Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden nicht das bieten können, was sie sich wünschen, sehen Mitarbeitende möglicherweise irgendwann die «Zeit zu gehen». Ist das wirklich so schlimm? Ich finde eigentlich nicht.
Wenn Vorgesetzte die Kündigung ihrer Mitarbeitenden persönlich nehmen oder ihnen von einem Tag auf den anderen nicht mehr vertrauen, ist das ein unnötiges Drama.
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Doch ist es, denn meistens ist der Grund zu gehen, die Führungskraft. Auch wenn dies nicht offen kommuniziert wird!
„Fluktuation ist schädlich.“ tönt es auch in diesem Blog (was seinem Titel etwas widerspricht, aber egal). Kann man das wirklich so auf den Punkt bringen? Wie innovativ sind Unternehmen mit Fluktuation nahe null? Wie schnell können sich Unternehmen mit Fluktuation nahe null an Veränderungen anpassen? Wie zufrieden sind die Mitarbeitenden in Unternehmen mit Fluktuation nahe null wirklich?
Interessant ist die gemachte Verknüpfung zwischen Fluktuation und Employer Branding. Und in diesem Aspekt kann Fluktuation wirklich schädlich sein:
Jemand verlässt seinen Arbeitgeber grundsätzlich aus einem von vier Gründen: Er will gehen (kündigt selber), er muss gehen (wird gekündigt), Vertrag läuft ab (Befristung, Pensionierung [falls Automatismus bspw. in einem GAV]) oder Schicksal (Krankheit, Unfall, Todesfall).
Vertragsablauf und Schicksal sind für das Image des Arbeitgebers unproblematisch, falls der Arbeitgeber dem Schicksal nicht nachgeholfen hat (ungesunde Arbeitsplätze/Arbeitskultur).
Wenn hingegen jemand gehen musste, dann wird diese Person im Normalfall nicht besonders gut auf seinen Ex-Arbeitgeber zu sprechen sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass schlecht über den Ex-Arbeitgeber gesprochen wird, ist gross, denn die Kränkung ist vorhanden, selbst wenn freundlich gekündigt wurde. Für viele Gekündigte wird es schwierig sein, differenziert schlecht über den Ex-Arbeitgeber zu sprechen („mit Frau X. haben die eine sehr unfaire und unfähige Vorgesetzte“, „Mitarbeitende unter 40 werden sehr gut behandelt, die anderen werden entlassen“). Das Gekündigtwordensein färbt auch die buntesten Dinge dunkel ein (negativer Haloeffekt).
Wenn jemand gehen will, also selber kündigt, dann geschieht dies, nachdem – mehr oder weniger bewusst – Bilanz gezogen wurde: Was ist hier gut für mich vs. was ist hier schlecht für mich, und in welchem Ausmass jeweils? Welche Seite hat mehr Gewicht? Aha, schlecht überwiegt – und tschüss. Die Rechnung kann jeder machen, macht wahrscheinlich auch jeder. Die Konsequenz zu ziehen hingegen bleibt denjenigen vorbehalten, die sich eine Kündigung leisten können, sei es, weil es finanziell drinliegt, über Monate oder (für Ältere) über Jahre ohne Erwerbseinkommen zu sein, sei es, weil sie eine Anschlusslösung in Sicht haben.
Fluktuationszahlen generieren natürlich nur diejenigen, die gehen. Diejenigen, die bleiben, generieren andere Probleme, nicht zuletzt auch für sich selber. Diejenigen, die gehen, haben also bilanziert und sind zum Schluss gekommen, dass das Schlechte das Gute überwiegt. Ist auch nicht besonders schmeichelhaft für den Arbeitgeber und dessen Image: Tut zu wenig für die persönliche und/oder fachliche Weiterentwicklung, kann keine marktgerechten Löhne zahlen, ist nicht fähig, mobbende Vorgesetzte/Arbeitskollegen zurückzubinden, hat kein gutes Händchen bei der Personalauswahl, hat wirtschaftlich keine Zukunft etc. etc.
Mir ist ein Arbeitgeber mit tiefer Fluktuation lieber. Eine tiefe Fluktuation zeigt auf, dass er wenige entlässt und dass wenige freiwillig gehen – dies macht einen „gesunden“ Eindruck. Aber man sollte, wenn man bspw. auf Stellensuche ist, auch schauen, ob das Unternehmen noch „lebt“ und ob dessen Mitarbeitende über derart spezifisches Humankapital verfügen, dass sie woanders keinen Arbeitsplatz mehr finden würden und so quasi gefangen sind.