Frust im Job hat oft auch etwas mit dem oder der Vorgesetzten zu tun. Und wenn Mitarbeitende frustriert sind, kann dies Unternehmen erheblich schaden. So weit soll es gar nicht kommen! Der Jahresanfang ist der ideale Zeitpunkt, um Vorgesetzten einige Anregungen mit auf den Weg zu geben. Aus dem Alltag von fünf Assistentinnen haben wir einen Wunschzettel zusammengetragen.
Stellenprofile und Inserate sind in Sachen Wünsche eine Einbahnstrasse: Vorgesetzte erstellen schier endlose Anforderungsprofile an ihre neuen Mitarbeitenden. Bei ihren Wunschlisten lassen sie von Loyalität über Verlässlichkeit, Sozialkompetenz, Motivation bis hin zu Teamdenken und Engagement praktisch nichts aus. Doch wie steht es um die Wünsche von Mitarbeitenden an ihre Vorgesetzten? Drehen wir den Spiess doch mal um.
Wenn Mitarbeitende frustriert sind, spielen Führungskräfte nämlich oft eine grosse Rolle: In einer repräsentativen Umfrage gaben 70 Prozent der Befragten an, in ihrem Job vor allem wegen ihres oder ihrer direkten Vorgesetzten unzufrieden zu sein – etwa aufgrund fehlender Wertschätzung oder unklarer Zielvorgaben.
Das kann Unternehmen erheblich schaden: Wenn ihre Mitarbeitenden innerlich gekündigt haben und nur noch Dienst nach Vorschrift machen, gehen Unternehmen jede Menge Ressourcen durch die Lappen. Der Studie zufolge entsteht der deutschen Wirtschaft so ein jährlicher Verlust von 105 Milliarden Euro Umsatz.
Kandidatinnen und Kandidaten bestätigen uns, dass Frust im Job oftmals mit dem oder der Vorgesetzten zu tun hat. Deshalb haben wir die Wünsche von fünf Assistentinnen – zufällig aus unserem Netzwerk ausgewählt – an ihre Chefs und Chefinnen zusammengetragen. Die Anliegen sind mit einem Augenzwinkern zu verstehen, basieren aber auf echten Erlebnissen direkt aus der Praxis. Dass die Geschäftswelt nie ein Ponyhof sein wird, ist allen fünf bewusst – dennoch orten sie gebündeltes Verbesserungspotential in der Interaktion mit früheren oder aktuellen Vorgesetzen.
Und hier ist sie – die Wunschliste zum Jahresanfang:
Wünsche aus der Kategorie: Respekt und Wertschätzung
- «Wenn Du die Assistentin gefunden hast, die mit Dir durch dick und dünn geht, dann trage ihr Sorge. Zeige ihr Deine Wertschätzung und Anerkennung. Behandle sie wie die starke Partnerin, die sie ist – auf Augenhöhe.»
- «Ich bin ein Mensch, kein Cyborg. Auch wenn wir während Deiner 4-wöchigen Sommerferien fast täglich Kontakt hatten, schätze ich es, wenn Du am ersten Tag der Rückkehr beim Betreten des Büros nicht grusslos an mir vorbeiläufst.»
- «Ich gebe alles dafür, Dein bestes Pferd im Stall zu sein; bitte danke es mir gelegentlich mit einem extra Eimer Rüebli (= Bonus und/oder Überstundenausgleich).»
- «Es wäre schön, wenn Du Dich ehrlich für mich interessieren würdest und die Frage, wie mein Wochenende war, nicht bloss eine Floskel wäre. Wer so nah zusammenarbeitet wie wir es tun, sollte sich um einander kümmern und sich austauschen.»
- «Ich besitze genügend Intelligenz, Humor und Selbstbewusstsein, um mit Dir bei allem gebotenen Respekt auf Augenhöhe zu kommunizieren. Ich wünsche mir, dass ich authentisch ‹ich selbst› bleiben und offen sprechen darf, ohne für ein fehlendes Gender-Sternchen gekreuzigt zu werden.»
- «Ich würde mich freuen, wenn Du mir bei unseren seltenen Gesprächen Deine volle Aufmerksamkeit schenken könntest. Aktives Zuhören vermittelt Respekt.»
Wünsche aus der Kategorie: Kommunikation
- «Ja, wir hören das Gras wachsen. Das meiste können wir erahnen, erspüren, recherchieren. Doch manchmal wäre ein Hinweis von Dir, lieber Chef, wichtig. Zum Beispiel, wenn Du zehn weitere Teilnehmer zum Workshop eingeladen hast oder doch eine Nacht länger in Los Angeles bleibst.»
- «Wenn Du mich um Deine Einschätzung bittest, sei nicht beleidigt, wenn ich Dir die Wahrheit sage. Es traut sich sonst nämlich kaum jemand im Unternehmen, Dir dieses wertvolle Geschenk zu machen.»
- «Bitte teile für mich relevante Informationen mit mir und kommuniziere rechtzeitig, damit auch ich auf dem neusten Stand bin und meine Arbeiten planen und fristgerecht erledigen kann.»
