«Culture eats strategy for breakfast.» So oder ähnlich formulieren einige Bestseller, wie wichtig die Kultur für die Firma und den Geschäftserfolg sei. Stimmt das? Ich wage mich mit ein paar ganz persönlichen, unwissenschaftlichen Gedanken an das Thema heran.
Jede Firma hat eine Kultur. Kultur ist das Gegenteil von Natur (von Aussen gegeben), nämlich das, was die Menschen – in unserem Fall in der Firma – gestalten. Ich habe schon im Mai vergangenen Jahres ein paar Zeilen dazu geschrieben: «Employer Branding: viel Geld für nichts?» Den heutigen Text basiere ich auf Gesprächen mit Geschäftsführer*innen, Personalleiter*innen und Ausbildungsleiter*innen von KMUs in der Schweiz. Seit 1994 habe ich etwa 4000 davon geführt.
Wissen Sie, was ich in erfolgreichen Firmen immer wieder hörte? Und zwar auffällig oft – wenn nicht fast immer – in Firmen, die über mehrere Jahre auch wirtschaftlich erfolgreich waren und Krisen gut überstanden hatten?
«Wir sind wie eine Familie» war die meistgehörte Aussage. Oft mit strahlenden Augen, einem Lachen im Gesicht und diesem Gesichtsausdruck, aus dem offenkundig zu entnehmen ist, dass dies der Kern des Wohlfühlens, des Vertrauens und der Loyalität ist. Alles Elemente, die offenbar die Basis für Involvement, Einsatz, Lerninteresse, Stressresistenz, Krisenmanagement und schlussendlich Output in Form hervorragender Arbeitsleistung zu Grunde liegen.
Auf meine vertiefenden Fragen, was denn «Familie» bedeute, habe ich alle Arten von Beschreibungen der idealen «Familien-Attribute» gehört: «Wir vertrauen uns, wir nehmen uns auch Zeit für persönliche Gespräche, wir wissen, was bei den Kollegen los ist, wir feiern halt auch mal zusammen, wir feiern Geburtstage, Geburten, Firmen-Jubiläen, leiden mit bei Prüfungen, springen füreinander ein, etc.»
Ich weiss nicht, wie es bei Ihnen ist, aber aus eigener Erfahrung und aufgrund von Beobachtungen aus dem Umfeld würde ich zu behaupten wagen, dass viele familiäre Beziehungen durchaus herausfordernd waren oder sind. Die Harmonie, das Vertrauen und auch die Liebe sind nicht immer so, wie man es gerne hätte oder es in schönen Filmen gezeigt wird.
Trotzdem, oder vielleicht deshalb, scheinen Firmen überdurchschnittlich erfolgreich und nachhaltiger zu sein, wenn dieses «Familien»-Klima vorherrscht. Ich vermute, dass der Anspruch an «Familie» in der Firma viel weniger hoch ist, als in der richtigen Familie. Es ist nicht so schlimm, wenn mal ein Geburtstag vergessen geht, oder jemand mal nicht an der Feier teilnimmt – es sind ja «nur» Arbeitskollegen. Im richtigen Familienkontext kann dies schon mal zu etwas mehr «Zoff» führen.
In der Firma weiss man, dass man eigentlich eine Zweckgemeinschaft ist. Man hat einen Vertrag geschlossen, um den Zweck der Firma zu unterstützen und bekommt dafür einen Aufgabenbereich, Verantwortung und einen Lohn. Eigentlich könnte man gar nicht viel mehr erwarten. Wenn nun aber «mehr» kommt und zwar in Form von «Family-Groove», dann scheint dies enormen Einfluss auf den Erfolg der Firma zu haben.
Es ist übrigens ganz erstaunlich wie viele Analysen von erfolgreichen Sport-Teams zu ähnlichen Einsichten gelangen. Man kann dort die Besten der Besten zusammenbringen. Der Erfolg ist nicht garantiert. Er kann sich einstellen. Selten, aber nachhaltig. Überdurchschnittliche, also outperforming Teams erleben einen Zusammenhalt, etwas feinstoffliches, etwas wie blindes Vertrauen, etwas, das sie einzigartig macht und zusammenschweisst – und andere eben nicht.
Ist es also die «Familien-Kultur» in Schweizer KMU – und vielleicht auch in anderen Ländern – die den Firmen-Erfolg wesentlich prägt? Und warum soll dies die Strategie der Firma schlagen? Und wenn dem so wäre, wie kann man eine solche Kultur kreieren?
Meine Erfahrung sagt klar Ja. «Firmen-Familien-Kultur» ist in unserem Kulturkreis, mit unseren Rahmenbedingungen und für KMU wesentlich für den Erfolg. Aus ihr entsteht so viel Engagement für den Erhalt der Zweckgemeinschaft namens Firma, dass die Mitarbeitenden dieser Firmen fast immer auch die richtigen Strategien und Innovationen für ihre Kunden und damit für das Überleben im Markt finden. Und wenn sie falsch lagen, gelingen Korrekturen einfacher. Die Suche nach den Schuldigen verschlingt weniger Ressourcen, als die Suche nach der neuen, besseren Strategie. Der Titel dieses Blogs wäre demnach besser gewählt gewesen mit «Kultur vor Strategie».
Eine interessante Beobachtung zum Schluss: Meiner Wahrnehmung nach gibt es fast so viele unterschiedliche Firmen-Kulturen, wie es Firmen gibt. 90% der Firmen, mit denen ich in Berührung kam, gibt es schon lange und die Kultur hat sich über Jahre entwickelt. Die erfolgreichsten unter ihnen haben eine Führung, die Mitarbeitende als motivierte, fleissige und selbstverantwortliche Menschen anerkennen. Führungs- und HR-Aufgaben werden transparent und verständlich kommuniziert und es gibt Rahmenbedingungen, die den unterschiedlichen Individuen gerecht werden. So entsteht Raum für Leistung und persönliche (familiäre) Beziehungen.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?