausch zu fördern. Es gilt Praxisgruppen zu schaffen, die sich interdisziplinär über Erfahrungen unterhalten und neue Lösungen erarbeiten. Es braucht eine Nerd-Gruppe, die aufgrund ihrer Fähigkeiten neue Möglichkeiten erkunden darf und laufend darüber berichtet. Es gibt Pilot-Teams, die mit KI Agenten zusammenarbeiten und darüber berichten. Der Elefant braucht also ein gutes Gehege, das den natürlichen Lebensraum optimal abbildet und ihm ermöglicht in der Wildnis zu überleben.
4. Skillshift angehen
Wenn wir die Kompetenzanforderungen anschauen, die durch die KI-Welt entstehen, dann haben einzelnen Unternehmen schon begonnen sich intensiver mit Themen wir Prompting auseinanderzusetzen. Es geht um KI selbst, also das Verständnis dafür, wie KI funktioniert, wo ihre Grenzen liegen und wie man sie effektiv als Werkzeug nutzt. Längerfristig geht es um den Aufbau von Plausibilisierungskompetenz und von kritischem Denken, um die von KI gelieferten Resultate zu überprüfen. Es geht um die Stärkung aller Kompetenzen, die nicht von KI übernommen werden können: Kreativität, emotionale Intelligenz, Konfliktlösung. Es geht um Transformationsfähigkeit und Resilienz. In der Führung geht darum alle interpersonellen Fähigkeiten zu stärken. Wenn wir das Bild des Elefanten nehmen, dann müssen wir seine psychischen Fähigkeiten stärken, damit er sich in der Freiheit durchsetzen kann.
5. Strategien entwickeln
Weil wir dazu neigen grosse Veränderungen kurzfristig zu überschätzen und langfristig zu unterschätzen, sollten wir uns mit ein paar strategischen Weichenstellungen befassen. Wie schaffen wir es, mit der Dynamik zu leben? Welche Strukturen, Gremien sind nötig, um nicht nur zu reagieren, sondern das Heft in der Hand zu behalten? Wir brauchen eine KI-Strategie. Darin ist die Transformationsgestaltung das zentrale Handlungsfeld. Da unser Elefant sich immer schneller entwickelt, und in unheimlichem Tempo neue Fähigkeiten erlangt, muss dieser strategische Denkprozess ebenso dynamisch ablaufen, wie die Entwicklung der KI selbst. Wenn wir ein Strategiepapier schreiben und dafür sechs Monate brauchen, bis es von allen Gremien verabschiedet wurde, dann können wir das Papier gleich wieder in die Tonne schmeissen. Weil sich unser Elefant in dieser Zeit wieder komplett gewandelt hat. Auch hier müssen neue Formate entwickelt werden.
6. Das Tempo ertragen
Die grösste Herausforderung ist das Entwicklungstempo. Bei der KI stehen wir erstmals vor exponentiellen Entwicklungsschritten. Das ist nicht gut für den Menschen. Wir können sequentielles Wachstum einigermassen gut. Die Dynamik der KI-Entwicklung hat aber alles dabei, um uns zu überfordern. Wir müssen Wege finden, uns dieser Dynamik anzupassen. Wir sind dem Tempo ausgeliefert. Wenn wir uns an Corona erinnern, haben wir dafür eigentlich gute Strategien entwickelt. Wir haben interdisziplinär zusammengearbeitet, pragmatische Lösungen gefunden und Dinge möglich gemacht, die davor undenkbar waren. Genau diesen Spirit brauchen wir wieder. Spezielle Herausforderungen brauchen spezielle Lösungen. Wer hat schon einen Elefanten im Garten? Eben! Jetzt ist unkonventionelle Ansätze, Innovation und Kreativität gefragt!
7. KI Agenten sind Mitarbeitende
KI Agenten müssen rekrutiert, ongeboardet, entwickelt, gemessen werden. Wer in Agenten Eingabemasken sieht, sieht falsch. Erst wenn wir KI-Agenten in unsere Arbeit integrieren und wenn sie Teil des Teams werden, entfalten sie die beste Wirkung. Was zu Beginn etwas befremdlich tönt, ist nur logisch. Und wieder sind wir mitten in der Personalarbeit. Es geht also darum sich auf die neuen «Mitarbeitenden» einzustellen. Es braucht Richtlinien, Standards, Messgrössen, um die Performance der KI-Agenten zu beurteilen. Es braucht jemand, der diese Agenten orchestriert. Aktuell gibt es in den meisten Unternehmen erst wenige KI-Agenten, die vereinzelt Abteilungen bei der Arbeit unterstützen. Aber bald werden sie sich vermehren und wir tun gut daran, das sauber und einheitlich zu machen.
Fazit
Wir stehen am Anfang einer Zeitenwende. Am Anfang einer gewaltigen Transformation der Arbeitswelt. Es kann nicht sein, dass wir die IT beauftragen diesen Wandel zu begleiten. Das kann und darf nicht sein. Es ist die Pflicht von HR sich hier früh in diesen Transformationsproesse einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Wir begleiten verschiedenen Unternehmen auf diesem Weg. Erst wenige sehen die Einführung von KI als HR-Prozess. Die meisten denken es gehe um Technologie. Wir müssen den Elefanten sichtbar machen. Wir müssen mit ihm arbeiten, wir müssen ihn anleiten, statt von ihm zertrampelt zu werden.
* Der Titel spielt auf die Redewendung an «Ein Elefant im Porzellanladen» und ist gleichzeitig der Titel des unterhaltsamen Buches von Edi Estermann, der über Jahre falsch genutzte Redewendungen gesammelt hat. Für mich war es eine sehr zutreffende Inspiration.