- «Bessere Kommunikation und Transparenz – dazu gehört für mich zum Beispiel, dass Du Termine im Kalender einträgst. Und dass Du Termine nicht einfach kommentarlos aus dem Kalender löschst und ich das später nur durch Zufall merke.»
- «Ich finde es sehr belebend, bei einer zufälligen Begegnung am Wochenende auf der Skipiste nicht den Chef, sondern einen Menschen zu treffen, mit dem ich auf einmal eine halbe Stunde fröhlich über das Leben reden kann, wofür in einem ganzen Jahr bei der Arbeit keine Minute zu finden war. Das befördert meine Loyalität auf ein ganz neues Niveau! Vielleicht liesse sich eine ähnliche Wirkung erzielen, wenn Du einmal im Jahr mit mir zu Mittag essen würdest?»
Wünsche aus der Kategorie: Selbstständigkeit
- «Es wäre schön, wenn Du die drei Schritte zum gegenüberliegenden Take-Away selbst finden würdest und nicht mir eine SMS sendest, während ich gerade im Mittag bin.»
- «Ich wäre Dir dankbar, wenn Du das zentrale Telefon, bevor es zehnmal läutet, entgegennehmen könntest, wenn es mir gerade nicht möglich ist.»
- «Wenn die Druckeranzeige blinkt und die Meldung, ‹kein Papier› erscheint, frag mich bitte nicht, was jetzt zu tun ist.»
- «Bitte unterzeichne die Dir vorgelegten Dokumente so bald wie möglich, damit ich die Unterschriftenmappe nicht am Ende des Tages unter Deinen Papierstapeln suchen muss.»
«Danke, liebe Chefin, lieber Chef!»
Natürlich wollen wir auch positives Verhalten der Vorgesetzten wertschätzen und ermutigen. Welche Eigenschaften schätzen unsere fünf Assistentinnen an ihren aktuellen oder früheren Vorgesetzten?
- «Als bisher einziger Chef zeigst Du Respekt für all Deine Angestellten bis zur untersten Stufe mit Anstand, Interesse und Fürsorge. Bravo!»
- «Danke, dass Du mir vom ersten Tag an jeglichen Freiraum gegeben und mir damit Dein Vertrauen geschenkt hast.»
- «Toll, dass Du mein kritisches Feedback immer so gelassen akzeptierst und meistens auch umsetzt.»
- «Danke dafür, dass Du mir von Anfang an Vertrauen geschenkt und mir Verantwortung übertragen hast. Das ist für mich von grosser Wichtigkeit und sehr positiv.»
- «Ich bin Dir dankbar dafür, dass bei Dir nicht ‹no news are good news› gilt, sondern Du Dich zwischendurch immer wieder mal bedankst – sei es mit einem aufmunternden Wort oder einer aufmerksamen Geste.»
In diesem Sinne: Einen wunderbaren Start ins neue Jahr!
Oh ja, auch ich wünsche mir etwas mehr Respekt ;)
Grüsse, Sabina
Danke für den Artikel. Wirklich eindrücklich. Vor allem, weil die sogenannten Wünsche doch eigentlich zur selbstverständlichen Realität gehören sollten. Eigentlich schade, sind sie doch eher die Ausnahme, für die «Mensch» (in Assistenzpositionen wohl vor allem Frauen) dann auch noch dankbar sein muss.
Danke, Anne-Sophie, ja das Selbstverständlichste ist gelegentlich am schwierigsten in der Umsetzung!
Kleiner Hebel, grosse Wirkung…
Sabine
Hallo Sabine
Oh ja, wie wahr deine Zeilen leider oft sind. Der Jahresbeginn birgt viele Chancen, ein Verhalten zu ändern oder es zumindest zu überdenken.
Werde im nächsten Führungsworkshop wieder einmal daran erinnern und einzelne Bereiche ansprechen.
Vielen Dank für deine gelungene Auflistung.
Andrea
Merci, für Deinen Zuspruch, liebe Andrea. Ich selber bin versucht, den Blog den einen oder andern Vorgesetzten zuzuspielen…
Stattdessen freue ich mich, dass Du ihn in Euren nächsten Führungsworkshop einspeisen wirst.
Hoffentlich mit Wirkung!
Alles Gute, Sabine
Hallo Sabine
Toller Blog – ich hoffe, es lesen ihn einige Chefs.
Danke für die angehmene Zusammenarbeit für 2021 und ich freue mich auf weitere im 2022.
Patricia
Hoi Patricia, ein grosses Merci für Deinen positiven Kommentar. Auch ich freue mich auf ein gemeinsames 2022! Sabine
Hey Sabine
Alles Gute, viel Erfolg und Gesundheit im 2022! Ein sehr cooler Blog. So viel Wahrheit und so viel Humor. Und leider ertappt man sich selber dabei, dass man ein solcher Chef war und manchmal leider immer noch ist…
Danke für den Reminder!
Christoph
Ich bin froh, dass Dich der Blog anspricht – danke für Deinen Kommentar, lieber Christoph. Du bist sicherlich ohnehin schon ein toller Chef…
Anderen, hingegen, könnte der Blog zweifelsohne etwas «auf die Sprünge» helfen! Gruss, Sabine