Mira und das falsche Joghurt

Der Kühlschrank funktioniert wieder. Nicht ganz eigentlich. Die Software spinnt immer noch. Mira hat ihr eigenes Joghurt und dies bestellt der Kühlschrank seit zwei Wochen mit Kurkuma statt Grüntee-Geschmack. Updates zwecklos. Aber immerhin. Was drin ist, bleibt frisch. Der Kühlschrank ist vorübergehend reduziert auf die Features, die das Vintage-Gerät der Grosseltern einst hatte. Aber beginnen wir von vorne. Wir schreiben den 12. April 2030.

Mira hockt also mit dem falschen Joghurt am Frühstückstisch und liest die ersten Messages. Ihr Kompetenzbroker sendet die aktuellen Angebote für ihre Skillsets. Relationship Analytics ist im Trend, Java Programmierung immer weniger gefragt. Das überrascht sie nicht. Die Upgrade-Kurse, die Mira in den letzten Monaten gebucht hat, waren die richtige Entscheidung. Ihr Ranking ist gerade wieder um 25 Punkte gestiegen. Das falsche Joghurt ist damit um einiges erträglicher.

Früher vergaben Firmen Verträge mit Fixlöhnen und Fixzeiten. Heute ist das undenkbar. Auf grossen Broker-Plattformen publizieren die Unternehmen die Preise, die sie für bestimmte Kompetenzen und Membership-Levels bezahlen. Mira ist mit ihren 30 Jahren flexibel und hat sich für ein Multimodell mit 3 Memberships entschieden. Ändern kann sie es jederzeit. Ihre Freundin Bora mit zwei Kindern im Vorschulalter hat gerade einen Deal über 3 Jahre Fixlohn mit Vollgarantie abgeschlossen. So kann sie zwar ihre Jobs nicht frei wählen, hat aber die Sicherheit, die sie braucht, bis die Kids selbständiger sind.

Zeit für einen Espresso aus der Kolbenmaschine. Die gute Zuriga ist ein echtes Vintage-Teil, made in Zürich. Mira hat drei Memberships: Eine beim Bundesamt für Mentale Gesundheit auf Stufe Freelance. Für die zweite Mitgliedschaft bei einem globalen Verpackungsmulti ist sie im Abfall-Engineering in zwei Projekten auf Level 3 dabei. Ihr Herzblut hat sie aber bei einem Schweizer Schokoladefabrikanten. Level 5 mit allen Benefits und Expert-Status als Productowner, zuständig für verschiedene Sales-Plattformen.

Nebenbei studiert Mira gerade Neuroanalytik und Biodynamik. Es fehlen noch ein paar Punkte zum Master. Die holt sie sich mit der Beteiligung an einem Entwicklungshilfe-Projekt in den USA. Gedankenverloren blättert Mira in ihren personalisierten News. Ein Stipendium in Nairobi sticht ihr in die Augen. Wow, die Anforderungen passen ziemlich gut. Sie beantragt einen Chat mit der Leiterin des Institutes. Ob sie reagiert? Ein Engagement an der renommiertesten akademischen Agentur für Neuroanalytik – das wäre ja ein Ding.

So. Zweiter Kaffee und jetzt mal zu den aktuellen Schlüsselaufgaben. Das Tagesprogramm, das ihr entgegenblickt, ist happig. Um 10 Uhr Meeting mit dem Schokoladeprojekt im Co-Working Space Birmensdorf. Den Elektroroller hat das System schon gebucht. Und dann Gyro-Pilates mit Bora in der Stadt. Zurück in den Office Space in der Siedlung mit zwei Videokonferenzen. Dann Apéro mit Luc und anschliessend das Highlight der Woche: Mira lernt seit zwei Monaten schreiben. Von Hand. So wie früher. Die drei Bleistifte und die kleine Schreibtafel hat sie immer dabei. Übung macht den Meister.
Auf dem Roller, Helm aufgesetzt und eingespurt in den programmierten Verkehr, leckt Mira sich die Lippen ab. Da war noch ein kleines bisschen Kurkumajoghurt. Vorläufig, so ihr Beschluss, lässt sie den Kühlschrank wie er ist. Kaputt und ziemlich gut für nicht-programmierte Überraschungen.

Abspann:
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