Trinkgelder in der Gastronomie

blog arbeitsrecht thomas geiserTrinkgelder sind Abrechnungspflichtig. Warum das trotz politischer Interventionen nach wie vor gut ist, erklärt Thomas Geiser in seinem Blogbeitrag.

In diversen Branchen sind Trinkgelder noch immer üblich. Sehr verbreitet sind sie vor allem in der Gastronomie. Seit Abschluss des ersten Landes-Gesamtarbeitsvertrag für die Gastronomie (L-GAV) 1974 ist die Bedienung im Preis enthalten. Das bedeutet aber nicht, dass auch die Trinkgelder inbegriffen sind. Vielmehr ist es immer noch üblich, in Gastronomiebetrieben Trinkgeld zu geben. Hochrechnungen zeigen, dass in der Schweiz pro Jahr über eine Milliarde Franken Trinkgeld gegeben wird. Im Durchschnitt wurde in den Jahren 2021 und 2022 Trinkgeld in der Höhe von ca. 5,7 Prozent gemessen am gesamten Rechnungsbetrag bezahlt. Geht man von Personalkosten von 40 Prozent des Umsatzes der Gastwirtschaft aus, was sehr hochgerechnet ist, beträgt das Trinkgeld pro Mitarbeitenden rund 14 Prozent des Lohnes. Muss der Gastgeber diese Trinkgelder bei den Sozialversicherungen abrechnen und im Lohnausweis für die Steuern aufführen?

Jedes Entgelt, das ein Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit erhält, unterliegt nach Art. 5 Abs. 2 AHVG der Beitragspflicht. Als Entgelt gelten alle Vergütungen, die einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis aufweisen, unabhängig davon, ob sie von der Arbeitgeberin oder von einem Dritten ausgerichtet werden, wie das Bundesgericht festgehalten hat (BGE 137 V 321 E.2.1). Solche Beträge sind auch als Einkommen zu versteuern.

Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hält in Ziffer 2044 ff. der «Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML)» gestützt auf Art. 7 Bst. e AHVV fest: «Trinkgelder und Bedienungsgelder gehören nur soweit zum massgebenden Lohn, als sie einen wesentlichen Teil des Lohnes darstellen.» Dass unbedeutende Beträge nicht abzurechnen sind, hat zwar im AHVG keine Rechtsgrundlage, lässt sich aber aus Praktikabilitätsgründen ohne weiteres vertreten. Machen die Trinkgelder aber 10 Prozent oder mehr des Einkommens aus, sind sie sicher nicht mehr «unbedeutend». Die weitere Bemerkung in der Wegleitung, dass «in Branchen, in denen der schweizerische Verband die Trinkgelder abgeschafft» habe, die Ausgleichskasse davon ausgehen könne, «dass Trinkgelder nur noch in unbedeutendem Ausmass gewährt werden» und als Beispiel das Gastwirtschaftsgewerbe aufführt, ist keine Einschränkung, sondern eine blosse Vermutung. Das BSV hält dann auch dazu fest: «Offensichtliche Abweichungen bleiben vorbehalten.» Die genannten Zahlen zeigen, dass im Gastwirtschaftsgewerbe Trinkgelder offensichtlich nicht unbedeutend sind.

Die Abrechnungspflicht der Trinkgelder rief die Politik auf den Plan. Mit einer Motion will Nationalrat Vincent Maitre sowohl das AHV-Gesetz wie auch das Steuerrecht dahin ändern, dass Trinkgelder in der Gastronomie bei den Sozialversicherungen nicht mehr abgerechnet werden müssen und auch nicht mehr steuerbar sind. Der Bundesrat lehnt dieses Postulat zu Recht ab. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge auf den Trinkgeldern sind für die soziale Sicherheit des Personals in der Gastronomie wichtig. Nur so erhalten die Mitarbeitenden bei Arbeitslosigkeit und Krankheit ihrem tatsächlichen Einkommen entsprechende Taggelder und bei Invalidität und Alter angemessene Renten.

Wie der Bundesrat richtig feststellt, kann der Gastwirt diese Abrechnungen nur vornehmen, wenn er gesicherte Kenntnis von den Trinkgeldern hat. Das ist aber in den meisten Betrieben der Fall. Meist behält der Service in der Regel rund 80 Prozent vom Trinkgeld und die restlichen 20 Prozent gehen in einen gemeinsamen Topf für die Küche. Trinkgeld wird nicht nur wegen einer guten Bedienung gegeben, sondern auch weil das Essen gut und die Gastwirtschaft sauber war. Das ist aber nicht nur das Verdienst der Bedienung, sondern aller Mitarbeitenden. Die Aufteilung unter das ganze Personal ist folglich sinnvoll. Der Gastwirt hat bei diesem Vorgehen aber zuverlässige Kenntnis der Trinkgelder und auch der Verteilung unter seinen Mitarbeitenden, beziehungsweise er kann sich diese Kenntnis in jedem Fall verschaffen, was ausreichend ist. Des Weiteren ist nicht unüblich, dass der Gastwirt das Serviceportemonnaie mit dem Geldstock seinem Servicepersonal zur Verfügung stellt und am Abend die Tagesabrechnung sowie das Zählen des Trinkgeldes und Weitergabe an das Personal macht. Mit dem elektronischen Zahlungsverkehr hat die Arbeitgeberin nun zwingend Kenntnis von den Trinkgeldern, da der Geldfluss der Kreditkarten-Acquirer über sie läuft. Ob die entsprechenden Beträge auch in der Buchhaltung des Unternehmens auftauchen oder nicht, ist demgegenüber für die Frage der Abrechnungspflicht ohne Bedeutung. Trinkgelder sind folglich bei den Sozialversicherungen abzurechnen und beim Lohnausweis aufzuführen.

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