Ohne Schnuppern kann man keine vernünftige Job-Entscheidung treffen – so meine heutige Behauptung. Dies gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber.
Natürlich lernt man sich in einem Bewerbungsgespräch persönlich kennen, man hat die Qualifikationen vor Augen und beide versprechen sich gegenseitig das Blaue vom Himmel: So ist der Arbeitnehmer stets belastbar, aufnahmefähig und effizient und der Arbeitgeber verspricht immer abwechslungsreiche Aufgaben, gute Aufstiegsmöglichkeiten und einen ausserordentlichen Teamzusammenhalt. Doch sollte man sich wirklich darauf verlassen? Ich meine nein!
Es beginnt bereits im jungen Alter: Um als Schüler den richtigen Lehrbetrieb zu finden, ist es im Bewerbungsprozess unabdingbar, sich zuerst einen authentischen Einblick in das Unternehmen zu verschaffen.
Wenn sich ein Schüler beispielsweise für eine Lehrstelle bewirbt, wird er normalerweise zuerst zum Schnuppern eingeladen. Ein Konzept, das sich bewährt hat, da die Schüler nur so einen unverfälschten Einblick in den Beruf und das Unternehmen erhalten.
Ist er sich noch unsicher, ob er sich überhaupt die Mühe machen soll, zum Schnuppern beziehungsweise zum Vorstellungsgespräch zu gehen, kann auch auf das «Online-Schnuppern» zurückgegriffen werden. So finden Schüler bei Yousty beispielsweise Bilder und Videos von zukünftigen Arbeitskollegen und Tätigkeiten.
Das richtige Schnuppern vor Ort ist aber bei Jugendlichen ganz entscheidend. Denn stimmt die Chemie und glaubt der künftige Coach (Berufsbildner), mit dem Jugendlichen eine Beziehung aufbauen zu können, sind 70 Prozent des Lehrerfolges schon gegeben.
Was dem Schüler hilft, gilt auch für den Erwachsenen: Wer kauft schon blauäugig ein Auto, ohne dies vorher Probe zu fahren?
Schnuppern – ein Fremdwort
Leider ist das Schnuppern oder das Probearbeiten in der Berufswelt der Erwachsenen jedoch nicht mehr ganz so vertreten, wie es eigentlich sein sollte. Denn auch in der Arbeitswelt der Erwachsenen ergibt es durchaus Sinn, die neue Stelle einige Tage auszuprobieren.
Ablauf
Optimalerweise wird der Kandidat nach einem positiven Bewerbungsgespräch zu einigen Tagen Probearbeit eingeladen, sodass er einen Einblick ins Unternehmen erhält. Dabei sollte er möglichst die Abläufe und Aufgaben kennenlernen, die später von ihm erwartet werden. Normalerweise geht es nicht darum, eine Arbeitsleistung zu verrichten, sondern nur ums Verstehen und Ausprobieren.
Chancen
Beim Probearbeiten merkt der Bewerber relativ schnell, ob der Job zu ihm passt und wie er sich im Team fühlt. So lernt er dabei ja auch die Kollegen, den Chef und das Büro in spe kennen.
Die Firma auf der anderen Seite wird sehen, ob der potenzielle neue Mitarbeiter ins Team und ins Unternehmen passt und ob er auch versteht und leisten kann, was verlangt wird.
Das Probearbeiten ist zudem insofern eine Chance, als dass der Jobkandidat optimal zeigen kann, was er wirklich drauf hat – statt wie beim Bewerbungsgespräch nur davon zu erzählen.
Risiken
Nur wenige Firmen versuchen, Leute dauerhaft auf Probe zu beschäftigen, ohne sie dafür gerecht zu entlöhnen. Das lässt sich vermeiden, indem beide Parteien bereits im Vornherein klären, wie lange die Probearbeit dauern soll und ob sie entlöhnt wird. In der Regel gilt, dass man nicht länger als eine Woche bei einem Unternehmen ohne Entlöhnung in der Probe verweilen soll.
Wird das Probearbeiten also richtig gemacht, spricht absolut nichts dagegen. Im Gegenteil! Jeder und jede sollte diese Investition auf sich nehmen und mal so tun als ob. Enttäuschungen können so garantiert verhindert werden. Oder was meinen Sie, liebe Leserin, lieber Leser?
Kann jedes Wort ihres interessanten Beitrags unterstreichen, Urs Casty. Beide Seiten profitieren; Fehlbesetzungen können so massiv reduziert und Top-Besetzungen eher erreicht werden. Nur das direkte Erleben der Job-Realität, das Wirken an Ort und Stelle, das Involvieren in konkrete Tätigkeiten, die Alltagskommunikation mit dem Team, die gelebte und erlebte Unternehmenskultur und vieles mehr sind dermassen authentisch und unverfälscht mit Schnupperseinsätzen möglich. Alles andere sind letztlich Sales Talks mit sehr ungewissen Entscheidungsgrundlagen.